Kritische Analyse der Renaturierung

Einleitung

Bach

Zwischen dem Ziel der Renaturierung (siehe oben) und der Wirklichkeit (siehe unten) klafft ein garstig breiter Graben:

Brett_1

Ich gliedere meine Analyse in 5 Abschnitte:

  1. Projektpartner Lehr- und Versuchsforstamt Arnsberger Wald
  2. Zwei gegensätzliche Konzepte von Naturschutz
  3. Industriefreundlicher Naturschutz
  4. Verfichtung des Sauerlands
  5. Zweifel am Erfolg des Projekts

1. Projektpartner Lehr- und Versuchsforstamt Arnsberger Wald

Der Projektpartner, das Lehr- und Versuchsforstamt Arnsberger Wald, war als Projektpartner von vornherein ungeeignet:

Duldung überhöhter Sikawildbestände

Das Forstamt fiel 2011 bei der Prüfung durch das Ökolabel FSC-Deutschland unangenehm auf, weil die Sikawildbestände überhöht waren (Prüfbericht S. 12). Im Prüfbericht 2012 steht: “Ob die ergriffenen Maßnahmen genügen, um die oben beschriebene Situation zu verbessern, werden Verbiß- und Schälschadensaufnahmen in der Zukunft zeigen.” Nun – die ergriffenen Maßnahmen sind ungenügend. Wem die zahlreichen Fotos von Verbissschäden auf den bisherigen Seiten noch nicht als Beweis genügen, möchte ich hier Fotos von künstlich angepflanzten Buchen im Tal der Kleinen Schmalenau in der Nähe der Forststraße zeigen. Dort konnte ich selbst am helllichten Tag einen weiblichen Sikahirsch beobachten:


Der Arnsberger Wald gilt unter Fachleuten als “Sikawildpuff”. In einem solchen Wald läßt sich kein Erlenbruchwald renaturieren.

Bodenschädigende Holzbringung

Im Jahr 2012 war das Forstamt Arnsberg bei der Prüfung durch den FSC unangenehm aufgefallen, weil der von ihm beauftragte Lohnunternehmer Holz-Harth Bodengleise von 20-40 cm Tiefe verursacht und Bodenerosion eingesetzt hatte (Prüfbericht S. 16). Der Vorsitzende des Forstunternehmerverbands NRWs, Herr Ludwig Empt, hatte ein Beschwerdeverfahren beim FSC eingeleitet. Der Landesbetrieb Wald-und-Holz NRW, zu dem das Forstamt Arnsberg gehört, leidet nach den jahrelangen Personalabbau unter hoher Arbeitsbelastung: Die Reviergröße beträgt im Durchschnitt 1.500-2.000 ha (Prüfbericht S. 11). Eine effektive Kontrolle der Lohnunternehmer ist deswegen nicht möglich. Als Projektpartner für bodenschonende Einschläge auf empfindlichem Auenböden hätte das Forstamt Arnsberg von vornherein ausscheiden müssen.

Bodengleise

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2. Zwei gegensätzliche Konzepte von Umweltschutz

Am Beispiel des Projekts “Bachtäler im Arnsberger Wald” lassen sich zwei diametral entgegengesetze Konzepte von Umweltschutz veranschaulichen:

Umweltschutz mit maximalem Eingriff

Dieser Umweltschutz setzt am Reißbrett fest definierte Ziele – z. B. das Ziel “artenreiche, laubwalddominierte Auwälder”. Diese Ziele werden mit einem maximalen Einsatz an Geld, Personen und Maschinen in Angriff genommen. Der Zweck heiligt dabei die Mittel: Kahlschläge werden so zum Mittel des Renaturierung. Denn die Ziele müssen in kurzer Zeit erreicht werden.

Im Hintergrund steht die Vorstellung, die Natur könne sich nicht selber helfen, sodass der Mensch eingreifen müsse. Entweder weil die unregulierte Natur von sich aus chaotische und zerstörerische Kräfte freisetze (z. B. den Borkenkäfer). Oder weil die Natur vom Menschen so zerstört worden sei (z. B. durch Fichtenforste und Bachbegradigungen), dass sie sich nicht mehr selbst heilen könne. Und selbst wenn sie es könnte, dann würden solche Prozesse viel zu lange dauern und diese Zeit habe man nicht.

Umweltschutz ohne Eingriff

In Kernzonen von Nationalparks und in Naturwaldreservaten setzt man der Natur überhaupt keine Ziele: “Natur Natur sein lassen” ist das Motto. Nicht ein bestimmter Zustand wird geschützt, sondern der Weg, den die Natur ohne menschlichen Eingriff nimmt.

Dies wäre auch an der Kleinen und Großen Schmalenau möglich gewesen: Windwurf, Rotfäule, Hochwasser und Borkenkäfer hätten in den nächsten Jahrzehnten die Fichten absterben lassen. Zwischen den absterbenden Fichten hätten dann vielleicht Erlen, Weiden und Birken wachsen können. So etwas geschieht zur Zeit ganz ohne menschlichen Eingriff auf einer Windwurffläche an der Heve. Vielleicht wären aber bis dahin infolge der Klimaerwärmung die Bäche versiegt und auf den trockenen Böden wäre ein Eichenwald entstanden. Oder ein Buchenwald. Wer weiß? Dazu hätte man die Bachtäler zum Totalreservat erklären und forstwirtschaftliche Eingriffe verbieten müssen. Das hat der Wald-und-Holz-NRW im Verein mit der Sägeindustrie nicht erlaubt.

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3. Industriefreundlicher Umweltschutz

Es gibt Umweltschutzprojekte, die bereits in der frühen Planungsphase scheitern, weil die Industrie mit dem Abbau von Arbeitsplätzen droht. So scheiterte der Nationalpark Sauerland, der sein Zentrum im Arnsberger Wald haben sollte, im Jahr 2009 am heftigen Widerstand der Holz- und Sägeindustrie. Sie verhinderte 2012 auch den Nationalpark Teutoburger Wald.

Das Projekt der Bachrenaturierung jedoch stieß dagegen auf überhaupt keinen Widerstand. Und dies, obwohl das Projektgebiet mit 1.300 ha sehr groß ist (siehe Olaf Zimball u. a., Bachtäler im Arnsberger Wald, S. 8). Verständlich wird dies, weil das Projekt riesige Mengen an Sägeholz für die Säge- und Holzindustrie liefert. Außerdem sichern die umfangreichen Baumaßnahmen zahlreiche Arbeitsplätze bei Wald-und-Holz-NRW und bei Landschafts- und Tiefbauunternehmen. Zitat von Frank-Dietmar Richter, dem Leiter von Wald-und-Holz-NRW, aus seiner Begrüßungsrede zum Start des Projekts: “Dieser Gleichklang der Maßnahmen nutzt der Natur, den Menschen und letztendlich unserem Geldbeutel.”

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