Einleitung
Am 25.2.2014 hat mir Jörg Wipf, Leiter des Forstamts RVR Ruhr Grün, einen Brief geschrieben. Darin antwortet er auf meine Fragen zum Fällen von Altbuchen im FFH-Gebiet Köllnischer Wald. Wipf gibt aufschlussreiche Einblicke in die Denkweise von Förstern.
Ich gliedere meine Ausführungen in folgende Abschnitte:
Alle Fotos auf dieser Seite wurden Anfang April 2014 im Köllnischen Wald gemacht.
3 m hoher Brennholz-Polter neben Rückegasse
Inhalt des Briefs
Die entscheidende Passage des Briefs, den Sie vollständig sich hier anschauen können, lautet wie folgt (Hervorhebungen von mir):
“Maßnahmenkonzept „Natura 2000 Gebiet Köllnischer Wald”
hier SOMAKO
Das Maßnahmenkonzept für den Köllnischen Wald sieht die Entnahme der standortfremden Baumart Pappel vor. Alle drei Jahre wird auf einer Fläche von ca. 2500 m2 die Pappel eingeschlagen und anschließend mit Buche aufgeforstet. Die Arbeitsanleitung aus der VO für Natura 2000 Gebiete beschreibt ausdrücklich die künstliche Wideraufforstung (sic!) mit lebensraumtypischen Gehölzen. Ziel ist hier die Entwicklung des Lebensraumtyps Hainsimsen-Buchenwald. Um dem Ziel nachzukommen, alle Altersphasen im Lebensraumtyp mittelfristig zu erhalten, ist die künstliche Gestaltung vorgesehen. Verjüngungsbereiche aus künstlicher Anpflanzung sowie natürlicher Verjüngung sollen gefördert und angelegt werden. Ziel ist die Entwicklung einer altersgestuften Verjüngung inmitten von Altholzinseln, die in den Baumzerfall übergehen und die Erzielung eines stufigen Waldbestandes.”
Analyse des Briefes
“Wir machen das nicht wegen des Geldes!”
Merke: Die moderne Forstwirtschaft fällt Bäume nie um des schnöden Mammons willen. Im gesamten Absatz ist nicht ein einziges Mal von Geld die Rede. Auch nicht von Holzernte. Der moderne Förster ist kein Holzknecht, sondern zuallererst Naturschützer.
Schirmschlag im Buchenaltbestand
“Wir führen nur Befehle aus!”
Förster sagen selten “Ich”. Sie sagen nicht: “Ich fälle die Pappeln.” Sondern: “Das Maßnahmenkonzept sieht vor …” oder “Die Arbeitsanleitung aus der VO beschreibt …”. Es sind abstrakte Vorschriften, die vom Himmel gefallen sind und den Förstern vorschreiben, was sie zu tun haben. Förster stellen sich als Vollzugsbeamte dar. Gerne berufen sie sich auch auf Entscheidungsgremien und Behörden, die ihr Vorgehen abgesegnet haben.
“Wir setzen dem Wald Ziele!”
Förster wie Jörg Wipf haben für den Köllnischen Wald klar umrissene Ziele. Wipf will:
- einen Hainsimsen-Buchenwald mit allen Altersphasen,
- Altholzinseln mit Alters- und Zerfallsphase,
- eine altersgestufte Verjüngung,
- einen stufigen Wald.
Wipf diktiert der Natur seine Ziele. Gleich dreimal benutzt Wipf das Wort “Ziel”, einmal das Wort “Erzielung”. Denn Wipf weiß es besser als die Natur. Natur hat in seinen Augen die falschen Ziele. Er und seine Kollegen haben fixe Ideen im Kopf und nach diesen modeln sie die Welt. Diese Zwangsvorstellungen nennen sie “Arbeitsanleitungen” oder “Maßnahmenkonzept”.
Erlen-Stangenholz
“Wir entwickeln den Wald!”
