Einleitung
Im Heft 21 der Zeitung AFZ – Der Wald hat Ulrich Mergner, Leiter des Forstbetriebs Ebrach, 2015 einen Artikel veröffentlicht mit dem Titel “Waldtrittsteine statt Großschutzgebiete”. Viele darin gemachte Behauptungen halten einem Faktencheck nicht stand. Im vierten Teil meiner Artikelserie überprüfe ich Mergners Zahlen zu den Flächen, auf denen im Forstbetrieb Ebrach keine Holznutzung mehr stattfindet.
Schummeln mit Biotopbäumen
Mergner stellt fest:
“In dem 17.000 ha großen Staatswald wurden über 200 solcher Kleinflächen [= Trittsteine] ausgewiesen und dauerhaft aus der Nutzung genommen. Ihre Flächen schwanken zwischen 0,3 und 20 h a und haben eine Gesamtfläche von 700 ha. […] Zusammen mit den Naturwaldreservaten und den ideellen Flächenanteilen der Biotopbäume ergeben sich über 10 % der Waldfläche, die der Natur überlassen sind.” ((Waldtrittsteine, S. 19 f., Hervorhebungen von mir))
Richtig ist:
Die Biotopbäume hinzuzurechnen ist nicht gestattet. Es geht um reale Stilllegung, nicht um ideelle. Es ist z. B. sehr gut möglich, dass eine Rückegasse am Biotopbaum vorbeiführt und der tonnenschwere Rückeschlepper direkt neben dem Biotopbaum vorbeibrettert. Natürlich ist es auch nicht ausgeschlossen, dass in direkter Nachbarschaft ein Baum gefällt wird und das Entasten und Zersägen unter dem Biotopbaum stattfindet oder der Schaft mitten durch den “ideellen Flächenanteil” des Biotopbaums gerückt wird. Als nächstes rechnet Mergner womöglich auch noch die Flächen um liegendes Totholz, um Baumstümpfe oder gar den Baumwipfelpfad dazu. Man stelle sich einmal einen Ruheforst vor, der nicht aus einem stillgelegten Wald, sondern aus 10 Ruhebäumen pro ha bestünde, unter deren “ideellen Flächenanteilen” Bestattungen stattfinden würden. Um die Ruhebäume herum aber würden weiter munter Bäume gefällt! Ruhe würde man in einem solchen Wirtschaftswald nicht finden.
Nicht nur der FSC-Deutschland erlaubt so einen Etikettenschwindel nicht. ((zu Biotopbäumen siehe Deutscher FSC-Standard S. 16, Indikator 6.3.13 )) Es gilt eine Mindestgröße von 0,3 ha. So sehen es die Teilnehmer am NWE5-Projekt. ((siehe Steffen Wildmann, Falko Engel, Peter Meyer, Hermann Spellmann, Juliane Schultze, Stefanie Gärtner, Albert Reif und Jürgen Bauhus, Definition und Flächen – Wälder mit natürlicher Entwicklung in Deutschland, AFZ – Der Wald, 2/2014, S. 29)) Auf dieses Kriterium haben sich Vertreter des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU), des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV), der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft für Naturschutz, Landschaftspflege und Erholung (LANA) und der Forstchefkonferenz (FCK) geeinigt. Die Festlegung auf 0,3 ha erfolgt außerdem im Einklang mit der Ministerkonferenz zum Schutz der Wälder in Europa (MCPFE) und der Weltnaturschutzunion (IUCN). ((ebd.))
Die Naturwaldreservate des Forstbetriebs Ebrach haben eine Fläche von 430 ha. ((Naturschutzkonzept für den Forstbetrieb Ebrach, S. 12)) Zusammen mit den Trittsteinen kommt man also nur auf 1.130 ha Stilllegungsflächen. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt Mergner übrigens in einem Vortrag, den er beim Buchenwaldseminar des BUND in Ebrach am 27. Juni 2015 gehalten hat: ((11 Seiten später entschließt er sich dann doch dazu, die Biotopbäume mit je 50 m2 in die Berechnung miteinzubeziehen.))
Das sind 6,6 %, nicht 11,5 %. Damit würde er zwar den alten FSC-Standard einhalten, der 5 % Stilllegungsflächen vorschreibt, ((siehe Deutscher FSC-Standard, S. 17, Indikator 6.4.1)) nicht aber den neuen, der 10 % für den Landeswald einfordert. ((siehe Informationen zu wichtigen Inhalten des 2. Standardentwurfs, Kapitel 4 “So soll der Landeswald 10 % seiner Fläche mit NWE-Funktion nachweisen […].” (NWE = natürliche Waldentwicklung = Stilllegungsfläche), siehe zu den Stilllegungsflächen auch die Zahlen bei Norbert Panek, Unterschiede nutzungsfreie Großschutzgebiete versus naturnahe Laub-Wirtschaftswälder, Korbach 2010, S. 17 f.))
Mergner kennt die Mindestanforderungen von 0,3 ha ganz genau. ((siehe Ulrich Mergner, Small is beautiful, AFZ – Der Wald, 3/2014, S. 7)) Ich bin mir auch sicher, er selbst würde am liebsten die doppelte Fläche von Trittsteinen ausweisen, um real 10 % der Flächen aus der Nutzung zu nehmen. Er darf es nicht. Und als Beamter ist er seinen Vorgesetzten zum Gehorsam verpflichtet.
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