Warum ich Ihnen – fast – nichts mehr erklären kann

Im Februar 2021 hatte ich geschrieben, dass ich fortan keine neuen Artikel mehr schreiben würde. Erst dann würde ich wieder Artikel veröffentlichen, wenn ich “ohne Maske, ohne Abstand, ohne Impfung und ohne Impfausweis in meinem Lieblingscafé sitzen könnte”. Dass ich kurze Zeit später einen negativen Covid-Test brauchen würde, um in meinem Lieblingscafé sitzen zu dürfen, konnte ich damals nicht ahnen. Ich hätte es mir auch nicht vorstellen können. Wie ich mir damals vieles nicht habe vorstellen können.

Nun schreibe ich also wieder. Wie angekündigt. Weil ich wieder in meinem Lieblingscafé sitzen kann. Ich wurde nicht von der Polizei zur Zwangsimpfung abgeholt. Ich musste kein Bußgeld zahlen, weil ich mich nicht habe impfen lassen. Und meine Frau ist nicht arbeitslos geworden, obwohl sie im Gesundheitswesen arbeitet und auch nicht geimpft ist. Und es haben auch nur ganz wenige Mitglieder ihr Abonnement meiner Webseite gekündigt. Obwohl ich 2 Jahre lang nichts geschrieben habe. Danke!

Nun schreibe ich also wieder. Aber anders. Nicht mehr so wie vor Corona. Früher hätte ich nie einen Artikel wie diesen hier geschrieben: “Ich kann Ihnen das nicht erklären.” Nie hätte ich geschrieben:

“Die Zeiten, wo ich auf Ämtern angerufen habe, um einen zu finden, der sich für diesen Schatz interessiert, sind vorbei. Die Zeiten, wo ich nachgefragt habe. Sie sind vorbei. Ich rufe nicht mehr an. Ich schreibe auch keine Briefe mehr. Ich sitze einfach auf der Bank und gucke.”

Früher hätte ich nie nur auf der Bank gesessen und geguckt. Einfach so. Etwas hat sich geändert. Ich will Ihnen mit einer kleinen Geschichte erklären, was sich geändert hat.

Im Krankenhaus komme ich ins Gespräch mit einer der Angestellten. März 2023. Zur Zeit müssen nur die Patienten eine Maske tragen, die Krankenhausmitarbeiter dagegen nicht. Das könne man niemandem mehr erklären. Sie verdreht die Augen.

Ohne dass ich gefragt habe, erzählt sie, dass sie viermal geimpft ist. Sie scheint das begründen zu müssen. Denn sie schiebt nach, dass sie Immunsuppressiva nimmt. Die Nebenwirkungen seien auch nur ganz leicht gewesen. Aber im letzten Sommer habe sie sich dann doch infiziert. 14 Tage lang sei sie krank gewesen. Und zwar so schwer, dass sie den Urlaub habe ausfallen lassen müssen. Schlimm sei es gewesen. Aber sie möchte gar nicht wissen, wie schlimm es geworden wäre, wenn sie sich nicht viermal hätte impfen lassen.

Jetzt hätte ich die Augen verdrehen können. Und hätte fragen können: Können Sie das irgendjemandem erklären? Ich habe es nicht getan.

Denn man kann es sich gegenseitig nicht erklären: die Geimpften nicht, warum sie sich haben impfen lassen, und die Nicht-Geimpften, warum sie sich nicht haben impfen lassen. Wenn beide es doch versuchen, den anderen zu überzeugen, endet das Streitgespräch im besten Fall unentschieden: we agree to differ. Im schlimmsten Fall hagelt es Beschimpfungen. Covidiot, Verschwörungstheoretiker, Wissenschaftsfeind, Nazi.

Damit es dazu nicht kommt, habe ich zu der Angestellten im Krankenhaus dann lieber nichts mehr gesagt. Es gibt einen Bruch zwischen Geimpften und Ungeimpften. Und der ist nicht zu überbrücken.

Und dieser Bruch hat Folgen: Die freundliche Angestellte, die mir so stolz erzählt, dass sie viermal geimpft ist, ist für die Belegungsplanung im Krankenhaus zuständig. Jetzt ist meine Aufnahme im Mai 2023 kein Problem. Aber im Winter 2021 wäre es ein Problem gewesen. Damals hätte sie meine Aufnahme abgelehnt. Nicht sie persönlich. Denn sie führte ja nur Anweisungen aus. Vielleicht hätte sie sich damals sogar entschuldigt: “Sie sind nicht geimpft? Dann tut es mir leid. Es herrscht 2 G. Ich kann sie nicht aufnehmen. Ich kann da nichts machen. Da habe ich keinen Spielraum. Die Direktion hat das so entschieden.” Und die Direktion konnte auch nichts dafür, denn das Gesundheitsamt hatte entschieden und die Landesregierung hatte und die Bundesregierung hatte und die EU hatte und die WHO hatte. Und dann hätte die freundliche Angestellte vielleicht gefragt: “Ja aber warum lassen Sie sich denn nicht einfach impfen? Dann kann ich sie sofort aufnehmen! Was haben Sie denn gegen die Impfung?” Und da wäre er wieder gewesen: der Bruch zwischen Geimpften und Ungeimpften.

Und auch die freundliche Angestellte in meinem Lieblingscafé hätte mir im Winter 2021 keinen Kaffee und auch keine Torte verkauft. Ich hätte im Café nicht sitzen dürfen. Auch nicht mit Maske. Nicht einmal mit einem negativem Covid-Test. 2 G. “Bitte verlassen Sie das Café!” Und wenn ich mich geweigert hätte, hätte sie die Polizei geholt. “Es tut mir leid! Ich kann da nichts machen. Ich bin dafür nicht verantwortlich.”

Wenn man so etwas erlebt hat, dann hat das Folgen. Dann macht das etwas mit einem. Dann geht etwas in einem kaputt. Das heilt auch nicht mehr. Dann schreibt man keine Briefe mehr ans Forstamt, wenn Bäume gefällt werden. Das lohnt nicht. Nicht mehr. Stattdessen gehe ich in meinen Lieblingswald: “Ich sitze einfach auf der Bank und gucke.”

Und zu guter Letzt: Ich schreibe ganz gewiss auch keinen Artikel Die Waldschutzbewegung als Avantgarde der Angst. Norbert Bolz hat sich impfen lassen. Pfizer. Save and effektive.

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