Kahlschlag im Hohenhorster Buchenwald

200 Jahre alter Buchenwald

Niemand weiß, wie winzig die Fläche von Buchenwäldern in NRW ist, die 200 Jahre alt sind. Auch die dritte Bundeswaldinventur nicht. Denn diese ist ein Stichprobeninventur. Joachim Diesler, bei den Rheinland-Pfälzischen Landesforsten zuständig für die Bundeswaldinventur, hat mir freundlicherweise das Verfahren in einer Email vom 11. September 2014 erklärt:

“Anhand der Aufnahme von Einzelbäumen am Inventurpunkt wird auf das Gesamtkollektiv hochgerechnet. Um bei Ihrem Beispiel zu bleiben: 1 Baum über 160 Jahre würde reichen. Dieser wird mit Durchmesser, Höhe usw. aufgenommen, rechnerisch wird ihm eine “ideelle Standfläche” zugewiesen und er kommt in die Schublade: Buche über 160 Jahre. Am Ende der Inventur werden diese Standflächen zusammengezählt und man erhält die Gesamtfläche für 160 jährige Buchen […].”

Angenommen, am Inventurpunkt findet der Inventurtrupp eine einsame, 170 Jahre alte Buche. Die hat dann meinetwegen 200 m2 ideelle Standfläche. 50 solcher Altbuchen an verschiedenen, verstreuten Inventurpunkten machen dann am Ende 1 ha Buchenwald über 160 Jahre aus. Über die Gesamtfläche von geschlossenen Buchenbeständen mit einem Alter von über 160 Jahren, wie sie z. B. in den Naturwaldzellen oder in den Nationalparks vorkommen, kann die Bundeswaldinventur keine Angaben machen. Die Zahlen der Bundeswaldinventur sind allerdings auch so schon ein Fiasko: In NRW gibt es 873.719 ha Wald.  Nur 12.188 ha davon sind Buchenwälder über 160 Jahre. Das entspricht lumpigen 1,4 %. Und wohlgemerkt: Wir sprechen nicht über Reinbestände von über 160 Jahre alten Buchen, sondern von zusammengezählten Standflächen. Über die Fläche von Buchenwäldern, die 200 Jahre alt sind, kann die Bundeswaldinventur überhaupt keine Auskunft erteilen. Solche Buchenmethusaleme werden nicht extra gezählt. Der Aufwand lohnt nicht.

St. Florian und die Biodiversitätsstrategie

Am 7. November 2007 hat das Bundeskabinett die Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt beschlossen. Dies geschah so still und heimlich, dass nicht einmal Biologielehrer wissen, was deren Ziele sind. Förster amüsieren sich köstlich über das Ziel, dass bis 2020 5 % der Wälder nicht mehr bewirtschaftet werden sollen. ((Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Hg.), Nationale Strategie zur Biologischen Vielfalt, Berlin 2007, S. 31)) Papier ist geduldig.

In NRW sind nur 2 % der Wälder aus der Nutzung genommen. ((Landesbetrieb Wald-und-Holz NRW (Hg.), Wildniswanderungen 2014, S. 6)) Und mehr werden es auch bis 2020 nicht werden. Zwar überlässt der Landesforstbetrieb 11 % Landeswald der natürlichen Entwicklung ((13.046 von 114.601 ha Landeswald)). Das ist löblich. Aber es reicht hinten und vorne nicht, um das 5 %-Ziel zu erreichen. Die Kommunen ziehen nicht mit und die Privatwaldbesitzer schon gleich gar nicht. “Wir [= die Mitglieder des Bundeskabinetts] streben Folgendes an: […] besonderer Schutz alter Waldstandorte […]” ((Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Hg.), Nationale Strategie zur Biologischen Vielfalt, Berlin 2007, S. 32)) Die Herren Middelmann und Klinger streben gewiss dasselbe an, aber bitteschön nicht in Recklinghausen! Es gilt das St.-Florians-Prinzip: Heiliger Sankt Florian / Verschon’ mein Haus / Zünd’ and’re an!

Sturmexperte Niermann

So spricht das personifizierte schlechte Gewissen: “160 kmh”, “40 mm/m2 innerhalb kürzester Zeit”, “Rekordtagestemperaturen […] mit 38° C”. Seit dem Pfingststurm Ela mutieren Förster zu Sturmexperten und spielen “Haltet den Dieb!”. Niermann bzw. Klinger bzw. Middelmann beantworten Fragen, die ich nie gestellt, und wehren sich gegen Vorwürfe, die ich anfänglich gar nicht erhoben habe. Tatsache ist, dass von Förstern gepflegte Wirtschaftswälder nicht sturmresistenter sind als ungepflegte Naturwälder. Aber genau das ist von Förstern landauf landab jahrzehntelang behauptet worden. “Ungepflegte Buchenwälder brechen irgendwann komplett zusammen!”, so haben Förster auf Informationsveranstaltungen getönt und als Gegenmittel ihre kostspielige Waldpflege empfohlen. Von Förstern gepflegte Wälder seien jung, gesund und sturmstabil. Dieser Quatsch wurde durch Ela gründlich widerlegt. ((siehe dazu: Dubbels Taschenspielertrick))

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