Sinner


“Nach wenigen Jahren mussten wir einsehen, dass all unsere Versuche durch Waldpflege im NLP Bayerischer Wald den Wald naturnäher machen zu wollen, gleichsam ‘künstlich mehr Natur schaffen zu wollen’, scheitern müssten. Sie war nichts anderes als der Versuch, mit der Motorsäge eine Präzisionsuhr reparieren zu wollen.”
Hans Bibelriether ((Hans Bibelriether, Natur Natur sein lassen, in: Peter Prokosch (Hg.), Ungestörte Natur – Was haben wir davon, Tagungsbericht 6 der Umweltstiftung WWF-Deutschland, Husum 1992, S. 92))

Eberhard Sinner spricht über sich selbst

Eberhard Sinner tut vor dem Landtag so, als würde er nur die berechtigten Sorgen der Anwohner des NLPs referieren. In Wirklichkeit aber spricht er nicht über die Sorgen der Bürger, sondern über die der Förster. Und nicht zuletzt spricht er von sich selbst. Ihn treiben nicht die Erinnerungen der Einheimischen an den Windwurf von 1870 um. Gleich zweimal in seiner Rede kommt er auf das angebliche historische Trauma der “Borkenkäferkatastrophe” von 1870 zu sprechen:

“[…] und sie ((= Anwohner des NLPs, Anmerkung von mir)) denken dabei an die Situation vor über 120 Jahren […]” ((Protokoll, S. 6120, linke Spalte, 4. Absatz)) und “denn sie haben diese Erinnerung” ((Protokoll, S. 6120, rechte Spalte, 1. Absatz))

Sonderbar ist nur, warum er dann nicht aus diesem reichhaltigen Fundus von Erinnerungen der Bürger schöpft und diese zitiert. Stattdessen zitiert er einen Kollegen, den “Forstexperten” Dr. Adolf Schwappach. Und er zitiert ihn, weil Schwappach ihm selbst aus dem Herzen spricht:

“Es ist ein Anblick, wie er kaum trauriger für das Auge eines Forstmanns gedacht werden kann.” ((Protokoll, S. 6120, linke Spalte, 5. Absatz))

Es geht um das “Auge des Forstmanns”, nicht das der Bürger. Dass die Bürger der NLP-Gemeinden Erinnerungen an den Windwurf von 1870 haben, darf mit Fug und Recht bezweifelt werden. Dies würde eine ununterbrochene, mündliche Traditionen über vier Generationen hinweg voraussetzen! Und selbst wenn es diese gäbe: Mit Ausnahme der Förster waren die Einheimischen über die Windwürfe gerade nicht traurig. Eberhard Sinner betreibt Geschichtsklitterung:

“In der Bevölkerung wird die Borkenkäfer-Massenvermehrung Anfang der 70er Jahre als die goldene Käferzeit bezeichnet, weil seinerzeit jeder, der arbeiten konnte, auch Arbeit im Staatswald fand.” ((Wolfgang Bäuml, Die Forstgeschichte))

Zusätzlich gaben die 1.000 österreichischen Gastarbeiter einen Teil des Geldes, das sie verdienten, in den Gasthöfen und Wirtshäusern des bitterarmen Bayerischen Waldes gleich wieder aus. Und für die Frauen in den Dörfern am Ende der Welt werden die Österreicher eine hochwillkomene Abwechslung gewesen sein.

“Schrecklich”, “schockierend”, “traurig” – dies sind die Empfindungen des Forstdirektors Eberhard Sinner. Er ist der Autor von Sätzen wie diesem:

“Wenn sich die Borkenkäfer aufgrund staatlicher Verordnungen austoben und den Wald vernichten dürfen, gibt es große Probleme hinsichtlich des Verständnisses für eine Erweiterung des Nationalparks.” ((Protokoll, S. 6120, rechte Spalte, 1. Absatz))

Sinner zitiert hier nicht irgendwelche wütenden Waldler. Er spricht von sich: Er selbst ist es, der buchstäblich kein Verständnis für tobende Käfer hat.

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