Umstrittene Klage von Peter Wohlleben und Pierre Ibisch gescheitert

„Mit Oberförstern ist immer schlecht Kirschen pflücken; die blasen einen weg, man weiß nicht wie.“
Der Stechlin, Theodor Fontane

2. Die Ablehnung der Klage

Hinweis: Beim folgenden Text über die Ablehnung der Klage handelt es sich um meine  ganz persönliche Meinung. Es handelt sich ausdrücklich weder um ein juristisches noch um ein biologisches Fachgutachten. Alle Hervorhebungen in den Zitaten sind von mir. Oberstaatsanwältin kürze ich mit OStA ab, Staatsanwaltschaft mit StA.

Das Kapitel ist gegliedert in zwei Abschnitte:

  1. Die OStA zur fehlenden FFH-Verträglichkeitsprüfung
  2. Die OStA zu den Beschädigungen des FFH-Gebiets

Die StA Koblenz braucht für ihre Antwort nur drei Wochen. Und nur vier Seiten. Die einen werden sagen, sie fasst sich kurz, die anderen, sie macht kurzen Prozess: Strafanzeige gegen [geschwärzt] wegen der Gefährdung schutzbedürftiger Gebiete.

1. Die OStA zur fehlenden FFH-Verträglichkeitsprüfung

Ich zitiere aus dem Passus, in dem die OStA den Vorwurf einer fehlenden FFH-Verträglichkeitsprüfung widerlegt:1siehe Teil a des Schreibens

„[…] doch verfängt die Tatsache, dass eine FFH-Verträglichkeitsprüfung nicht vorgenommen worden ist, nicht. Die Anzeige verschweigt insoweit – ob bewusst oder unbewusst sei dahingestellt – einen ganz wesentlichen Umstand, nämlich den massiven Borkenkäferbefall des fraglichen Fichtenbestands in dem Gebiet ‚Montabaurer Höhe‘.“

Glacéhandschuhe hat die OStA nicht an. Sie zählt die „wesentlichen Umstände“, die Wohlleben und Ibisch „bewusst oder unbewusst“ verschwiegen haben, einzeln und mit Datum auf:

„Außer Betracht lässt die Anzeige darüber hinaus auch die damit einhergehende Schädigungen des Waldes durch Naturereignisse, insbesondere durch das Sturmtief ‚Burglind‘ am 03. Januar 2018, das darauffolgende Orkantief ‚Friederike‘ am 18. Januar 2018, das Sturmtief ‚Eberhardt‘ am 10. März 2019 und das Orkantief ‚Sabine‘ am 10. Februar 2020, bei dem ein erheblicher Windbruch entstand und geschwächter Fichtenbestand komplett entwurzelt wurde.“

Und dann kommt der Satz, der allein schon die komplette Anzeige von Wohlleben und Ibisch aus den Angeln hebt:

„Die Entfernung absterbender und mit Borkenkäfer befallener Bäume und Maßnahmen zur Unterbrechung der Infektionskette können nicht mit der Entfernung eines vitalen Waldes gleichgesetzt werden.“

Die OStA präsentiert Wohlleben und Ibisch die Quittung dafür, dass ihre Anzeige auf 19 langen Seiten den „Käferbefall“ nur zweimal und nur kurz und nur am Ende erwähnt.2siehe Strafanzeige S. 16 und 17 Und weiter:

Zur Verwirklichung der Erhaltungsziele des Schutzgebiets „kann es […] erforderlich sein, grundsätzlich schutzwürdige, aber für die Unterschutzstellung nicht ausschlaggebende Lebensraumtypen und -arten ganz oder teilweise zu opfern. […] Steht eine Managementmaßnahme in einer solchen Verknüpfung, so bedarf es keiner FFH-Verträglichkeitsprüfung.“

Das ist so böse, dass man es fast bewundern möchte: „grundsätzlich … aber … nicht ausschlaggebend … ganz oder teilweise zu opfern“.


