Schirmschlag in Buchenwäldern

Die Seite ist gegliedert in folgende Abschnitte:

Einleitung

Das Verfahren des Schirmschlags gilt heutzutage unter Förstern als “moderne”, “ökologisch nachhaltige” und “naturnahe” Form des Holzeinschlags. Es ist quasi praktizierter Naturschutz. Beredtes Zeugnis davon legt eine Informationstafel über den Schirmschlag im Hiesfelder Wald ab. Sie wurde dort 2006 aufgestellt, als im Hiesfelder Wald ein Naturrundweg eingerichtet wurde. Verantwortlich für den Inhalt des Schilds ist die Biologische Station Westliches Ruhrgebiet.

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Ich möchte den Text der Tafel Schritt für Schritt durchgehen und kritisch analysieren. Als Literatur habe ich benutzt:

  • Peter Wohlleben, Wald ohne Hüter, Sankt Augustin 2010, S. 88 ff.
  • Wilhelm Bode u. Martin von Hohnhorst, Waldwende – Vom Försterwald zum Naturwald, München 42000, S. 68 ff.

Die fett gedruckten Hervorhebungen im Originaltext der Informationstafel sind von mir.

 

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Geschichte des Schirmschlags

Der Schirmschlag geht zurück auf den Forstwissenschaftler Georg Ludwig Hartig und sein im Jahr 1808 veröffentlichtes Standardwerk “Lehrbuch für Förster” (Google eBooks Band 1, Band 2).

Fichte und Kiefer werden im Kahlschlagverfahren geerntet:

Kahl_Schirmschlag

 

Da die Buche aber frostempfindlich ist, kann Buchenholz so nicht geerntet werden. Deswegen kam Hartig auf die Idee, die jungen Buchen geschützt unter dem Schirm von Altbuchen aufwachsen zu lassen.

Mitte des 19. Jahrhunderts setzte sich der Hartigsche Schirmschlag “in allen deutschen Mittelgebirgen durch und wurde in späteren Zeiten nur unwesentlich verändert.” Unsere heutigen alten Buchenwälder stammen größtenteils aus dieser Zeit. (Bode, S. 68 f.) “Der Großschirmschlag Hartigscher Prägung gilt .. noch heute in forstliche Fachkreisen als ideale Symbiose von Holzproduktion und Naturverträglichkeit – verhindert er doch das hässliche Bild des Kahlschlags.” (Bode, S. 69)

 

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Zusammenbruch alter Buchenwälder

“Inzwischen haben viele Bäume mit über 170 Jahren ein Alter erreicht, in dem viele instabil werden. Um das Zusammenbrechen ganzer Waldstücke entlang der Wanderwege zu verhindern, setzt die Forstverwaltung auf die Naturverjüngung.”

Es ist falsch, dass Buchen mit 170 Jahren “instabil” werden: Buchen werden in von Menschen unberührten Urwäldern bis zu 400 Jahre alt. In Deutschland werden Buchen ab einem Alter von 160 Jahren gefällt, weil sich dann ihr Holz innen rot zu färben beginnt – daher der Name “Rotbuche“. Rot gefärbtes Holz erzielt aber einen niedrigeren Verkaufspreis. Es ist also falsch, dass “ganze Waldstücke” zusammenbrechen würden. Ein “Zusammenbrechen” geschieht in Buchenurwäldern immer nur kleinflächig, wenn einzelne alte und kranke Buchen von Stürmen umgeworfen werden. Das Forstamt setzt nicht auf eine “Naturverjüngung”, sondern verwaltet eine künstliche Verjüngung.

 

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Bodenbearbeitung

 “… wurde die für Baumkeimlinge undurchdringliche oberste Bodenschicht abgeschoben und die Fläche gepflügt und gekalkt. Die … Bucheckern wurden in den Boden eingefräst.”

Die Fachsprache der Förster ist verräterisch: Da wird “abgeschoben”, “gepflügt” und “eingefräst”. Das klingt alles andere als “naturnah”. Selbst der Laie wird sich wundern, warum Keimlinge die oberste Bodenschicht nicht mehr durchdringen können? Durch die Bearbeitung des Waldbodens mit tonnenschweren Maschinen wird der Waldboden verdichtet: Poren und Kanäle, die für den lebensnotwendigen Gasaustausch sorgen, werden wie bei einem Schwamm zusammengedrückt und irreversibel geschädigt. In tieferen Bodenschichten herrscht dann Sauerstoffmangel: Würmer, Insekten, Pilze und Bakterien sterben ab. Ein verdichteter Boden speichert weniger Wasser. Die Wurzeln können den verdichteten Boden nicht mehr durchdringen. Nicht umsonst verbietet FSC-Deutschland eine Bearbeitung des Bodens.

