Kahlschlag im FFH-Gebiet – Tagebuch 15.11.2023

Mittwoch, den 15.11.2023

“Die Rotbuche wächst als sommergrüner Baum und kann Wuchshöhen von bis zu 30 m, im dichten Wald auch bis zu 50 m erreichen. Der Stammdurchmesser kann im Freistand bis 2 m betragen. Sie kann bis zu 300 Jahre alt werden […].” (Wikipedia – Rotbuche)

Die Buchen oberhalb der B482 waren nicht 300 Jahre alt. Auch 2 m dick waren sie nicht. Und auch nicht 50 m hoch. Rechnen wir also mit einer Höhe von 30 m. Betrachten wir die Bäume ganz oben am Hang – direkt unterhalb der Klippe am Haus Jakobsberg Nr. 1. Diese Bäume wurden gefällt, weil sie angeblich eine akute Gefahr für die B482 waren. Die Entfernung von der Straße zur Klippe beträgt 100 m. Wir stellen uns den worst case vor: einen schweren Sturm mit Starkregen. Der Sturm bricht den Baumstamm ab oder reißt den Baum samt Wurzelteller aus dem Boden. Es gibt dann zwei Möglichkeiten:

  1. Der Baum fällt zum Hang hin. Dann hätte er 100 m tief rutschen müssen – vorneweg entweder mit dem abgebrochenen Stamm oder dem aus der Erde herausgerissenen Wurzelteller. Im Schlepptau die Krone des Baums.
  2. Der Baum fällt zur Straße hin. Dann hätte er 70 m tief rutschen müssen – mit der Krone vorneweg und dem abgebrochenen Stamm im Schlepptau oder mit dem ganzen Stamm und Wurzelteller im Schlepptau.

Beide Möglichkeiten widersprechen den Gesetzen der Physik. Hinzu kommt, dass nicht alle Bäume gleichzeitig abbrechen. Die stehenden Bäume versperren den Weg der abgebrochenen Bäume. Letztere sind mit ihrer Krone alles andere als stromlinienförmig. Sie rollen auch nicht. Abbrechende und oder entwurzelte Bäume schlagen manchmal nicht einmal auf dem Boden auf, sondern verfangen sich mit ihrer Krone im Nachbarbaum und bleiben dann schief stehen.

Wären nur Bäume im Abstand von bis zu 30 m von der B482 gefällt worden – dieses Tagebuch wäre überflüssig gewesen. So überflüssig wie das Fällen der Bäume oben an der Klippe.

Kahlschlag im FFH-Gebiet – Tagebuch 14.11.2023

Dienstag, den 14.11.2023

Der Tagebucheintrag vom Sonntag, den 12.11, war unvollständig: diskutiert hatte ich den Biotoptyp mit der Abkürzung “Bt-3719-0051-2012” – also die detaillierte Beschreibung der unteren Hälfte des Hanges durch das LANUV. Es fehlt noch dessen obere Hälfte:

Natura 2000-Gebiete in Nordrhein-Westfalen – Landesamt für Natur-, Umwelt- und Verbraucherschutz NRW (LANUV NRW) Weiterlesen

Kahlschlag im FFH-Gebiet – Tagebuch 13.11.2023

Montag, den 13.11.2023

Kurz nach 9 Uhr rufe ich Jan Blomenkamp an, den Sachgebietsleiter des Baubetriebshofs von Porta Westfalica. Im Gegensatz zu vielen anderen Sachgebietsleitern geht er sofort ans Telefon und hat auch Zeit für mich. Ja, von der Geschichte am Samstagvormittag hat er schon gehört. Sie waren das also. Soso. Mmh.

