Kritische Auswertung der dokumentierten Waldkontrolle
Ich gliedere die Auswertung in sechs Kapitel:
- Einleitung
- Enttäuschte Erwartungen
- Ein unverständliches Dokument
- Gefahrenbäume an der B482
- Fazit
- Nachtrag
Einleitung
Der Landesbetrieb Wald und Holz empfiehlt Baumkontrollen alle 18 Monate:
“Die Ergebnisse jeder Kontrolle sollten dokumentiert werden.”1Landesbetrieb Wald-und-Holz NRW, FAQ – Verkehrssicherung bei Waldbäumen, S. 3
Ich hatte gedacht, dass die Stadt Porta Westfalica diese Kontrollen regelmäßig durchgeführt und auch dokumentiert hat. Schließlich gilt:
“Die Dokumentation kann in einem möglichen Schadensfall als Nachweis der VSP [= Verkehrssicherungspflicht] dienen.”2ebd.
In diesen Dokumentationen erhoffte ich mir Hinweise darauf, ob die im November 2023 kahlgeschlagene Fläche bereits in den Jahren zuvor auffällig geworden war. Man sollte erwarten, dass auf einer so großen Fläche, deren Bäume 2023 alle und ohne Ausnahme zu “Megagefahrenbäumen”3a. a. O., S. 2 erklärt worden waren, schon länger Bäume mit “Anzeichen von Defektsymptomen”4a. a O., S. 2 erkannt und dokumentiert worden waren.
Enttäuschte Erwartungen
Ich war dumm und naiv. Denn ich hatte erwartet, dass eine Dokumentation über eine Waldkontrolle auch für den interessierten Laien verständlich ist. Eine Karte wäre schön gewesen. Eine Karte mit Gefahrenbäumen, am besten durchnummeriert. Und dazu dann eine Tabelle mit den durchnummerierten Gefahrenbäumen und deren Schadsymptomen. Das wäre doch alles sehr hilfreich gewesen. Wenn man dann noch Karten aus verschiedenen Jahren gehabt hätte, hätte man sehr schön sehen können, wie sich der Waldbestand oberhalb der B 482 in den Jahren vor 2023 veränderte. Im Idealfall hätte man eine rasante Zunahme von Gefahrenbäumen feststellen können.
Nicht eine dieser Erwartungen hat sich erfüllt. Nicht eine. Denn ich habe nur eine einzige Dokumentation erhalten. Und die stammt aus dem Jahr 2020. Sie umfasst keine Karte, keine durchnummerierten Gefahrenbäume und keine Schadsymptome. Nur unverständliches Zeug. Anders als die RKI-Protokolle muss man dieses Dokument nicht schwärzen.5vergleiche Mehr als tausend Passagen geschwärzt: Multipolar veröffentlicht freigeklagte RKI-Protokolle im Original Es ist auch ungeschwärzt nahezu vollkommen unverständlich.
Ein unverständliches Dokument
Ein bisschen übertreibe ich. Das Dokument ist nicht komplett unverständlich. Aber ich übertreibe nur ein bisschen: Im Grunde ist dieses Dokument eine Zumutung.
Die Waldkontrolle wurde durchgeführt vom Umweltschutzbeauftragten der Stadt, Dr. von Lochow.6Von Lochow wurde 2021 pensioniert. Siehe 35 Jahre im Dienst der Natur: Dr. Albrecht von Lochow nimmt Abschied, Mindener Tageblatt vom 26.8.2021 Leider verwendet er Ortsangaben, die selbst für Einwohner von Porta Westfalica nicht immer einfach zu verstehen sein dürften. Ein wenig Abhilfe leistet eine Karte von OpenStreetMap:
Auf der Karte sind zehn Ortsangaben eingezeichnet, die im Dokument genannt werden:
- Portakanzel
- Hochbehälter
- Schlageterdenkmal
- Steinbruch am Hochbehälter
- Schwollmannsweg
- Pinselburg
- Treppe an B482
- Pionierweg
- Treppe Richtung Berghotel
- Berghotel
Der Sigwardsweg, den Dr. von Lochow gleich am ersten Tag der Waldkontrolle am 6.4.2020 erwähnt, ist ein Pilgerweg und nicht in der Karte von OpenStreetMap eingezeichnet. Dr. von Lochow ist ihn offenbar von der Portakanzel (1) zum Hochbehälter (2) gegangen.7siehe Sigwardsweg – Etappe 2 – Von Hausberge nach Bückeburg In der OpenStreetMap-Karte heißt dieser Weg nicht Sigwards- sondern Dr.-Eduard-Braun-Weg. Mit “Hauptweg östlich vom Hochbehälter” meint Dr. von Lochow vermutlich den Grottenweg.
