Ich kann Ihnen das nicht erklären, warum dieser wunderschöne alte Wald noch so da steht. Viele Hektar.
Viele alte Buchen, dicke Buchen, knorrige Buchen, urige Buchen. Ein Wald wie gemalt von einem wie Caspar David Friedrich.
Ich kann Ihnen das nicht erklären, warum die Buchen noch nicht gefällt wurden. Gut, für Bauholz sind sie zu krumm und zu schief und zu faul. Aber Brennholz geht doch eigentlich immer. Zumal bei den heutigen Preisen.
Vielleicht ist es zu steil. Vielleicht ist es zu steinig. Oder zu rutschig. Vielleicht wird das alles zu teuer. Forstwege bauen, Rückegassen anlegen. Und alles im FFH-Gebiet.
Und trotzdem: Ich kann Ihnen das nicht erklären. Anderswo ist das alles kein Hindernis. Anderswo geht es.
Hier nicht. Hier stehen sie, die alten Buchen. Ab und zu fällt auch mal einer um. Dann verfault er einfach. Und niemanden stört es. Niemand räumt auf. Und der Förster ist so nett und schneidet nur die Wege frei. Manchmal.
Manchmal liegt so ein umgestürzter Riese auch wochenlang quer über dem Weg. Dann muss ich klettern. Dann ist das eben so.
Für Verkehrssicherheit hat sich hier noch nie jemand interessiert. Hier stehen die Megagefahrenbäume direkt neben der Bank. Und auf der sitze ich und gucke.
Auch für Durchforstung hat sich hier noch nie jemand interessiert. Oder Baumpflege. Freistellen und so. Gewirtschaftet wird hier nicht.
Und so steht er hier, direkt vor meiner Haustür: mein Märchenwald. Mein kleiner Urwald.
Für Wälder wie diese bin ich kreuz und quer durch Deutschland gefahren. Ich dachte, so etwas gibt es nur in Nationalparks. Falsch gedacht.
Es gibt hier Buchen, die genauso im Urwald von Uholka stehen. Und vermutlich wimmelt es hier auch von seltenen Käfern. Aber niemand sucht sie. Ich auch nicht. Ich sitze einfach auf der Bank und gucke.
Und vermutlich gibt es hier auch Pilze, die auf der Roten Liste stehen. Aber niemand bestimmt sie. Ich auch nicht. Ich sitze einfach auf der Bank und gucke.
Die Zeiten, wo ich auf Ämtern angerufen habe, um einen zu finden, der sich für diesen Schatz interessiert, sind vorbei. Die Zeiten, wo ich nachgefragt habe. Sie sind vorbei.
Ich rufe nicht mehr an. Ich schreibe auch keine Briefe mehr. Ich sitze einfach auf der Bank und gucke.
Die Zeiten, wo ich Zeitschriften über Forstwirtschaft gelesen habe, sind auch vorbei. Es lohnt nicht. Ich sitze einfach auf der Bank und gucke.
Es ist nicht so, dass man die Bäume nicht fällen könnte. Von wegen zu steil, zu steinig, zu rutschig, zu teuer. Man könnte schon, wenn man wollte. Nur wollen müsste man. Vor 2 Jahren wollte man.
Aber irgendwie wollte man auch nicht so richtig. Kein Forwarder, kein Harvester. Wie im Mittelalter.
Kaum hatte man angefangen, da hatte man auch schon wieder aufgehört. Im benachbarten Bückeburg schüttelten sie die Köpfe. Die Männer mit den ganz harten Maschinen.
Und auch ich wollte damals nicht so richtig. Kein Anruf beim Forstamt: “Was machen Sie da?” Kein Anruf bei der Zeitung: “Die machen da!” Und auch kein Anruf beim Umweltamt: “Dürfen die da?” Vor 2 Jahren hatte ich andere Sorgen. Impfpflicht und so. Aber das ist eine andere Geschichte.