 

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Wildverbiss

“Der Bau eines Gatters sollte vor Wildverbiss schützen.”

Die Rehwilddichte im Hiesfelder Wald ist mit mindestens 16 Rehen pro 100 ha mehr als 10 mal so hoch wie in Buchenurwäldern. Die Rehe fressen die jungen Knospen der Buchenkeimlinge und verhindern so die Verjüngung. Eine radikale Verringerung des Rehwildbestands ist wegen der massiven Lobbyarbeit der Jäger nicht durchsetzbar: Ein Hauptsponsor des Naturrundwegs war bezeichnenderweise die Kreisjägerschaft Oberhausen. Wildzäune sind sündhaft teuer: 10 € pro Meter (Johannes Kaiser, Der deutsche Wald. Ein Zustandsbericht, Deutschlandradio Kultur, Manuskript der Sendung vom 11. Juli 2013). Die Einzäunung von 1,9 ha würde also heute rund 6.000 € kosten.

 

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Verjüngungshieb

“1987 wurden so viele Altbäume entnommen, dass  genügend Licht für die Keimlinge auf den vorher stark beschatteten Boden fällt.”

In Hochglanzbroschüren der Forstwirtschaft wird gerne davon geredet, dass die Altbäume “in kleinen Gruppen” oder gar “einzelstammweise” “entnommen” werden. Tatsächlich werden bei diesem “Verjüngungshieb” – im besten Fall über mehrere Jahre verteilt – die Hälfte aller Altbäume gefällt. Für die restlichen Bäume ist dies ein Schock: Ihre Krone stirbt schrittweise ab. Die folgenden 2 Bilder wurden am selben Standort im Abstand von nur zwei Jahren von Karl-Friedrich Weber gemacht:

Schirmschlag_1

Schirmschlag_2

Buchenkeimlinge sind nun dem prallen Sonnenlicht ausgesetzt und wachsen schief und krumm und viel zu schnell. Ihr Holz ist bruch- und pilzanfällig. Peter Wohlleben spricht von einem Buchenwaisenheim: Den jungen Buchen fehlt die Erziehung und der Schutz durch die Altbäume.

 

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Lichtmangel

“Die restlichen Buchen bleiben erhalten, sofern nicht Lichtmangel einzelne Fällungen erfordert. Sie stehen mit ihren zahlreichen Höhlen den Tieren und Pflanzen zur Verfügung. Dort, wo keine Waldbesucher gefährdet sind, dürfen sie auch in sich zusammenbrechen.”

Es ist nicht Lichtmangel, der Fällungen erfordert. Die Buche ist ein Schattenbaum – sie wächst hervorragend im Schatten. Hingegen schädigt nach großflächigen Fällungen das pralle Sonnenlicht die Rinde und die Blätter, die an Schatten angepasst sind. Die Rinde platzt ab, die Blätter vergilben und sterben ab. Die “Gefährdung von Waldbesuchern” ist ein beliebter Vorwand – ein anderer ist die “Verkehrssicherheit” – , um auch noch die letzten verbliebenen Altbuchen zu fällen. In deutschen Wäldern findet man praktisch keine Buchen über 200 Jahre mehr. Die beim ersten Verjüngungshieb verschonten Altbäume werden innerhalb der nächsten 10-20 Jahre gefällt. Alte Bäume mit Höhlen – sog. Biotopbäume – sind im Hiesfelder Wald viel zu selten: Der FSC-Deutschland schreibt 10 Biotopbäume pro ha vor. Davon ist dieser Wald weit entfernt.

Schirmschlag

Das obige Bild veranschaulicht die einzelnen Phasen des Schirmschlags. Am Ende steht ein steriler Holzacker eng aneinander stehender, junger Buchen, die alle dasselbe Alter haben – ein naturferner Altersklassenwald.

Auf der folgenden Seite finden Sie Fotos vom Hiesfelder Buchenwald.

 

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