Der Wolfsschluchtweg war ein Wanderweg zwischen dem Kaiser-Wilhelm-Denkmal und der Wittekindsburg nahe Porta Westfalica. Viel gegangen wurde er nie – denn er war stellenweise sehr schmal und an manchen Stellen ging es steil bergab. Außerdem lagen immer schon alte dicke Bäume quer über dem Weg und man musste akrobatisch darüber klettern oder auf allen Vieren drunter her kriechen – nicht ganz so praktisch für einen gemütlichen Sonntagsspaziergang mit Kindern und Schwiegermutter. Und im Frühjahr 2020 wurde er dann ganz offiziell vom Umweltministerium gesperrt. Und dann begann der Ärger.1siehe meine ausführlichen Kommentare und Analysen Der Streit um den Wolfsschluchtweg – eine Provinzposse aus Ostwestfalen
Das Mindener Tageblatt (MT) startete eine ganze Serie von großen Artikeln: die Lokalredakteure Thomas Lieske und Dirk Haunhorst schrieben 11 Stück in nur 3 Monaten. Dabei blieb die Zahl derjenigen, die öffentlich gegen die Sperrung protestierten, eigentlich sehr überschaubar. Die Zeitung nannte nur 7 Personen mit Namen: einen Heimatpfleger, einen Natur- und Landschaftsführer, einen amtierender und einen Altbürgermeister, ein Stadtratsmitglied, zwei Landtagsabgeordnete und einen Vereinsvorsitzenden. Eine Anwaltskanzlei verfasste ein Gutachten, eine Online-Petition wurde gestartet, der Stadtrat von Porta Westfalica beschwerte sich beim Petitionsausschuss des Landes, Leserbriefe wurden geschrieben, eine Klage wurde eingereicht, eine Informationsversanstaltung des Umweltministeriums wegen Corona abgesagt.
Am Ende gab es für die beiden umtriebigen Zeitungsredakteure keine neuen Sensationen mehr zum Wolfsschluchtweg und weitere Artikel blieben aus. Und auch ich beendete meine Analysen und Kommentare.2siehe mein Schlusskapitel Der Streit um den Wolfsschluchtweg – eine Provinzposse aus Ostwestfalen – Ausblick
Und nun? 3 Jahre später? Die Sache ging aus wie das Hornberger Schießen. Sturm im Wasserglas. Viel Lärm um nichts. Der Wolfsschluchtweg bleibt gesperrt. Nichts ist passiert. Oder fast nichts. Denn das Ministerium hat Info-Tafeln aufgestellt.3siehe Info-Tafeln am Wildnisentwicklungsgebiet „Wälder bei Porta Westfalica“ Und zwar am Rundwanderweg A2, dem sogenannten Königsweg. Diesen Weg gibt es zwar schon seit vielen vielen Jahren, aber nun hat er 9 hübsche Tafeln.
Eine ganz einfache Frage
Die Frage, um die es 2020 eigentlich ging, war die folgende:
Kann es einen Wanderweg mitten durch ein Wildnisentwicklungsgebiet (WEG) geben, wenn
a) in einem WEG alte Bäume einfach umfallen dürfen, und
b) an einem Wanderweg alte Bäume, die umzufallen drohen, gefällt werden müssen, damit Wanderer nicht von ihnen erschlagen werden.
Antwort: Kann es nicht.
Feigenblatt für ein Mainstream-Medium
Eine sehr merkwürdige Position nahm in der ganzen Geschichte das MT ein: die Tageszeitung positionierte sich – mehr oder weniger deutlich – gegen die Landesregierung und gegen den Landesbetrieb Wald-und-Holz. Und gegen Naturschutz. Das ist sehr sonderbar! Denn sonst gibt es praktisch kein Thema, wo sich das MT gegen Maßnahmen der Regierung stellt. Die Zeitung ist ein typisches Mainstream-Medium. Ob beim Klima, bei der Migration, bei der Inflation, beim Ukraine-Krieg – das MT druckt sonst die Pressemeldungen der Regierung ab. Sonst sind Kritiker an Maßnahmen der Regierung immer Nazis, Verschwörungstheoretiker oder Agenten Russlands. Sonst macht man sofort einen “Faktencheck”. Nicht so bei den Zeitungsartikeln zur Sperrung des Wolfsschluchtwegs. Da durften Heimatpfleger und Altbürgermeister erzählen, was sie wollten. Das sollen sie auch, aber ausgewogen, nüchtern und sachlich war die Berichterstattung nun wirklich nicht. Damit übernehmen Zeitungsartikel wie die zum Wolfsschluchtweg eine wichtige Funktion: sie dienen als Feigenblatt. Seht her, wir berichten auch kritisch über die Regierung!
Das Stiefkind: das Wildnisentwicklungsgebiet
Zu kurz kam bei der ganzen Provinzposse das, was doch eigentlich im Mittelpunkt stehen und Grund zur Freude sein sollte: das Wildnisentwicklungsgebiet und seine Schönheit.