Antrag auf Kahlschlag am Wüstegarten durch Achim Frede

Frede und die Blockhalden

Fredes Begründung hat die Überschrift “Projekt: Waldumbau-Maßnahme am Wüstegarten 2015 ff.”. ((Hervorhebung im Original)) Diese Überschrift führt in die Irre. Denn die “Fichtenrücknahme” dient nur zu einem Teil dem “Waldumbau”. Sie hat auch ganz andere Ziele, die Frede mit den Worten “Biotopregeneration” und “Biotoprenaturierung” umschreibt:

Leitziele des P ((= Projekts, Hervorhebungen im Original)) in dieser Zone sind neben […] der Umwandlung von Nadelgehölzen in submontanen Laubmischwald, (sic!) v. a. die Regeneration ((Hervorhebungen von F. – J. A.)) der sensiblen Lebensräume des Berg-Grates (sic!) mit Felsen, Blockhalden, (sic!) und Zwergstrauchheiden […].” ((Anlage 2, Seite 1, Rechtschreib- und Interpunktionsfehler im Original))

Man achte auf die zwei Buchstaben “v. a.”: “vor allem”. Die “Regeneration” von “Felsen, Blockhalden und Zwergstrauchheiden” ist offenbar wichtiger als die “Umwandlung” von Wald. Dazu passt die Reihenfolge der “Zielarten” des Projekts: “Kryptogamen, Pionierarten, Fels- und Moorspezialisten in den Sonderbiotop-Komplexen” stehen an erster Stelle. Erst danach kommen “Käfer, Pilze, Bechsteinfledermaus, Spechte, Raufußkauz”.

Die “Biotopregeneration” beschreibt Frede dann so:

“Nach […] ersten Teilfreistellungen […] soll nun 2015/2016 durch Fichtenrücknahmen an den Grat-Schultern (sic!) und Blockhängen die Regeneration natürlicher Blockfluren und die Umwandlung von Nadelgehölzbeständen in standortgemäßen Pionier- und Laubwald […] stärker vorangebracht werden […].” ((Anlage 2, Seite 2, Hervorhebungen und Rechtschreibfehler im Original))

Auch hier achte man auf die Reihenfolge: Der Kahlhieb dient laut Frede zunächst einmal der “Regeneration” der “Blockfluren” und erst dann der “Umwandlung” des Waldes. Was aber sind “Blockfluren”?

“Blockfluren” sind kein Biotoptyp der Hessischen Biotopkartierung.  Die Kartieranleitung kennt nicht einmal den Begriff. Vermutlich meint Frede mit “Blockfluren” den Biotoptyp 10.200 “Block- und Schutthalden”. ((siehe Hessisches Ministerium für Landesentwicklung, Wohnen, Landwirtschaft, Forsten und Naturschutz Wiesbaden, Hessische Biotopkartierung – Kartieranleitung, 3. Fassung März 1995, Anhang 1, S. 79)) Die Kartieranleitung erklärt den Unterschied zwischen Block- und Schutthalden:

“Blockhalden sind Anhäufungen von Gesteinsblöcken, die durch Verwitterung, Abspülung, Auswaschung und Felsstürzen aus dem anstehenden Gestein entstanden sind. Schutthalden werden von am Fuß von Felswänden sich ansammelndem Gesteinsschutt gebildet.” ((ebd.))

Frede bezieht sich in seinem “Fachbeitrag” ausdrücklich auf den “Wüstegarten-Grat (Maßnahmenbereich Nr. 18 im PEPL)”. ((PEPL = Pflege- und Entwicklungsplan – Projekt Kellerwald-Region, Hervorhebung im Original)) Dieser Bereich ist 121 ha groß und dort gibt es genau 1,1331 ha Block- und Schutthalden. ((siehe Biotoptypen im Komplex Nr. 18 “Wüstegarten” und Grat)) Das ist weniger als ein Prozent des Maßnahmenbereichs und kleiner als zwei Fußballfelder. Die Kartieranleitung wäre nicht überrascht:

“Natürliche Vorkommen des Biotoptyps sind von Natur aus selten und kleinflächig (Mittelgebirge).” ((siehe Hessisches Ministerium für Landesentwicklung, Wohnen, Landwirtschaft, Forsten und Naturschutz Wiesbaden, Hessische Biotopkartierung – Kartieranleitung, 3. Fassung März 1995, Anhang 1, S. 79))

Selten und kleinflächig sind die Block- und Schutthalden auch auf dem Kahlschlag am Wüstegarten. Die Suche nach ihnen ähnelt der Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen. Schutthalden kann es dort gar nicht geben, denn es gibt dort keine einzige Felswand, an deren Fuß sich Gesteinsschutt ansammeln könnte. Und die einzige Blockhalde, die es dort gibt, liegt 140 m südwestlich des Kellerwaldturms. Über diese Anhäufung von Gesteinsblöcken führt der Kellerwaldsteig mit ein paar Holzbohlen. Diese Karikatur einer Blockhalde ist höchstens 20 – in Worten: zwanzig – m2 groß. 51.100 m2 Fichtenwald werden abgeholzt, um eine 20 m2 große Blockhalde zu “regenerieren”.

Was in diesem “sensiblen Lebensraum” wertvolles wachsen soll, verrät Frede an keiner Stelle seines Textes. Das macht eine Kritik so schwierig; Frede kann immer erwidern: “Das habe ich nicht gemeint!” Markus Schönmüller ist in seiner Grunddatenerfassung zu Monitoring und Management des FFH-Gebiet “Hoher Keller” aus dem Jahr 2006 genauer und beschreibt die Blockhalden folgendermaßen:

“Diese Quarzit-Blockhalden sind nur stellenweise mit Humus verfüllt, und daher über weite Bereiche nicht wald- bzw. baumfähig. Der überwiegende Anteil dieser Blockhalden ist entweder nackter Fels, (sic!) oder trägt einen dichten, extrem artenarmen Sauerhumus-Filz aus Drahtschmiele bzw. Moos- und Flechtenfluren. Felsbesiedelnde Farne und Blütenpflanzen sind nur ausnahmsweise vertreten.” ((S. 11, Interpunktionsfehler im Original))

Kein Wald, keine Bäume, nackter Fels, extrem artenarm, praktisch keine Blütenpflanzen, nicht einmal Farne, dafür Moose und Flechten. Es fehlen nur noch Blitz, Donner und Vulkanausbrüche und man fühlt sich an den Beginn der Evolution auf dem Festland erinnert!

Nach oben
Zurück zur Einleitung
Nächste Seite: Frede und die Fichten