Das sonderbare Interview mit Forstminister Josef Miller

Einleitung

In der Nummer 4 der Zeitschrift “Unser Wilder Wald” vom Dezember 1998 erscheint ein zwei DIN-A4-Seiten langes Interview mit dem neuen Forstminister Josef Miller. ((Ein Nationalpark braucht die Akzeptanz der Bevölkerung – Interview mit Bayerns neuem Forstminister Josef Miller, in: Unser Wilder Wald Nr. 4, S. 3-4)) In einem Brief aus dem Frühjahr 1999 schreibt Hans Bibelriether, seit einem Jahr pensionierter Leiter des Nationalparks, über dieses Interview:

“Ich weiß aus zuverlässiger Quelle, daß ((alte Rechtschreibung im Original)) nicht nur von Seiten der Nationalparkverwaltung die Fragestellung vorbereitet wurde, auch wenn diese natürlich in erster Linie die Diktion von Hannes Burger ist, sondern vor allem die Antworten von Herrn Miller praktisch wörtlich von der Nationalparkverwaltung formuliert wurden. ” ((Der Brief wurde mir freundlicherweise von Hans Bibelriether zur Verfügung gestellt.))

Auf den ersten Blick ist das eine ungeheuerliche Behauptung. Es klingt nach Verschwörungstheorie. Aber es gibt in der Tat starke Indizien dafür, dass die Verwaltung dem neuen Minister buchstäblich vorgeschrieben hat, was dieser sagen soll.

Ich gliedere meine Ausführungen in folgende Abschnitte:

  1. Lobbyist für die Nationalparkverwaltung: Redaktionsleiter Hannes Burger
  2. Indizien für von der Verwaltung vorbereitete Fragen
  3. Indizien für von der Verwaltung geschriebene Antworten
  4. Schluss

Lobbyist für die Nationalparkverwaltung: Hannes Burger

Die kostenlose Zeitung “Unser Wilder Wald” gibt es seit August 1997. Sie erscheint zweimal im Jahr und ist das offizielle “Informationsblatt für den Nationalpark Bayerischer Wald”. Verleger ist das Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.

Das Interview mit Minister Miller erscheint im Dezember 1998 im Heft Nr. 4 der Zeitung. Laut Impressum ((Unser Wilder Wald Nr. 4, S. 2)) ist Hannes Burger sowohl ehrenamtlicher Herausgeber als auch Leiter der Redaktion. Er war dies auch für die ersten drei Hefte. Interessanterweise ändert sich das ab Heft Nr. 5: Burger wird im Impressum nicht mehr als Herausgeber genannt und auch im Redaktionsteam fehlt fortan sein Name. ((Unser Wilder Wald Nr. 5, S. 3)) Im Leitartikel erklärt er selbst seinen Rücktritt damit, dass “der eigentliche Dialog zur gemeinsamen Problemlösung wieder in Gang gekommen ist: zwischen dem neuen, auf für die Sorgen der Region offenen Leiter des Nationalparks, Karl Friedrich Sinner, … und der Bayerwald-Bevölkerung”. ((ebd., S. 2)) Vielleicht hängt Burgers Rücktritt aber auch mit dem Verdacht zusammen, dass er das Interview mit Minister Miller getürkt hat. Auffällig ist, dass auch die Auflage der Zeitung ab dem fünften Heft von 125.000 auf 60.000 mehr als halbiert wurde. Das erste Heft erschien sogar noch mit 175.000 Exemplaren. ((Unser Wilder Wald Nr. 1, S. 14))