2. Die OStA zu den Beschädigungen des FFH-Gebiets

Gleich zu Anfang des zweiten Teils ihres Schreibens3siehe Teil b stellt die OStA klar, dass Wohlleben und Ibisch alle Hoffnung fahren lassen können:

„(D)ie Tathandlung muss dem Schutzzweck in einem Ausmaß zuwiderlaufen, dass sie diesen faktisch aufhebt oder ihn quantitativ oder qualitativ nachhaltig untergräbt […] Zureichende konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen solcher Schädigungen sind indes nicht gegeben und lassen sich auch aus der Strafanzeige nicht herleiten.“

Das war es dann. Man muss nicht weiterlesen. Wenn man es trotzdem tut, braucht man als Mitglied einer Waldschutz-Bürgerinitiative eine hohe Frustrationstoleranz. Denn nun zerpflückt die Oberstaatsanwältin die von Wohlleben und Ibisch behaupteten Schäden einen nach dem anderen – ob genüsslich oder nicht sei dahingestellt. Sieben ihrer Argumente stelle ich vor und kommentiere sie aus meinem – ganz persönlichen und nicht maßgeblichen – Blickwinkel:

  1. Größe des FFH-Gebiets
  2. Thermische und hydrische Randeffekte
  3. Beschattungswirkung von Totbäumen
  4. Verdichtung des Bodens
  5. Tote Bäume
  6. Klimawandel
  7. Borstgrasrasen

zu 1. Größe des FFH-Gebiets

Die OStA weist darauf hin, …

„… dass das FFH Gebiet „Montabaurer Höhe“ eine Größe von 2.811 ha aufweist (vgl.: https://natura2000.rlp-umwelt.de/steckbriefe); Sanitärhiebe allerdings nur zum geringen Teil benachbart zu den geschützten Lebensraumtypen Hainsimsen-Buchenwald und Waldmeister-Buchenwald durchgeführt wurden.“

Es sind 2.809 ha. Laut Steckbrief.4siehe BfN – Natura 2000 Gebiete – Montabaurer Höhe Aber kein Streit um Kleinigkeiten! Keine Kleinigkeit ist, dass die OStA nicht angibt, wie viele ha Fichtenwälder im FFH-Gebiet geräumt worden sind. Denn die Zahlen liegen im Forstamt Neuhäusel vor. Auf der gesamten Montabaurer Höhe sind es 2.165 ha. 5siehe FAQs – Waldwirtschaft in der Klimakrise auf der Montabaurer Höhe Wohlgemerkt: auf der gesamten Montabaurer Höhe, nicht allein im FFH-Gebiet. Insofern hat die OStA vermutlich Recht, wenn sie behauptet, dass die geschützten Buchenwälder nur „zum geringen Teil“ betroffen waren. Und damit stünde dann fest: der Kahlhieb hat den „Schutzzweck“ weder „faktisch“ aufgehoben noch „quantitativ oder qualitativ nachhaltig“ untergraben.

An dieser Stelle sei auf etwas hingewiesen, was zum Verständnis wichtig ist: Die Fichtenwälder des FFH-Gebiets waren nicht geschützt. Wohlleben und Ibisch geht es immer nur und ausschließlich um die Buchenwälder. Und noch eines sei deutlich gemacht: Selbst wenn die Fichtenwälder auf der Montabaurer Höhe geschützt gewesen wären, kahlschlagen hätte man sie trotzdem dürfen. Borkenkäfer. Klimawandel. Not kennt kein Gebot! Das beweisen die Kahlschläge im Nationalpark Bayerischer Wald und Nationalpark Harz.

zu 2. Thermische und hydrische Randeffekte

Ein Zyniker möchte meinen, dass Wohlleben und Ibisch von der OStA regelrecht vorgeführt werden:

„Soweit durch die Fichtenkahlhiebe und Räumung von Fichtenbeständen in unmittelbarer Nachbarschaft zu den [..] besonders geschützten Laubwaldlebensraumtypen Hainsimsen-Buchenwald und Waldmeister-Buchenwald thermische und hydrische Randeffekte beigemessen werden, handelt es sich nicht nur um einen hypothetischen, auf bloße Vermutungen basierenden Verlauf, sondern auch um eine einseitige und unvollständige Betrachtungsweise, die mehr als unreflektiert und blauäugig erscheint und der nicht gefolgt werden kann.“