Das Verständnis des Dokuments wird durch die sprunghaften, nicht zusammenhängenden Ortsangaben erheblich erschwert. So endet die Waldkontrolle am 6.4. auf dem “Hauptweg östlich vom Hochbehälter neben Bank”. Der nächste Tag beginnt aber “100 m östlich Schlageterdenkmal” (3). Das passt nicht zusammen: der erste Tag endet auf dem Grottenweg, der zweite beginnt auf dem Kammweg. Und von dort geht es wieder zurück zum Grottenweg: “Steinbruch am Hochbehälter” (4). Dann geht Dr. von Lochow scheinbar 100 m nach Westen: “Einmündung Schwollmannsweg” (5), nur um dann wieder zurück zum Steinbruch zu springen: “links neben Steinbruch”.
Ein steter Quell der Verwirrung sind die Angaben “rechts” und “links”. Was fängt man z. B. an mit “rechts st Buche F” am 8.4.? Rechts von der “Trockenmauer an der Pinselburg” vielleicht? Selbst wenn man wüsste, wo diese ominöse Trockenmauer ist, wüsste man immer noch nicht, wo genau nun die starke Buche steht, die gefällt werden soll. Zumal dort insgesamt 11 Buchen gefällt werden sollen! Und alle stehen “rechts”. Irgendwo “rechts”. Und so geht es weiter und weiter. Was fängt man an mit “oberhalb Bank 2 m Buchen F”. Stehen die beiden Buchen direkt an der Bank? In 1 m Abstand? 2 m? 10 m? Hat Dr. von Lochow sie markiert? Gibt es vielleicht zusätzlich zum Dokument mit seinen kryptischen Angaben noch eine Karte, auf der die betreffenden Bäume eingezeichnet sind?
Ich stelle mir einen Waldarbeiter vor. Und der liest dann: “100 m östlich Portakanzel neben Pömpel st Eiche T”. Gut – die Portakanzel ist leicht zu finden. Aber was dann? Orientieren sich Waldarbeiter mit Kompass und Maßband im Wald? Und was bitteschön ist ein “Pömpel”? Selbst Ortsangaben, die auf den allerersten Blick genau erscheinen, sind dies nicht: “an Portakanzel schw Buche F”. Direkt an der Kanzel? Im Umkreis von 5 m? 10 m? Und es gibt dort viele schwache Buchen. Welche soll gefällt werden? Ist das etwa in das Ermessen der Waldarbeiter gestellt?
Gefahrenbäume an der B482
Im Zusammenhang mit dem Kahlschlag im November 2023 ist eigentlich nur interessant, ob sich bereits im April 2020 in dem später kahlgeschlagenen Hang oberhalb der B482 ein “Handlungsbedarf”8Brief der Bürgermeisterin vom 18.1.2024 abgezeichnet hat. Nicht unbegründet ist ja die Vermutung, dass dort schon 2020 Bäume “geschädigt” oder sogar “stark geschädigt” waren. Schließlich begannen die trockenen Sommer schon im Jahr 2018 und die “Dringlichkeit der Lage” entstand nicht über Nacht. Was also schreibt Dr. von Lochow über “Gefahrbäume” nahe der B482?
