Umstrittene Klage von Peter Wohlleben und Pierre Ibisch gescheitert

„Ich hatte eine grandiose Utopie zu betrauern und mich zu lange geweigert, genau hinzusehen, damit sie um Himmels willen noch dauern konnte.“
Brigitte Kronauer, Die Kleider der Frauen

3. Wohllebens Wald und Wildnis

Hinweis: Beim folgenden Text handelt es sich um meine ganz persönliche Meinung. Alle Hervorhebungen in den Zitaten sind von mir. Die Zitate der Webseite Wohllebens Wald und Wildnis stammen von Anfang April 2025.

Einleitung

2021 hat Peter Wohlleben zusammen mit seiner Frau Miriam eine gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung (gGmbH) gegründet. Sie heißt „Wohllebens Wald und Wildnis“ und betreibt – ebenfalls seit 2021 – die gleichnamige Webseite. Und es war diese Webseite, auf der ich im Downloadbereich sowohl die Strafanzeige von Wohlleben und Ibisch als auch deren Ablehnung durch die Staatsanwaltschaft gefunden hatte. Diese Transparenz ist vorbildlich. Leider endet die Vorbildlichkeit der Webseite damit auch schon wieder. Denn es sieht so aus, als habe man nach der Ablehnung der Klage abrupt das Interesse an der Webseite verloren und die Arbeit an ihr komplett eingestellt.

Das Kapitel ist gegliedert in folgende Abschnitte:

  1. Die gGmbH und der Rechtsweg
  2. Die Montabaurer Höhe und die Klage
  3. Die Aktion von Greenpeace und die Studie
  4. Die vernachlässigte Webseite und die Spenden

zu 1: Die gGmbH und der Rechtsweg

Auf der Webseite lesen wir:

„Das ausschließlich gemeinnützige Unternehmen setzt sich für den Schutz unserer Wälder ein. Dabei machen wir es uns zur Aufgabe geltende Bestimmungen zum Schutz von Wäldern auf dem Rechtsweg durchzusetzen. So möchten wir zum Beispiel Holzeinschlag in Naturschutzgebieten verhindern und das wunderbare Ökosystem weiter wissenschaftlich erforschen“

Über die wissenschaftliche Erforschung des Waldes durch die gGmbH erfahren wir nichts. Vielleicht ist damit der neue Studiengang „Sozialökologisches Waldmanagement B.Sc.“ gemeint. Aber dieser Studiengang, über dessen Beginn zum Wintersemester 2024 schon am 18.2.2022 berichtet wird, ist doch Sache der Hochschule für Nachhaltige Entwicklung Eberswalde! Seit wann richtet eine gGmbH einen Studiengang ein? Und ein Studiengang ist ja Lehre und nicht Forschung. Sicherlich wird die gGmbH nicht das Gehalt von Studiengangsleiter Prof. Dr. Pierre Ibisch bezahlen!

Als einzige „Aufgabe“ der gGmbH bleibt also der „Rechtsweg“, um „so“ den „Holzeinschlag in Naturschutzgebieten (zu) verhindern“. Das kleine Wörtchen „so“ ist wichtig. Denn man könnte den Holzeinschlag auch mit politischen Mitteln verhindern und nicht mit juristischen. Man könnte z. B. Bürgerinitiativen unterstützen. Für diese könnte die gGmbH Fortbildungen anbieten, Gutachten schreiben oder ihnen bei der Kommunikation mit Forstämtern helfen. Man könnte kostenlose Hilfe leisten für Bürgerinitiativen, die sich kostspielige Hilfe häufig nicht leisten können. Das aber ist laut eigener Aussage auf der eigenen Webseite nicht Ziel der gGmbH. Ihr Ziel ist der Rechtsweg.

Beim Waldschutzprojekt „Heilige Hallen“ hat man den Rechtsweg allerdings nicht beschritten:

„Daher sind wir mit dem Ministerium in Kontakt, um zukünftig dem Schutzstatus zur Geltung zu verhelfen.“

Was dabei herausgekommen ist, steht nicht auf der Webseite. Auch über ein anderes Projekt, nämlich über das Waldschutzprojekt „Wildnis in Deutschland“ steht nichts auf der Webseite. Fast nichts:

„Durch den Ankauf von Waldparzellen wollen wir Wildnisgebiete in Deutschland wachsen lassen. Auf diesen Flächen darf sich das Ökosystem frei entwickeln. Keine Holzentnahme, keine aktiven Eingriffe – einfach nur Natur.“

Warum man Wildnisgebiete unbedingt „wachsen lassen“ will, steht da nicht. Denn schließlich gibt es in Deutschland ja schon sehr viele und auch große Wildnisgebiete.1siehe Naturwälder oder auch Wildnisgebiete Ganz ohne gGmbH. Es steht da auch nirgendwo, welche Waldparzellen wo und warum gekauft worden sind.

