Kahlschlag im FFH-Gebiet – Tagebuch 19.11.2023

“Du spinnst!” Die beste Ehefrau von allen hält mich für verrückt. Gestern Abend sahen wir den israelischen Spielfilm Lemon-Tree (2008). Und ich behauptete, es gäbe einen Zusammenhang zwischen dem Film und der Verkehrssicherung an der B482. “Jetzt dreht mein Mann endgültig durch! Das hat doch überhaupt nichts miteinander zu tun! Im Film geht es um einen Zitronenhain in Palästina und bei Dir geht es um einen Buchenwald in Deutschland. Das ist doch etwas völlig anderes!”

Wenn Sie der besten Ehefrau von allen recht geben, dann brauchen Sie jetzt nicht weiterzulesen. Natürlich könnte man die Liste der Unterschiede endlos fortsetzen: Es geht im Film nicht um kranke Buchen, nicht um die B482 und auch nicht um den Baubetriebshof von Porta Westfalica. In Porta Westfalica gibt es auch keinen Verteidigungsminister, der Angst um die Sicherheit seines Hauses vor Terroristen hat.

Und trotz all dieser Unterschiede gibt es eine Gemeinsamkeit: In beiden Fällen werden Bäume zu einer potenziell tödlichen Gefahr und müssen weg. Man braucht bei den folgenden Zitaten des Films nur einige Worte auszutauschen und man ist direkt  – nicht bei der Abholzung von Zitronenbäumen in der Westbank, sondern – bei der Abholzung von Buchen in Porta Westfalica.

Der israelische Verteidigungsminister zieht in ein neues Haus, direkt an der Grenze zur Westbank. Hinter dem Grenzzaun liegt ein Zitrushain. Dieser soll abgeholzt werden, weil er ein Sicherheitsrisiko darstellt für den Verteidigungsminister.

Gespräch zwischen dem Verteidigungsminister und seiner Frau:

“Die wollen alle ihre Bäume fällen.”
“Weshalb denn?”
“Aus Angst, dass ein Terrorist durch ihren Garten israelischen Boden betreten könnte. Ist doch nicht abwegig. Was siehst Du mich so an? Also ich hab’ nichts gegen sie. Wirklich nicht!”
“Aber wie es scheint gegen ihre Bäume!”
“Der Geheimdienst hat was dagegen und dem vertraue ich.”

Plädoyer des Staatsanwalts vor dem Militärgericht:

“Die Plantage stellt eine unmittelbare und reale Bedrohung nicht nur für den Minister und seine Familie, sondern auch für unseren Staat dar. Seit September 2000 wurden mehr als 20.000 Anschläge von Terrororganisationen auf das Leben und den Besitz jüdischer Zivilisten verübt. Das Gebiet der Klägerin werden Terroristen mit Sicherheit benutzen, um Informationen zu sammeln und Handgranaten und Bomben auf das Haus zu werfen und darauf zu schießen oder um weitere Anschläge zu planen, weil sie sich hinter den Bäumen verstecken können.”

Begründung der Richterin des Obersten Gerichtshofs:

“Wir sind der Überzeugung, dass das Recht auf Unterkunft und Schutz von Leib und Leben sehr viel höher zu bewerten ist als das Recht auf den Besitz von Land und alles, was auf ihm gebaut und gepflanzt wird. Um den Sicherheitsanforderungen des Staates gerecht zu werden, sind wir zu folgendem Urteil gelangt:  Die Bäume müssen nicht alle abgeholzt werden, sondern nur zu 50 % und diese werden auf eine Höhe von 30 cm gekürzt, um so eine freie Sicht zu gewährleisten auf das Haus des Verteidigungsministers durch das angrenzende Gehölz.”

Der Film endet, indem er den von seiner Ehefrau verlassenen Verteidigungsminister in seinem Haus zeigt. Von der Terrasse aus blickt er nun nicht mehr auf den Zitronenhain, sondern auf eine riesige hohe Betonmauer. Dahinter ist der ehemalige Zitronenhain mit den auf 30 cm gekürzten Zitronenbäumen.

Die beste Ehefrau von allen hat natürlich wie immer recht: “Eine Betonmauer haben sie an der B482 auch nicht gebaut!”

Noch nicht.

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