Nein, da kann ich Ihnen leider nicht weiterhelfen. Weiterlesen

Kahlschlag im FFH-Gebiet – Tagebuch 12.11.2023

Sonntag, den 12.11.2023

Sonntagmorgen um 10 Uhr fahre ich wieder zur B482. Diesmal parke ich auf dem großen Parkplatz am Bahnhof. Niemand ist zu sehen: kein Arbeiter vom Bauhof, keine Waldarbeiter und auch keine Absperrungen. Nichts. Dabei sollte doch heute folgendes passieren:

“An diesem Wochenende werden die schweren Holzstämme aus dem Hang gezogen und an die dafür vorgesehenen Stellen verräumt.”

So hatte es das Mindener Tageblatt bzw. “die Stadt Porta Westfalica” bzw. “die Verwaltung” noch am 10.11. angekündigt.1Großflächiger Pilzbefall: Mehr Bäume als geplant an der B482 in Porta gefällt.

Und so bleiben “die schweren Holzstämme” auf dem Hang liegen. Von ihnen geht offensichtlich keine Gefahr aus. Sie rutschen nicht den Hang hinunter. Gefährlich sind Bäume offenbar immer nur dann aus, wenn sie stehen. Liegen sie dagegen am Boden, ist alles gut. Weiterlesen

Kahlschlag im FFH-Gebiet – Tagebuch 10.11.2023

Freitag, den 10.11.2023

Um 13 Uhr rufe ich Herrn Schockemöhle an. Nein, der sei nicht im Hause. Der Termin dauere länger. Um was gehe es denn? Ich klage ihr mein Leid und sie hört mir zu: offenbar sei eine Verkehrssicherung völlig aus dem Ruder gelaufen. FFH-Gebiet! Kahlschlag! Die Bäume seien gesund. Da stimme etwas nicht! Sie notiert sich meine Nummer. Herr Schockemöhle rufe zurück. Er ruft nicht zurück. In meinem Hinterkopf höre ich eine böse Stimme: Natürlich ruft er nicht zurück! Was hast du Idiot denn erwartet?

Ich lese mir noch einmal den Zeitungsartikel durch: Die machen morgen weiter! Und da steht “wie die Stadtverwaltung mitteilt”. Also suche ich die Nummer des Umweltamts in Porta Westfalica heraus. Aber natürlich ist niemand mehr zu erreichen. Erst jetzt fällt mir auf: Wieso ist überhaupt die Stadtverwaltung zuständig? Es ist doch gar kein Stadtwald! Warum hat Schockemöhle nicht zurückgerufen? Gut, es ist Freitag-Nachmittag, aber es geht um ein FFH-Gebiet und um einen Kahlschlag. Da sollte man doch wenigstens kurz mal durchklingeln! Ich werde misstrauisch. Was, wenn er sich zweimal hat verleugnen lassen?

Abends rufe ich noch einmal die Webseite des Mindener Tageblatts auf. Vielleicht habe ich etwas überlesen. Vielleicht gibt es irgendwo noch einen klitzekleinen Hinweis!  Und da entdecke ich – hinter der Paywall – einen ganz neuen Artikel von heute. Ich bezahle 1,90 € für ein Probe-Abo und lese den ganzen Artikel – es ist ein Alptraum: Großflächiger Pilzbefall: Mehr Bäume als geplant an der B482 in Porta gefällt.

Kahlschlag im FFH-Gebiet – Tagebuch 9.11.2023

Donnerstag, den 9.11.2023

Am Vormittag fahre ich trotz Regenwetter zum Parkplatz am leer stehenden ehemaligen “Hotel Porta Westfalica”. Von dort gehe ich zur Kirche und dann wage ich mich über den Wanderweg Falkenschlenke Richtung Portakanzel. Er ist mit X 11 markiert und zusätzlich ist es der Beginn des Weserberglandwegs. Jedes Mal ärgere ich mich, wenn ich diesen unsäglichen Weg gehe. Heute ist es besonders gefährlich: es ist nass, es ist rutschig, das Geröll ist locker und die mit Holz notdürftig befestigten Stufen sind glitschig. Bei starkem Regen wird aus dem Weg ein kleiner Bach, die Stufen sind unterspült und viele viel zu hoch. Um das Maß voll zu machen, haben Wildschweine Teile des Wegs aufgebuddelt. Und das Geländer am Weg ist sowieso seit Jahren an vielen Stellen kaputt. Ich bin wütend und fluche: wenn ich Angst habe, dann nicht von einem verpilzten Baum erschlagen zu werden, sondern auf dem steilen Weg auszurutschen. Am Pionierweg angekommen gehe ich ein Stück links und bin mitten im Kahlschlag.