In unserem Blog und Newsletter informieren wir dich regelmäßig über Neuigkeiten aus unseren Projekten.“

Von wegen! Im Blog gibt es keine „Neuigkeiten“. Schon gar nicht „regelmäßig“. Nichts über gekaufte Wildnisgebiete. Dafür findet sich dort ein drei Jahre alter Blogeintrag über „Montabaurer Höhe – Nachricht von der Staatsanwaltschaft“. Das große Foto dort mit Wohlleben und Ibisch will so gar nicht zur „Nachricht“ der Oberstaatsanwältin passen: denn beide werden über die Zurückweisung ihrer Strafanzeige vermutlich not amused gewesen sein. Von wegen „Holzeinschlag in Naturschutzgebiete verhindern“! Einen Text zum Foto gibt es nicht. Ein Video auch nicht; es ist „nicht verfügbar“.

zu 2: Die Montabaurer Höhe und die Klage

Es war die Montabaurer Höhe, die 2021 und 2022 im Zentrum der gGmbH stand:

„Aktuell prüfen wir die rechtliche Grundlage für einen großen Kahlschlag, der im FFH-Gebiet, ein europäisches Schutzgebiet, Montabaurer Höhe durchgeführt wurde. Unserer Meinung nach hat hier die zuständige Forstbehörde illegalerweise Kahlschläge umgesetzt, anstatt das Waldgebiet vorschriftsmäßig zu schützen. Dazu liegt bereits ein Rechtsgutachten vor. Gespräche über einen Stopp der Kahlschläge in Schutzgebieten lehnt das zuständige Ministerium ab. Daher haben wir Anzeige gegen die örtliche Forstbehörde und das Ministerium erstattet.“

Der Text ist nicht stimmig; die „rechtliche Grundlage“ wird nicht „aktuell“ geprüft, sondern ist schon abschließend geprüft worden. Denn das Rechtsgutachten liegt ja vor und die Anzeige wurde bereits erstattet: „einen großen Kahlschlag“ in einem FFH-Gebiet habe es gegeben –  „unserer Meinung nach […] illegalerweise“. Ansonsten keine weiteren Informationen: keine Karten, keine Schaubilder, keine Fotos, keine Videos. Auch das „Rechtsgutachten“ bleibt unveröffentlicht. Mit der „örtlichen Forstbehörde“ hat man nicht gesprochen? Ich kann mir überhaupt kein Bild davon machen, was passiert ist. Ich erfahre nicht einmal, dass es um abgestorbene Fichtenwälder ging. Auch nicht, wie der „vorschriftsmäßig(e)“ Schutz hätte aussehen sollen.

Vielleicht werden jetzt einige Leser einwenden, ich könne doch die Strafanzeige lesen! Da stünde doch gewiss alles drin! Steht es leider nicht! Auch dort keine Karten und keine Fotos, denn die Anlage 1 „Foto- und Karten-Dossier zu forstlichen Maßnahmen auf der Montabaurer Höhe (Zeitraum 2020-2021)“ von Prof. Dr. Ibisch fehlt in der veröffentlichten Version!2Strafanzeige, S. 6  Mal ganz abgesehen von dem unsäglichen Kauderwelsch der Anzeige, das für den juristischen Laien eine Zumutung ist.3siehe Der Inhalt der Klage Dieses kommunikative Fiasko ist umso erstaunlicher, als Wohlleben ansonsten sehr genau weiß, wie man komplizierte Sachverhalte leicht verständlich darstellen kann.

Dass es auch anders und besser geht, demonstrieren ausgerechnet seine Gegner: die Landesforsten Rheinland-Pfalz. Sie haben damals die folgende Webseite veröffentlicht: FAQs – Waldwirtschaft in der Klimakrise auf der Montabaurer Höhe. Gut – auch hier nur ein einziges Foto. Und natürlich keines der von Harvestern, die „metertiefe und verdichtete Furchen bzw. Gräben“ hinterlassen.4Strafanzeige, S. 6 Sondern ein hübsches und optimistisches Foto vom neu gepflanzten Mischwald. Auf dieser Webseite wird niemand malträtiert mit Fachchinesisch wie in der Strafanzeige von Wohlleben und Ibisch. Stattdessen gut verständliches Deutsch und eine sinnvolle Gliederung. Dazu Schaubilder und eine Karte. Am Ende ein Bürgertelefon und eine Kontaktadresse. Und das Angebot von Führungen mit dem Förster. Und als Sahnehäubchen auch noch die Möglichkeit, bei einer Pflanzaktion teilzunehmen. Ungefähr so geht moderne PR.