Hypothetisch, bloße Vermutungen, einseitig, unvollständig, unreflektiert, blauäugig … Jesus!

zu 3. Beschattungswirkung von Totbäumen

Und es geht weiter:

„Völlig unberücksichtigt bleibt auch, dass die Totbäume, die in fortschreitendem Zerfall die Fläche prägen, in Ermangelung einer Benadelung und Ästen keine Beschattungswirkung mehr entfalten und dem Boden somit keinen Schutz vor Austrocknung bieten.“

zu 4. Verdichtung des Bodens

Man möchte der OStA zurufen „Aufhören! Bitte aufhören! Es ist genug!“ Aber sie hört nicht auf:

„Liegengebliebene Bäume bedeuten ebenfalls eine Verdichtung des Bodens und verhindern die Aufnahme von Wasser im Boden. Die Verdichtung des Bodens durch den Einsatz schweren Geräts aber wird durch die Maßnahmen der Forstwirtschaft beseitigt und eine Aufforstung vorgenommen […].“

Es ist ein Lieblingsthema von Bürgerinitiativen: Bodenverdichtung, Rückegassenabstände, Harvester, Forstschlepper.6siehe auch meinen Artikel Schlammcatchen mit Borkenkäfern Die OStA erledigt dieses Thema in zwei Sätzen.

zu 5. Tote Bäume

Ein weiteres Lieblingsthema von Bürgerinitiativen sind tote Bäume. Auch der Autor freut sich, wenn er sie im Wald sieht.7siehe z. B. Artenvielfalt auf belassenen Borkenkäferflächen Die OStA aber hat einen anderen Blick. Sie argumentiert folgendermaßen:

„Ferner ist evident, dass abgestorbene Bäume, nicht mehr in gleicher Weise Lebensstätte für andere Arten sein können, wie dies vor ihrem Absterben noch der Fall gewesen ist. Dass diese Lebensgemeinschaften durch andere Artengemeinschaften (sogenannte Totholzbewohner) sukzessive abgelöst werden, die ihrerseits einen ökologischen Wert haben, ändert nichts daran, dass ohne die durchgeführten Sanitärhiebe eine grundlegende Lebensraumveränderung Platz gegriffen hätte.“

Der Autor staunt: Die OStA kennt „Totholzbewohner“ und spricht ihnen anerkennend sogar eine „ökologischen Wert“ zu. Aber sie kritisiert, dass tote Bäume einen anderen Lebensraum bieten als lebende. Diese „Lebensraumveränderung“ sei „grundlegend“. Die Lebendholzbewohner würden „sukzessive abgelöst“ durch die Totholzbewohner. Eine Lebensgemeinschaft ersetze die andere. Ein interessanter Gedanke der OStA! Denn nun sind diejenigen Arten gefährdet, die auf lebende Bäume angewiesen sind. Die OStA ändert die Blickrichtung: weg von den Tothholzbewohnern hin zu den Lebendholzbewohnern. Auch die gilt es schließlich zu schützen! So die OStA.

Ihr letzter Nebensatz bleibt allerdings dunkel und unverständlich:

„… dass ohne die durchgeführten Sanitärhiebe eine grundlegende Lebensraumveränderung Platz gegriffen hätte“. 

