Presse zum Kahlschlag am Wüstegarten

„Die Wertigkeit des Gebietes steigt. Man muss jetzt nur ein bisschen Geduld aufbringen.”
Karl-Gerhard Nassauer

“Eine Rosskur für den Wald” – Leserbrief von Eberhard Leicht in der HNA vom 2. Dezember 2015

Am 2. Dezember 2015 stehen im Lokalteil für Schwalmstadt, Frielendorf und Gilserberg der Hessischen Niedersächsischen Allgemeinen gleich drei Leserbriefe, die alle den Kahlschlag am Wüstegarten kritisieren. ((Das Original der Zeitungsseite können Sie hier als PDF-Datei herunterladen.))

Eine Rosskur für den Wald
Thema: Fichtenbestand am Wüstegarten
Die überaus unsanfte und strapaziöse Behandlung eines Patienten bezeichnet der Duden als Rosskur. Diese volkstümliche Bezeichnung für eine grobe Therapie drängt sich dem Leser regelrecht auf angesichts eines Kahlschlages mit der Größe von sechs Fußballfeldern.
Dass dies „eine außergewöhnliche Maßnahme“ ist, wie der Artikel sagt, kann leider nur bestätigt werden. Im Waldbau sind Kahlschläge schließlich schon lange kein probates Mittel mehr, weil sich durch intensivere Sonneneinstrahlung die Humusschicht stärker erwärmt und so aus dort vormals organisch gebundenem Stickstoff Ammonium und Nitrat freigesetzt werden. Da oft kaum Vegetation verbleibt, die den nun mineralisierten Stickstoff aufnehmen kann, gelangt dieser in das Grundwasser oder wird oberflächlich ausgetragen.
Im vorliegenden Fall ist der verbleibende Wald zudem seines gewachsenen Randes beraubt, wodurch die Bäume in besonderem Maße der Witterung ausgesetzt sind. Nach dem Hessischen Waldgesetz gilt die Vermeidung von Kahlschlägen mit einer Flächengröße von über einem Hektar als Kennzeichen ordnungsgemäßer Forstwirtschaft.
Kann nun ein Vorgang, der aus waldökologischer und forstwirtschaftlicher Sicht als bedenklich anzusehen ist, aus Sicht des Naturschutzes erstrebenswert sein? Immerhin hätte es auch die Möglichkeit eines behutsameren Waldumbaus gegeben, indem beispielsweise die vorhandene Bestockung über einen Zeitraum von vielleicht 20 Jahren schrittweise entnommen und so der Vegetation und der Kleinfauna Gelegenheit gegeben wird, sich allmählich an geänderte Lebensbedingungen anzupassen.
Auch Wikipedia verweist darauf, dass „die naturschutzfachliche Praxis der Eliminierung von standortfremden Baumarten per Kahlschlag“ als ökologisch negativ zu beurteilen ist. (…)

Eberhard Leicht
Forstbeamter aus Rosenthal

Kommentar

Eberhard Leicht ist einfach irgendein “Forstbeamter”; er ist Forstamtsleiter ((siehe z. B. den Artikel Hessisches Forstamt Burgwald mit neuer Leitung)) genau wie Karl-Gerhard Nassauer. Leicht leitet das Forstamt Burgwald, das vom Forstamt Jesberg nur 35 km entfernt ist. Leicht kritisiert also einen Kollegen – und dies in aller Öffentlichkeit. Das ist in einem Landesforstbetrieb tatsächlich sehr sehr ungewöhnlich. Außerdem gehört Leicht in der Deutschen Dendrologischen Gesellschaft als Fachreferent für Waldbau zum erweiterten Vorstand.

Leicht hat völlig recht: Wissenschaftliche Untersuchungen beweisen, dass nach Kahlschlägen aus der Humusschicht Ammonium (NH4+) und Nitrat (NO3) freigesetzt werden. ((siehe meinen ausführlichen Artikel über Vor- und Nachteile von Kahlschlägen, Nachteile 3 und 4)) Förster lernen so etwas für gewöhnlich im Studium, falls sie nicht die Vorlesungen bläuen.

Zu Recht verweist Leicht auch auf das Hessische Waldgesetz. Paragraph 4, Absatz 2, Satz 3 lautet:

“Kennzeichen ordnungsgemäßer Forstwirtschaft sind insbesondere: […] die Vermeidung von Kahlschlägen mit einer Flächengröße von mehr als 1 Hektar, […]”

Und in der Biodiversitätsstrategie des hessischen Umweltministeriums von März 2015 lesen wir im Kapitel über die Wälder ((Hessische Biodiversitätsstrategie, S. 7)):

“Nachhaltigkeitskriterien sind insbesondere […] Verzicht auf großflächige Kahlschläge […]”

Der Verweis auf Wikipedia ist stichhaltig: Der von Leicht zitierte Satz steht tatsächlich im Artikel “Kahlschlag” im Abschnitt “Probleme”:

“Die naturschutzfachliche Praxis der Eliminierung von standortfremden Baumarten per Kahlschlag für den Ausgleich von Eingriffen ist nach forstwissenschaftlichem Standpunkt ökologisch negativ zu beurteilen.”

Nach oben
Zurück zur Einleitung
Nächste Seite: “Keine Großtat des Naturschutzes” – Leserbrief von Werner Otto in der HNA vom 25. November 2015