Damit keine Missverständnisse aufkommen: Natürlich ist die Webseite der Landesforsten PR! Böse Zungen würden auch die bösen Worte Propaganda und Ideologie benutzen. Trotz alledem – eine solche Webseite leistet einen wertvollen Beitrag zur Meinungsbildung. Einen Beitrag – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Bürgerinitiativen werden sich zwar ärgern und mit den Zähnen knirschen, aber zumindest wissen sie nun, mit welchen Argumenten ihr Gegner arbeitet. Know Your Enemy!

zu 3: Die Aktion von Greenpeace und die Studie

Ob auch die Aktion von Greenpeace auf der Montabaurer Höhe einen wertvollen Beitrag zur Meinungsbildung beisteuert, wage ich persönlich zu bezweifeln.5siehe meine Kritik an Greenpeace Unter der Überschrift „Strafanzeige gegen Kahlschläge im Wald“ lesen wir:

„Parallel haben 23 Greenpeace Aktivist*innen am Morgen des 16. November mit Sägespänen die Wörter „ACT NOW“ auf die kahlgeschlagenen Flächen in Montabauer geschrieben. Mit der 55 mal 10 Meter großen Forderung weisen sie auf die verheerenden Folgen der Forstwirtschaft in den vergangenen Jahrzehnten hin. ‚Wenn die Forstwirtschaft die Wälder weiter so schwächt, befeuert sie damit die Klimakrise‘, sagt Jannes Stoppel, Wald- und Klimaexperte von Greenpeace.“

Und ich dachte immer, es ginge um den Schutz von alten Bäumen, seltenen Vögeln und Käfern. Die toten Fichten sind doch angeblich ein Opfer des Klimawandels! Und deren Abholzen verstärkt ihn jetzt? Wie passt das zusammen? Ist die Forstwirtschaft etwa schuld am Klimawandel? Weil sie Fichten anbaut? Aber von Fichten ist ja auch komischerweise überhaupt nicht die Rede. Auch nicht vom Borkenkäfer. Was meint Greenpeace mit „ACT NOW“? Die Forstwirtschaft soll handeln? Was soll sie denn machen? Fordern Wohlleben und Ibisch nicht gerade, dass sie nichts machen soll? Keine Kahlschläge. Was dann? Einfach alles so stehenlassen? „Keine Holzentnahme, keine aktiven Eingriffe – einfach nur Natur.“ So wie in den Waldparzellen, die die gGmbH ankaufen und zu Wildnisgebieten umwandeln will?

„Parallel wurde eine von Greenpeace beauftragte Studie ‚Der Wald in Deutschland auf dem Weg in die Heißzeit‘ veröffentlicht.“

Eine neue Studie also. Wissenschaftlich. Von Greenpeace beauftragt. Geschrieben von  Prof. Dr. Pierre Ibisch. Die Oberstaatsanwältin war jedenfalls nicht sehr beeindruckt und schon gar nicht eingeschüchtert von dessen Expertise und Renommee. In ihrer Zurückweisung der Strafanzeige spricht sie von „bloße(n) Vermutungen“ und wirft den Klägern „eine einseitige und unvollständige Betrachtungsweise“ vor, „die mehr als unreflektiert und blauäugig erscheint und der nicht gefolgt werden kann.“

Und was die „Heißzeit“ bzw. die „Klimakrise“ angeht, so hat die Oberstaatsanwältin ganz klare Vorstellungen:

„Auf diesen Klimawandel muss sich auch die Forstwirtschaft einrichten. Es muss eine neue Aufforstung mit anderen hitze- und auch sturmresistenteren Lebensraumtypen nicht nur möglich sein; diese ist vielmehr sogar geboten und erforderlich. Alles andere wird dem Erhaltungsziel und -zweck der geschützten Gebiete und Populationen zuwiderlaufen.“

Der Forderung von Greenpeace „ACT NOW“ würde die Oberstaatsanwältin sofort zustimmen.

zu 4: Die vernachlässigte Webseite und die Spenden

In der Einleitung hatte ich behauptet, das Ehepaar Wohlleben habe die Arbeit an ihrer Webseite scheinbar komplett eingestellt. Denn es fehlen Fotos, es fehlen Blogeinträge und viele Artikel wirken wie angefangen, aber nicht beendet. Es gibt auch nur drei Waldschutzprojekte. Und bei diesen ist offenbar seit drei Jahren nichts passiert. Und zum „Wald Wildnis Team“ gehören nur die beiden Geschäftsführer Miriam und Peter Wohlleben. Sonst niemand. Andere „Waldschützer aus Leidenschaft“ werden nicht genannt: nicht einmal Pierre Ibisch. Es gibt auch keine „offenen Jobs“, denn: „Aktuell haben wir keine offenen Stellen.“ Und wenn man Fragen hat, so werden diese nicht auf dieser Webseite beantwortet, sondern man möge sich an „das Team der Waldakademie“ wenden. Vielleicht gibt es Antworten bei einem „Waldspaziergang & Plausch mit Peter Wohlleben“ Vier Stunden kosten 159 €. Pro Person.

Manchmal beschleicht mich eine Vermutung, warum die Arbeit an Wohllebens Wald und Wildnis gGmbH scheinbar eingestellt wurde und die Webseite so vernachlässigt aussieht. Vielleicht lag es nicht nur an der Ablehnung der Klage. Vielleicht lag es auch an der mangelnden Spendenbereitschaft. Denn es ist schon auffällig, wie häufig man beim Besuch der Webseite aufgefordert wird zu spenden. Aber warum soll man spenden für einen Rechtsweg, der nicht funktioniert?

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