Hauruck-Forstwirtschaft in Essen-Kettwig


Die Seite ist gegliedert in folgende Abschnitte:

Einleitung

Anfang April 2013 bin ich in einem Teil des Essener Stadtwalds in Essen-Kettwig auf eine sog. “Waldpflegemaßnahme” der Grün-und-Gruga-Essen gestoßen. Zu verantworten hat den Holzeinschlag Herr Wuttke, Leiter des Forstreviers Nord und Südwest. Das “durchforstete” Waldstück liegt zwischen der Graf-Zeppelin- und der Mendener Straße. Auf einem nur knapp 5 ha großen Waldstück wurden mindestens 135 alte Buchen und Eichen gefällt. Die Baumstümpfe habe ich mit einem GPS-Gerät kartiert und deren Durchmesser mit einem Zollstock ausgemessen. Auf der Karte sind die Baumstümpfe mit blauen Fähnchen markiert.

Kartierung_Einschlaege

 

Bilder der Verwüstung

 

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Schädigung des Waldbodens

Bei der “Waldpflegemaßnahme” wurde der Waldboden mit einer großen Rücksichtslosigkeit und Brutalität behandelt. In den Rückegassen entstanden in dem aufgeweichten und verschlammten Boden bis zu 40 cm tiefe Fahrspuren (Bodengleise). An einigen Stellen sah der Waldboden so aus, als habe dort ein Panzer manövriert:

Damit wurde gegen § 1 b des Nordrhein-Westfälischen Landesforstgesetzes (LFoG) verstoßen, wonach zu den Kennzeichen einer ordnungsgemäßen Forstwirtschaft u. a. gehört:

  • bedarfsgerechte Walderschließung unter größtmöglicher Schonung von Landschaft, Boden und Bestand;
  • pflegliches Vorgehen, insbesondere bei Verjüngungsmaßnahmen, Holznutzung und Holztransport;
  • Anwendung von bestands- und bodenschonenden Techniken;

Herr Wuttke äußerte sich in einem Telefonat am Freitag, den 12. April 2013, dahingehend, dass die Bodenschäden eine “unglückliche Begleiterscheinung” seien, die aber “vorkommen können”, da der eingesetzte Forstrückeschlepper “15-20 t schwer” sei.

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Fällungs- und Rückeschäden

Eine Forstwirtschaft ist auch dann nicht ordnungsgemäß, wenn beim Baumfällen und beim Transport der eingeschlagenen Bäume die noch verbliebenen Bäume geschädigt werden (Fällungs- und Rückeschäden). Ich habe 65 Schäden am Stangen- und Baumholz (Durchmesser in Brusthöhe > 15 cm) mit GPS kartiert: Die Schäden reichen von abgebrochenen Ästen über abgeknickte Leittriebe bis hin zu Verwundungen der Rinde am Stamm oder an der Baumbasis. Dabei sind Schäden am Jungwuchs und Jungbestand noch gar nicht mitgezählt.
Kartierung_Schaeden
Durch die Verletzungen dringen Pilze in das Bauminnere ein: Nicht nur, dass der Baum dadurch krank wird und am Ende abstirbt – auch das Holz des Baums wird so erheblich im Wert gemindert. Die Fotos offenbaren ein erschütterndes Maß an Dillentantismus der Forstarbeiter von Grün-Und-Gruga-Essen und einer mangelhaften Aufsicht durch den verantwortlichen Förster Wuttke:

Besonders bizarr mutet an, dass durch den Holzeinschlag auch Jungbestände von Bäumen geschädigt wurden, die vom Forstamt selbst mit viel Aufwand und Geld künstlich angepflanzt worden sind:

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Minderung der Erholungsfunktion

Menschen lieben intakte und naturnahe Wälder: Das beweisen nicht nur die vielen Besucher in den deutschen Nationalparks. In Umfragen stellt sich immer wieder heraus, dass die Menschen die Erholungsfunktion der stadtnahen Wälder viel mehr wertschätzen als die Funktion als Holzlieferant.
Goettingen
In Essen-Kettwig wurde ein schöner alter Buchenwald vorsätzlich und massiv geschädigt. Wie soll man sich erholen in einem Wald, der aussieht wie nach einem Panzerangriff?

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Falsches “Dauerwald”-Konzept

Auf meine Frage, welchen Sinn das Fällen von über 100 Altbuchen und -eichen habe, antwortete Herr Wuttke, die Waldfläche solle in eine “naturnahen plenterwaldähnlichen Dauerwald” umgewandelt werden. Das dahinterstehende forstwirtschaftliche Konzept lässt sich an einem Bild aus dem Essener Waldwirtschaftsplan 2013 veranschaulichen:

Plenterwald

Laut Plan werden dem Wald mit einem geschlossenen Kronendach einige Altbäume entnommen. In die entstandenen Lücken wachsen dann junge Bäume hinein und füllen diese wieder auf. Ein Plenterwald ist ein Wald, in dem Bäume sehr unterschiedlichen Alters auf engem Raum dicht nebeneinander wachsen.
Das Problem in Essen-Kettwig: Es gibt im Wald keine jungen Buchen oder Eichen, die nur darauf warten, in die entstandenen Lücken im Baumkronendach vorzustoßen. Die wenigen jungen Buchen, die es überhaupt gibt, sind krank, schwächlich und verkrüppelt. Diese Symptomatik wird sich in den nächsten Jahren verschärfen. Die jungen Buchen sind jetzt dem direkten Sonnenlicht ausgesetzt: Dies führt bei ihren an den Schatten angepassten Blättern und auch bei der Rinde zu Sonnenbrand. Außerdem wurden sie beim Fällen und Rücken geschädigt (s. o.) und leiden unter der Bodenverdichtung. Diese “Waldpflege” ist nicht nachhaltig: Die eingeschlagene Holzmenge von schätzungsweise 500 Fm Holz wird auch in Jahrzehnten nicht wieder nachgewachsen sein.

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Verkrautung und Wildverbiss

Eine natürliche Verjüngung durch Bucheckern oder Eicheln findet nicht statt. Der Waldboden ist dicht und geschlossen mit Brombeeren, Brennnesseln, Gräsern und Adlerfarn überwachsen (Verkrautung).

Dies ist ein deutliches Indiz für einen viel zu hohen Rehwildbestand: Die Rehe verbeißen im Frühjahr die Knospen der Buchenkeimlinge. Brombeeren sind durch ihre Stacheln, Brennnesseln durch ihre Brennnesseln geschützt, Adlerfarn schmeckt den Rehen nicht.
Direkt neben einer jetzt kahlgeschlagenen Fläche wurden vor einiger Zeit einige Dutzend mittlerweile 1,5 m hohe junge Buchen aus Baumschulen künstlich in Reih und Glied angespflanzt:
Verjuengungskunst

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Kahlschlag

Wahrscheinlich ist, dass die verbliebenen alten Buchen in den kommenden Jahren krank werden. Dieses Phänomen kennt man von der forstwirtschaftlichen Methode des Schirmschlags. Buchen sind soziale Wesen: Fällt man einen von zwei benachbarten alten Bäumen, wird der andere krank. Dann wird auch er der Motorsäge zum Opfer fallen.

Grün-und-Gruga-Essen hat buchstäblich “einschlägige” Erfahrungen mit Kahlschlägen: Der direkt benachbarte alte Kieferwald am Wetzelsberg wurde vor kurzem komplett kahlgeschlagen und mit Buchenjungwuchs künstlich wieder aufgeforstet.

Wetzelsberg

Jetzt sieht es dort so aus:
Buchenschonung am Wetzelsberg

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