Die B482 taucht in dem Dokument nur ein einziges Mal auf – nämlich am 14.4:
“von Treppe an B 482 links m Hainbuche hängt über Weg F” (7)
Dieser Satz bleibt unklar wie so vieles in dem Dokument. Wächst die Hainbuche an der Treppe und hängt über dem Bürgersteig an der B482? Oder hängt sie über der Treppe? Und was meint Dr. von Lochow mit “links”? Ist die Hainbuche links von der B482? Oder links von der Treppe? Oder geht man links die Treppe hoch und muss dann unter der Hainbuch hergehen, die über dem Weg hängt? Auf jeden Fall scheint es um Fußgänger zu gehen und nicht um Autos, denn zumindest eines ist klar: die Buche hängt nicht über der B482, sondern “über Weg”.
Vermutlich ist Dr. von Lochow die Treppe hochgegangen, denn wenn man dies tut, kommen die Fangzäune in den Blick, die dort aufgestellt sind:
“rechts hinter Fangzaun 3 tote Buchen F”
Wie fast immer ist unklar, was gemeint ist. Denn es gibt hier mehrere Fangzäune und die stehen rechts und links des Wegs.
“über alte Treppe hängt m Hainbuche F”
Wo ist hier eine “alte Treppe”? Ist das eine andere Treppe als die zuvor erwähnte “Treppe an B 482“? Wie dem auch sei – auf jeden Fall “hängt” hier wieder eine Hainbuche, die gefällt werden muss.
An der Treppe beginnt der Pionierweg (8). Man möchte also meinen, dass Dr. von Lochow nach der Treppe den Pionierweg weitergegangen ist. Er wäre dann mitten durch den Wald gegangen, den die Stadt drei Jahre später kahlgeschlagen hat. Und wie oben schon gesagt, möchte man weiter meinen, dass er dann zumindest ein paar Bäume entdeckt hätte, die schon damals “Gefahrbäume” waren. Kurzum: man möchte also meinen, dass nun der eigentlich spannende Teil des Dokuments kommt. Aber es kommt dann das:
“Zickzackweg von Forststr. zum Schwollmannsweg, von oben rechts st Buche Tiefzwiesel F”
Wie schon mehrfach gesagt: das Dokument ist insgesamt sehr schwer verständlich. Aber dieser Eintrag “Zickzackweg von …” ist einer der unverständlichsten. Man erwartet nun eigentlich “Pionierweg links st Buche F” oder “Pionierweg rechts m Buche F”, aber nichts davon kommt. Stattdessen ein Sprung zum “Zickzackweg” und zur “Forststraße”. Es gibt dort aber keinen “Zickzackweg”. Es gibt dort auch keine “Forststraße”. Die einzige Forststraße in der Nähe ist der Grottenweg und der beginnt oben an der Pinselburg (6). Von dort führt ein Wanderweg zum Pionierweg und von dem kann man zum Schwollmannsweg (5) abbiegen. Meint Dr. von Lochow mit “Zickzackweg” vielleicht diesen Wanderweg? Und wenn, was bedeutet dann “von oben rechts”.
Fazit
Wie dem auch sei. Das ist auch gar nicht so wichtig und war nur ein Problem für die armen Waldarbeiter, die aus diesem Dokument schlau werden sollten. Im Zusammenhang mit dem Kahlschlag ist nur wichtig, dass Dr. von Lochow im April 2020 am Pionierweg oberhalb der B482 offenbar keine Gefahrenbäume ausgemacht hat. Zumindest habe ich in dem Dokument keine Eintragungen diesbezüglich gefunden. Dr. von Lochow überspringt den Bereich oberhalb der B482. Der Abschnitt zwischen “Treppe an B 482” und “Zickzackweg” bzw. “Schwollmannsweg” kommt im Dokument nicht vor.
Nachtrag
Das Dokument erwähnt die Fangzäune oberhalb der B482. Wofür sind die eigentlich da? Einmal angenommen, ein Baum fällt um, und weiter angenommen, er bleibt nicht einfach so liegen, sondern fängt tatsächlich an zu rutschen – so wie die Stadt, die Untere und die Obere Naturschutzbehörde, das Umweltministerium, der Landesbetrieb Wald und Holz, die Wissenschaft und überhaupt alle Experten das behaupten. Er rutscht also tatsächlich von oben den ganzen Hang hinunter. Würde ihn dann nicht ein Fangzaun auffangen? Zerreißen rutschende Bäume Stahlnetze?
Fangzaun am Pionierweg im November 2023Nach oben
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