Eine Selbstkritik mithilfe des Buches „Die Welt im Selfie“ von Marco d’Eramo
“Touristenbashing scheint der populärste Sport auf unserem Planeten zu sein.”
Marco d’Eramo
Einleitung
2017 schrieb ich eine Artikelserie zum Nationalpark Berchtesgaden. Ich schnaubte vor Wut:
“Im Oktober 2017 habe ich den Nationalpark Berchtesgaden zum ersten und zum letzten Mal besucht. Ich war schockiert und angeekelt. Der Nationalpark ist zu einem Rummelplatz verkommen. Ich rate von einem Besuch ab.”
Ich war in Rage: Der Urlaub sei “rundum verkorkst” gewesen, der Nationalpark werde “durch Massentourismus ruiniert”. Ich verdammte die “Massenabfertigung” und den “Zirkus am Königssee” und regte mich über die “Räuberhöhle St. Bartholomä” und die “Touristenautobahn am Obersee” auf. Alles sei “völlig überlaufen”, überall herrsche “hektischer Betrieb”. Mit Zorn und Verachtung strafte ich die “100 Chinesen”, die täglich die Dorfkirche in Ramsau fotografierten. Ich wähnte mich völlig im Recht und schrieb hitzige Protestbriefe.
Ein halbes Jahr später habe ich das Buch Die Welt im Selfie – Eine Besichtigung des touristischen Zeitalters von Marco d’Eramo gelesen. Selten habe ich mich so ertappt gefühlt. Selten hat mir ein Autor so auf den Schlips getreten. D’Eramo schrieb, als würde er mich und meinen Wutausbruch persönlich kennen. ((siehe auch meinen Artikel Urwald all inclusive – Vom widersprüchlichen Wunsch nach Urwald mit allem Komfort – eine Selbstkritik mithilfe des Buches “Die Welt im Selfie” von Marco d’Eramo)) Gleich im ersten Kapitel klärte er mich darüber auf, warum ich mich so sehr über den Massentourismus echauffierte.
Die Seite ist gegliedert in folgende Abschnitte:
- 150 Jahre Kritik am Massentourismus
- Klassenkampf und Aufholjagd
- Von der Bildungsreise für Adelige zum Urlaub der Massen
- Wohlfeiler Aristokratismus
- Touristenbashing als Volkssport
- Die Belanglosigkeit der Kritik am Tourismus
- Schluss
Hinweis
Marco d’Eramo war Student beim französischen Soziologen Pierre Bourdieu und das merkt man an fast jeder Stelle des Buches. Er benutzt wie selbstverständlich die speziellen Begriffe von Bourdieu (“symbolisches Kapital”, “soziales Kapital”, “kulturelles Kapital”, “sozialer Raum” usw.), ohne sie zu erklären. Für Leser, die Bourdieu nicht kennen, wird das Buch deshalb häufig fremd und unverständlich sein. Vielleicht werden sie verständnislos den Kopf schütteln. Vielleicht werden sie sich sogar ärgern.
Womöglich werden sich einige Leser auch über diesen Aufsatz von mir ärgern, denn er bezieht sich zwangsläufig ebenfalls immer wieder auf Bourdieu. Zu meiner Verteidigung sei gesagt, dass ich so oft wie möglich anschauliche Beispiele zur Erläuterung verwendet habe.
Glücklicherweise gibt es auf YouTube mehrere Videos über und z. T. sogar mit Bourdieu, der leider schon 2002 verstorben ist. Ganz besonders empfehle ich Pierre Bourdieu – Die feinen Unterschiede, eine hervorragende 45-minütige Dokumentation des Hessischen Rundfunks aus dem Jahr 1983. Die zwei 10-minütigen Videos Sozialraumtheorie Pierre Bourdieu und Pierre Bourdieu: Habitus-Konzept erklären die wesentliche Begriffe von Bourdieu in kurzer und übersichtlicher Form.
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