Artenvielfalt auf belassenen Borkenkäferflächen

Käfer

4.620 Käfer leben in deutschen Wäldern; 1.377 davon sind xylobiont, d. h. “in mindestens einer Lebensphase auf Alt- oder Totholz angewiesen”. ((Schlüsselwerte, S. 58)) Auf den Flächen, auf denen die Windwürfe liegenbleiben, leben über doppelt so viele gefährdete holzbewohnende Käfer wie auf den Flächen, wo die Windwürfe aufgearbeitet werden. ((Schlüsselwerte, S. 26)) Dabei “sind es gerade die Nadelholzspezialisten, die von Auflichtung profitieren.” ((Schlüsselwerte, S. 36)) Die Auflichtung allein reicht allerdings nicht; entscheidend ist das hohe Totholzangebot: Wiesen nützen holzbewohnenden Käfern selbstverständlich nichts. Der Schwellenwert für die 350 Holzkäfer auf der Roten Liste liegt bei 37 m3 Totholz/ha. ((Schlüsselwerte, S. 49))  Zum Vergleich: Im Staatswald gibt es 15 m3 Totholz/ha, im Privatwald 8 m3/ha.

Man kann die xylobionten Käfer in folgende vier Gruppen aufteilen:

  1. Frischholzbesiedler
  2. Altholzbesiedler
  3. Räuber
  4. Pilzbesiedler

Frischholzbesiedler

Man unterscheidet Frischholzbesiedler auf frisch absterbenden Totholz von Altholzbesiedlern auf “stärker zersetztem Holz”. ((Schlüsselwerte, S. 92)) Zu ersteren gehören beispielsweise die 41 verschiedenen Borkenkäfer im NLP ((Schlüsselwerte, S. 55)). Der häufigste ist der Buchdrucker (Ips typographus).

Ips.typographus
Buchdrucker (Ips typographus)

Windwürfe mit nachfolgenden Massenvermehrungen des Buchdruckers sind in den Hochlagen des Bayerischen Waldes natürliche Vorgänge, die auch schon früher regelmäßig vorkamen. Sie sind keineswegs unnatürliche Katastrophen und auch nicht die Folge von Forstwirtschaft oder Klimawandel. ((Schlüsselwerte, S. 24)) Der Buchdrucker gilt als Schlüsselart (“Keystone-Species“): 140 Arten sind direkt vom Wirken des Buchdruckers abhängig. ((Schlüsselwerte, S. 35)) Wie der Biber verändert er seine Umwelt drastisch: Er zählt zu den Ökosystem-Ingenieuren.

Auch ein naher Verwandter, der Kupferstecher (Pityogenes chalcographus), besiedelt das frische Fichtentotholz. Er ist mit 1,6 – 2,9 mm nur halb so groß wie sein 4,2 -5,5 mm großer Verwandter. Er befällt auch junge Fichten. In älteren Fichten frisst er sich durch die Rinde der Kronen und Zweige. Er ist der Grund, warum auf Windwürfen, die aufgearbeitet werden, auch die Kronen abgeräumt werden.

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Kupferstecher (Pityogenes chalcographus)

Der Kleine Kiefernborkenkäfer (Crypturgus cinereus) und der Raue Zwergborkenkäfer (Crypturgus hispidulus) sind viel seltener als der Kupferstecher. Wurden vom Kupferstecher 398 Exemplare auf den Borkenkäferflächen gefangen, so waren es vom Kiefernborkenkäfer nur drei und vom Zwergborkenkäfer nur fünf Exemplare. ((Borkenkäfer …, Tabelle 1, S. 10 f.))

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Rauer Zwergborkenkäfer (Crypturgus hispidulus), Foto mit freundlicher Genehmigung von Lech Borowiec

Auch die Larven von Bock- und Prachtkäfern brauchen frisches Totholz. ((Schlüsselwerte, S. 58)) Die Larven fressen die nährstoffreiche Bast- und Kambiumschicht. ((siehe Wikipedia-Artikel über die Biologie des Dornbrust-Prachtkäfers)) Wenn die NLP-Verwaltung Windwürfe und Borkenkäferflächen aufarbeitet, lässt sie gerne ein paar entrindete Stämme liegen. Das wird als besonders naturschonend verkauft. Aber zur Rinde gehören Borke, Bast und Kambium. Durch die Entrindung macht man nicht nur dem Borkenkäfer den Garaus, sondern auch den Bock- und Prachtkäfern.

Stamm

Die erwachsenen Bock- und Prachtkäfer fressen Pollen. Deshalb sind Lichtungen mit viel Sonne für sie wichtig, sodass viele Blütenpflanzen wachsen können ((Schlüsselwerte, S. 65))  Drei Beispiele aus den Familien der Bock- und Prachtkäfer seien genannt:

Tetropium castaneum natur
Gemeiner Fichtensplintbock (Tetropium castaneum)

Monochamus sutor male up
Einfarbiger Langhornbock (Monochamus sutor)

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Runzliger Dornbrust-Prachtkäfer (Chrysobothris chrysostigma)

Die zwei zuletzt gezeigten Käfer zählen ausdrücklich zu den Indikatorarten: ((Schlüsselwerte, S. 92)) Sie zeigen “hinsichtlich der waldökologischen Schwellenwerte günstige Zustände und wichtige Strukturen an” und repräsentieren “naturschutzfachlich gute Erhaltungszustände”. ((Schlüsselwerte, S. 77, Hervorhebungen von mir))

 

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