Wipf ist Prototyp eines Försters, der sich als Entwicklungshelfer im Wald versteht. Er “entwickelt”, “fördert”, “legt an”, “gestaltet” und konzipiert “Maßnahmen”. Nicht umsonst ist er “Leitender Verbandsforstdirektor”, ein Ehrfurcht gebietender Titel. Das wird man in NRW nicht, wenn man Anhänger des Lübecker Modells ist. Dessen Prinzip des minimalen Eingriffs ist Förstern ein Gräuel. Sie greifen am liebsten maximal ein: Kahlschlag und Wiederaufforstung.
Kahlschlag im Pappelwald
“Wir schaffen künstlich Natur!”
Es fällt Wipf nicht auf, dass er gleich dreimal das Wort “künstlich” in einem Absatz benutzt. Aber Künstlichkeit und Natur sind für moderne Förster keine Gegensätze: Wipf ist fest davon überzeugt, künstlich Natur schaffen zu können.
Im Grunde seines Herzens ist Wipf Gärtner: In einer Ecke seines Gartens läßt er ein halbes Dutzend alter Buchen stehen, die fortan eine “Altholzinsel” bilden. In einer anderen Ecke pflanzt er ordentlich in Reih und Glied junge Buchensetzlinge aus der Baumschule an. Und in der nächsten Ecke fällt er Pappeln, die sein Vorgänger vor 35 Jahren aufgrund eines dummen Missgeschicks gepflanzt hat und die nicht in Wipfs “lebensraumtypischen” Garten passen. Pappeln sind Unkraut. Vielleicht läßt er sogar einen morschen Pappelstamm als Totholz liegen, weil es so hübsch “naturnah” aussieht. Es fehlen nur die Stiefmütterchen an den Wegrändern. Und die Gartenzwerge.
Kritik des Briefs
Dass die ganzen “Maßnahmen” und “Anleitungen” irgendwie nicht so richtig funktionieren, spielt keine Rolle. Wenn der Wald nicht zielgerecht wächst, umso schlimmer für den Wald.
Wo z. B. die “Stufen” herkommen sollen, bleibt Wipfs Geheimnis. Denn es gibt stets nur 2 Baumschichten: den Altbestand und die künstliche Verjüngung. Und da der Altbestand bis auf wenige Überhälter gefällt wird, bleibt am Ende doch nur wieder der einschichtige Altersklassenwald. Wenn im Abstand mehrerer Jahre gepflanzt wurde, freut sich Wipf wahrscheinlich über eine gelungene “altersgestufte Verjüngung”.
Altersklassenwald aus Buchen mit einem BHD von 40 cm
Im Wald breiten sich überall die Störungsanzeiger Adlerfarn und Brombeere aus. Diese sind zwar nicht für den Lebensraum “Buchenwälder” typisch, wohl aber für den Lebensraum “Holzacker“. Im Frühjahr blühen Buschwindröschen, Scharbockskraut und Sauerklee nur auf den winzigen Restflächen, wo Förster in den letzten Jahrzehnten nicht eingegriffen haben.
von Förstern noch nicht ruinierte Restfläche
Die Naturverjüngung wird von Rehen gefressen. Wie kaputt muss ein Buchenwald eigentlich sein, dass er künstlich aufgeforstet werden muss?
künstliche Wiederaufforstung von Kahlschlägen mit Buchen
Alters– und Zerfallsphasen gibt es in Wirtschaftswäldern wie dem Köllnischen Wald nicht. Eine “Altholzinsel” ist deren Karikatur: Von ursprünglich 50 Altbäumen und mehr pro ha bleiben am Ende 5 “Habitatbäume” von der Motorsäge verschont. Die Spechte werden außer sich sein vor Freude. Der Name “Insel” ist verräterisch: Die Altholzbäume sind umgeben von einem Meer junger dürrer Bäumchen. Alle dicken Bäume werden zu Papier, Paletten und Pellets verarbeitet.