Auch hier ist der Weg sehr rutschig und ich halte mich weit vom Abhang entfernt. Weiterlesen

Kahlschlag im FFH-Gebiet – Tagebuch 7. und 8.11.2023

Dienstag, den 7.11.2023

Das Wetter ist furchtbar. Der Himmel grau. Immer wieder regnet es. Kein Wetter, um zu fotografieren. Ich bleibe zu Hause.

Mittwoch, den 8.11.2023

Wieder kein Fotowetter. Mir fällt ein, ich könnte doch einmal googlen, ob im Internet irgendetwas über den Kahlschlag steht. Ich suche lange, probiere immer neue Wortkombinationen bei der Suche. Endlich finde ich etwas: Baumfällarbeiten: B 482 in Porta am Wochenende voll gesperrt.1Der Originalartikel stammt vom 3.11.2023, siehe Wayback Machine Ich überfliege den kurzen Artikel: “mehrere Bäume … durch Pilzbefall abgestorben”. Offenbar geht es also um Verkehrssicherung. Ich versuche, ruhig und distanziert zu bleiben: Rege dich nicht auf! Wenn die Bäume abgestorben sind und wenn sie auf die B482 zu fallen drohten, dann musste man sie fällen. Die Ungereimtheiten im Artikel fallen mir am Mittwoch noch gar nicht auf.

Kahlschlag im FFH-Gebiet – Tagebuch einer Verkehrssicherung

Montag, den 6.11.2023

Bei der Rückfahrt vom Reha-Training in Barkhausen fahre ich über die Weserbrücke. An der großen Kreuzung Portastraße – B482 steht die Ampel auf Rot und ich schaue gelangweilt Richtung Bahnhof. Und da sehe ich den großen Kahlschlag direkt gegenüber dem Bahnhof. Den ganzen Hang unterhalb der Portakanzel haben sie abgehackt.

Zu Hause spreche ich kurz mit meiner Frau darüber. Sie weiß das schon. Sie fährt häufiger dort lang und am Wochenende war die B482 gesperrt. Ich nehme mir vor, das Ganze einmal in den nächsten Tagen zu fotografieren. Ich versuche, mich zu beruhigen: Es wird einen vernünftigen Grund geben. Es muss einen vernünftigen Grund geben.

Video “Der Wolfsschluchtweg bei Porta Westfalica”

Ich selbst gehe den Wolfsschluchtweg bei Porta Westfalica nicht mehr. Zum einen ist  es verboten. Zum anderen ist der Weg voller umgestürzter Bäume, die quer über dem Weg liegen. Und da kommt man mit einem frisch operierten künstlichen Knie- und Hüftgelenk nicht so gut drüber. Aber kürzlich lag ein USB-Stick mit Videos in meinem Briefkasten. Absender unbekannt. Vielleicht von einer Mitarbeiterin von Wald-und-Holz. Oder einer Mitarbeiterin des Umweltamts in Minden.

Wie der Wolfsschluchtweg heute aussehen würde, wenn sich die Gegner der Sperrung wie z. B. die Redakteure des Mindener Tageblatts oder Stadtheimatpfleger Herbert Wiese durchgesetzt hätten, kann man seit Oktober 2023 direkt gegenüber am Jakobsberg auf der anderen Seite der Weser sehen. Weiterlesen