Burger hat sich immer vorbehaltlos mit dem neuen Nationalparkleiter Karl Friedrich Sinner identifiziert: In Heft Nr. 4 empört er sich in seinem Leitartikel über “ungerechte und polemische Angriffe gegen den neuen Kurs der Nationalparkleitung”. ((Hannes Burger, Angriffe von zwei Seiten deuten auf goldene Mitte, Unser Wilder Wald Nr. 4, S. 2)) Mit “Angriffen” meint er den Fernsehbeitrag von Horst Stern “Bemerkungen über einen sterbenden Wald”, den Artikel “Im Bayerischen Wald singen die Sägen” von Uta Henschel in der Zeitschrift GEO und den Artikel “Hammer des Monats” von Manfred Kriener in der Zeitschrift natur. Burger nennt die Kritiker nicht mit Namen. Sie werden pauschal als “Ideologen aus weiter Entfernung” denunziert, während er selbst sich offenbar für einen “gut informierten Einheimischen” hält. Die Kritik von Umweltschützern wirft Burger in einen Topf mit der Kritik der Nationalparkgegner: Beides ist “das Gezeter von Ignoranten aus zwei extremen Ecken”. Im Heft Nr. 5 geißelt er “die besserwisserische Rechthaberei … in einigen sogenannten Natur-Zeitschriften wegen falscher Informationen oder einer von persönlich interessierten Kreisen aufgeheizten Polemik”. ((Unser Wilder Wald Nr. 5, S. 2)) Der Einleitungstext des Interviews präzisiert: “Diese Angriffe waren von interessierter Seite vor Ort in diversen Natur-Zeitschriften verbreitet worden”. ((Unser Wilder Wald Nr. 4, S. 3)) Mit “vor Ort” kann eigentlich nur Eva Pongratz, Chefredakteurin der Zeitschrift “Nationalpark”,  oder Hans Bibelriether selbst gemeint sein. ((siehe Die Reaktion von Karl Friedrich Sinner auf die Verleihung des “Hammers des Monats” der Zeitschrift “natur”))

Karl Friedrich Sinner würde zwar nie öffentlich von “Gezeter” und “Ignoranten” reden. Aber die Sichtweisen sind dieselben: Auch für Sinner ist mit seinem Amtsantritt ein goldenes Zeitalter des “ehrlichen Dialogs” ((ebd.)) mit der Bevölkerung angebrochen. Auch für ihn kommt die Kritik am Nationalpark immer von außen, die auswärtigen Kritiker sind grundsätzlich falsch informiert und dahinter stecken immer einzelne Personen mit zweifelhaftem Charakter. ((ebd.))

In seinem Buch “Gekaufte Journalisten” stellt Udo Ulfkotte jedem Kapitel die folgenden Sätze voran:

“Alle in diesem Buch namentlich genannten Personen bestreiten eine klebrig-filzige Nähe zu Eliteorganisationen. Sie bestreiten zudem, Lobbyisten zu sein. Sie bestreiten auch, sich durch die Nähe zur Elite “korrumpieren” zu lassen. Und sie bestreiten, als Journalisten mit Nähe zu vorgenannten Gruppen die journalistische “Beißhemmung” verloren zu haben. Sie bestreiten, dass sich die dargelegte Nähe auf ihre Berichterstattung auswirkt.”  ((Udo Ulfkotte, Gekaufte Journalisten, Rottenburg 22014, S. 31. Ulfkotte ist am 5. Januar 2015  auf der Pegida-Demonstration in Dresden aufgetreten. Davon distanziere ich mich ausdrücklich. Siehe: Die Trotzigen von Dresden, Spiegel-Online vom 5. Januar 2015))

Hannes Burger war sicherlich kein gekaufter Journalist. Er handelte aus Überzeugung. Es ist möglich, dass Burger seine Nähe zur Nationalparkverwaltung und zum Forstministerium nicht abstreiten würde, lediglich dass sie “klebrig-filzig” ist. Ich glaube, Burger fühlte sich geschmeichelt, als Minister Bocklet ihn 1997 bat, die Redaktionsleitung der Zeitung zu übernehmen. ((siehe Unser Wilder Wald Nr. 5, S. 2)) Er genoss wahrscheinlich die Nähe zur Macht. Vermutlich würde er sich sogar zum Lobbyismus für Sinner und Miller bekennen. Weit von sich weisen würde er aber sicherlich den Vorwurf der Korruption und des Verlusts der Beißhemmung. Inwieweit die Vorwürfe zutreffen, möge der Leser entscheiden.

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