„Hätte“? Führen nicht auch und gerade „die durchgeführten Sanitärhiebe“ zu „eine(r) grundlegende(n) Lebensraumveränderung“? Was wird denn aus den Lebendholzbewohnern nach einem Sanitärhieb? Zumal die OStA selbst einräumt, dass eine Aufforstung „lange Zeit in Anspruch nehmen wird.“

zu 6. Klimawandel

Kommen wir nun zu dem Teil der Textes, der in meinen Augen das eigentliche Herzstück der Argumentation ist: Klimawandel und Aufforstung. Die OStA schreibt:

„Ursächlich für die Schäden sind die Klimawandelfolgen, die in Form von drei extremen Hitze und Dürrejahren die betreffenden Baumbestände geschwächt und die Borkenkäferentwicklung massiv begünstigt haben. Dazu gab es mehrere Sturm- und Orkantiefs die auf den Fichtenbestand eingewirkt haben. Auf diesen Klimawandel muss sich auch die Forstwirtschaft einrichten. Es muss eine neue Aufforstung mit anderen hitze- und auch sturmresistenteren Lebensraumtypen nicht nur möglich sein; diese ist vielmehr sogar geboten und erforderlich. Alles andere wird dem Erhaltungsziel und -zweck der geschützten Gebiete und Populationen zuwiderlaufen.“

Oder an anderer Stelle:

„Ließe man den Zustand des befallenden Fichtenbestands wie er ist, d. h. wird keine Räumung von abgestorbenen Bäumen und Wiederbewaldung der Flächen mit gezielter Einbringung sich als klima-resilient erweisender Baumarten vorgenommen, würde dies gerade dem Erhaltungsziel und dem Schutz der genannten benachbarten Lebensraumtypen zuwiderlaufen.“

Muss … muss … geboten … erforderlich … zuwiderlaufen. Anders ausgedrückt: Sanitärhiebe und künstliche Wiederaufforstung sind praktizierter Naturschutz! Nimmt man die OStA ernst, so wäre auch die Einbringung nicht-heimischer Baumarten „dem Erhaltungsziel und -zweck“ dienlich. Der Autor fragt sich besorgt, ob in vielleicht nicht allzu ferner Zukunft sogar das komplette Abräumen von „streng geschützten“ Buchenwäldern „geboten und erforderlich“ ist, weil diese nicht genug „hitze- und auch sturmresistent“ sind.

zu 7. Borstgrasrasen

Fast möchte man meinen, die OStA habe sich den schlimmsten Vorwurf für den Schluss aufgespart. Hintergrund ist, dass Wohlleben und Ibisch den Förstern vorgeworfen hatten, den Borstgrasrasen „vollständig zerstört“ zu haben. Sie beriefen sich dabei auf das Zeugnis einer Person, deren Name in der veröffentlichten Strafanzeige geschwärzt ist.8siehe Strafanzeige, S. 9 Deren Aussage aber ist offenbar falsch, denn:

„Hinsichtlich des Vorkommens des ‚Borstgrasrasen‘ darf auf den durch die Anzeige selbst in Bezug genommenen Bewirtschaftungsplan [….] hingewiesen werden, in welchem ausgeführt ist, dass der Lebensraumtyp ‚Borstgrasrasen‘ im Rahmen der Biotopkartierung bzw. im Gebiet nicht nachgewiesen und dessen Entwicklung an den Standorten unwahrscheinlich ist.“

Folgt man der OStA, dann liegt es nun nahe, …

  1. … dass Wohlleben und Ibisch den von ihnen selbst ins Feld geführten Bewirtschaftungsplan gar nicht richtig gelesen haben,
  2. … dass sie selbst die Zerstörung der Borstgrasrasen gar nicht bezeugen können, also gar nicht mit eigenen Augen gesehen haben und
  3. … dass ihr Zeuge nicht glaubwürdig ist.

Vorläufiges Fazit

Einige werden vielleicht sagen, die Entscheidung der OStA sei eine schallende Ohrfeige für Wohlleben und Ibisch, andere sogar, sie sei eine öffentliche Demütigung. Für Lukas Freise, Geschäftsführer der AG Rohholz, steht jedenfalls fest:

„Der vorliegende Fall sendet ein wichtiges Zeichen für die ordnungsgemäße Forstwirtschaft in Deutschland. Auch wenn der Eingriff radikal ist, wird der Wald hier nicht zerstört, sondern geschützt.“9Klage von Wohlleben und Ibisch gescheitert, Holzkurier vom 17.1.2022

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