“Um wieder Bäume auf die kahlen Flächen zu bekommen, empfiehlt es sich für Waldbesitzende, zunächst Ruhe zu bewahren.”
Volker Gebhardt, Vorstand von ThüringenForst
Einleitung
“Um wieder Bäume auf die kahlen Flächen zu bekommen”, gibt es prinzipiell zwei Möglichkeiten: Naturverjüngung und Wiederaufforstung. Erstere ist natürlich und kostenlos, letztere ist künstlich und teuer. In diesem Artikel geht es um Naturverjüngung: sie stellt eine Alternative dar zur künstlichen Wiederaufforstung.
Nuttlarer Höhe (542 m) am Plackweg im SauerlandKahlschlag reiht sich an Kahlschlag. Das Sauerland ist überzogen von einem nahezu lückenlosen Netz von Kahlschlägen. Keine kleinen Kahlschläge und nicht vereinzelt, sondern große Kahlschläge und einer folgt auf den andern. Die Anwohner haben sich daran gewöhnt. Vielleicht. Für den erstmaligen Besucher kann der Anblick schockierend sein.
Nuttlarer Höhe, ganz im Hintergrund links der LörmecketurmHarvester haben die absterbenden und auch die abgestorbenen Fichten restlos entfernt. Die Fichtenforste sollten vor dem Borkenkäfer geschützt werden: Förster nennen das Forstschutz. Dass dieser nicht funktioniert, spielt keine Rolle: Nach dem Fiasko mit der Borkenkäferbekämpfung wechselt man einfach das Thema. Fortan geht es nur noch um Wiederaufforstung: “Wir müssen aufforsten! Aber selbstverständlich! Was sonst?” TINA: There is no alternative!
Plackweg nähe Gemeinheitskopf (552 m)Die künstliche Wiederaufforstung ist angeblich genauso alternativlos wie zuvor der Forstschutz. Aber ebenso wie es Alternativen zum Forstschutz gibt, gibt es Alternativen zur Wiederaufforstung. Selbst auf den extrem ramponierten Kahlflächen im Sauerland wäre Naturverjüngung möglich.
Der Artikel gliedert sich in folgende Abschnitte:
- Kahlflächen ohne Naturverjüngung sind nicht normal
- Naturverjüngung auf Kahlschlägen vs. Wiederaufforstung
- Lexikon wichtiger Fachbegriffe rund um Naturverjüngung
- Naturverjüngung auf forstpraxis.de
- Schluss
Kahlflächen ohne Naturverjüngung sind nicht normal
Die Fotos in diesem Artikel entstanden im Januar 2024 am Plackweg zwischen dem Lörmecketurm im Westen und dem Wanderparkplatz Hirschbruch im Osten. Der Plackweg liegt zwischen den Städten Bestwig und Meschede im Süden und Warstein im Norden und diesen Städten gehört auch ein Großteil der fotografierten Kahlflächen. Die Fichten wurden spätestens Anfang 2021 vollständig abgeräumt. Obwohl diese sog. Sanitärhiebe nunmehr 3 Jahre zurückliegen, zeigen die Kahlflächen weder eine künstliche Wiederaufforstung noch eine Naturverjüngung.
Nuttlarer Höhe (542 m), ein Drückjagdstand liegt am BodenWas die Wiederaufforstung angeht: Vielleicht sind die fotografierten Freiflächen tatsächlich noch nicht aufgeforstet. Vielleicht sind sie es, aber die Kulturen sind sehr klein. Vielleicht werden die gepflanzten Jungbäume auch von Gräsern und Kräutern verdeckt. Vielleicht sind sie aber auch schon vertrocknet, erfroren oder von Rehen, Hirschen, Hasen und Mäusen aufgefressen worden.
Was die Naturverjüngung angeht: Wenn keine Naturverjüngung zu sehen ist, bedeutet das nicht, dass sie grundsätzlich nicht möglich war bzw. ist. Frank Christian Heute, Vorsitzender des Ökologischen Jagdvereins NRW, schreibt dazu:
“Weisergatter müssen unmittelbar nach dem ‘Auflichtungsereignis’ (forstlicher Eingriff, Windwurf, Kalamität) und vor Beginn des nächsten Vegetationsbeginns errichtet werden. Nur so kann sich im Gatter das ‘schlummernde’ Samenreservoir des Bodens entfalten. Und nur so kann das große Potential von Naturverjüngung sichtbar gemacht werden. Wird ein Gatter erst später gebaut, sind oft bereits sämtliche Keimlinge – teils von Samen, die seit vielen Jahren im Boden ‘schlummern’ – abgeäst. Der Beobachter meint dann, der pflanzenfreie Waldboden sei ‘normal’.”1Frank Christian Heute, Auswirkungen veränderter Bejagungsstrategien auf Rehwild, Ökojagd 2- 2022, S. 18, Hervorhebungen von F.-J. A.
Ein Waldboden ohne Naturverjüngung ist nicht normal – auch im Sauerland nicht.
Plackweg zwischen Nuttlarer Höhe und Gemeinsheitskopf: eine der ganz wenigen Stellen mit naturverjüngten Buchen, leider vom Wild kurz und klein gebissenNach oben
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