Der Wald wird gefegt

“Die von Generationen von Förstern als absolutes Tabu betrachtete Nutzung kompletter Bäume wird […] salonfähig.”
Peter Wohlleben ((S. 54))

Tabubruch Vollbaumnutzung

Mantau nennt vier Faktoren, von denen die Ausbeutung des Waldrestholzes abhängt:

“Es ist anzunehmen, dass die Ausweitung der Nutzung des Waldrestholzes gegenwärtig vor allem durch die Aufbereitungskosten begrenzt ist. Inwieweit das Potential ausgeschöpft wird, liegt letztlich an den erzielbaren Preisen, der verfügbaren Technologie, dem Willen der Waldbesitzer und den politischen Rahmenbedingungen.” ((S. 20))

Reden wir also über:

  1. Preise,
  2. Technik,
  3. Waldbesitzer und
  4. Politik.

Zu 1: Preise und Vollbaumnutzung

Die Preise für Brennholz haben sich im Bundesdurchschnitt in den letzten 10 Jahre verdoppelt. ((siehe Brennholz: Preisverdopplung in 10 Jahren)) Ein unverdächtiger Zeuge dafür ist Ulrich Mergner, Leiter des Forstbetriebs Ebrach der Bayerischen Staatsforsten:

“Derzeit boomt der Brennholzhandel mit osteuropäischen Ländern. Wenn im Großraum München inzwischen über 75,- € pro m3 Brennholz bezahlt werden, rechnet sich der weite Transportweg.” ((Ulrich Mergner, Waldtrittsteine statt Großschutzgebiete, in: AFZ – Der Wald 21/2015, S. 21))

Die intensive Nutzung von Waldrestholz im heimischen Wald rechnet sich erst recht. Mergner selbst kann da ein Lied von singen: Nicht nur der Brennholzhandel mit Rumänien boomt – in seinem Betrieb sind die Preise für Selbstwerber, die ihr Brennholz in Eigenarbeit im Wald schneiden, seit 2005 um das Dreifache angestiegen. ((Energie aus dem Wald, BR 2014, Minute 30)) Forstunternehmer wie Heribert Förster aus Burgwindheim bedauert es denn auch, dass angesichts der enormen Nachfrage nach Brennholz nutzbares Waldrestholz im Wald liegen bleiben soll:

“Gut – wir sind halt im Forstbetrieb Ebrach. Und da ist halt der Artenschutz und das Totholz großgeschrieben. Meiner persönlichen Meinung nach ist das schon manchmal ein bisschen übertrieben. Wir brauchen einen gewissen Totholzanteil, wir brauchen irgendeinen Lebensraum für Tiere – aber wie gesagt, meiner Meinung nach wird es zum Teil schon übertrieben. Die Mengen, die da liegen, sind zum Teil ja bares Geld.” ((Energie aus dem Wald, BR 2014, Minute 34))

Dass Mergner es übertreibt, meinten offensichtlich auch die Staatsforsten: 2012 forderten die Staatsforsten Mergner auf, 1.300 potentielle Biotopbäume “umzulegen”, Mergner wollte höchstens 220 opfern. ((Ein Forstmann steht im Walde …, SZ vom 18. Oktober 2012))

An zu niedrigen Preisen wird die Ausbeutung des Waldrestholzes gewiss nicht scheitern.

Zu 2. Technik und Vollbaumnutzung

Auch die Technik für die intensive Ausbeutung des Waldrestholzes ist vorhanden: Neben Harvestern handelt es sich um Mobilhacker. Wie ein mobiler Baumhacker funktioniert, zeigt ein Ausschnitt aus der Dokumentation des Bayerischen Rundfunks “Energie aus dem Wald” ab Minute 10. Er verarbeitet in nur einer Stunde 100 m3 Holz zu Hackschnitzeln. Der Film zeigt, dass sämtliches Reisig und Kronenholz zerhackt wird.  Josef Irlacher kann mit seinem Hacker HEM 561 Z der Firma Jenz aber nicht nur Äste und Reisig, sondern auch sägefähiges Stammholz bis zu 56 cm Dicke zerhacken:

Irlacher fasst in schnörkelloser Sprache zusammen, was “intensive Waldrestholznutzung” bedeutet:

“Was früher im Wald verfault ist, wird jetzt alles hinaus gezogen und alles gehackt.” ((Energie aus dem Wald, Minute 13:20))

Auch an der Technik wird die Ausbeutung des Waldrestholzes nicht scheitern.

Zu 3: Waldbesitzer und Vollbaumnutzung

Viele private Waldbesitzer haben den Willen, das Waldrestholz zu nutzen. Und sie reden Tacheles und maskieren ihre Absichten nicht mit Fachchinesisch:

“Das ist alles eigenes Holz, ja, das anfällt. Es ist allein schon – wir haben ca. 6 ha Holz – allein schon bei der Jungwaldpflege, Durchforstung, da fällt so viel Material an. Oder auch bei der Hackschnitzelheizung kann man halt dann alles verwenden, kleine Äste, wo es sich nicht rentieren würde, da Scheite draus zu machen. Und das ist halt das Schöne daran! Gerade natürlich, wenn man ein Bauernhaus hat, braucht man verdammt viel. Deswegen jetzt mit Öl – ich schätze, dass wir 10.000 l Heizöl brauchen würden. Und vom Wirtschaftlichen her: Man hat das Holz, dann nutzt man es auch.” ((Energie aus dem Wald, BR 2014, Minute 12:24))

Man achte auf die Wortwahl: Der Bauer hat nicht 6 ha Wald, er hat 6 ha Holz. Früher wäre es ihm im Traum nicht eingefallen, den Jungwald zu pflegen. Und wenn doch, dann wäre es ohne Harvester und noch früher ohne Motorsäge eine elendige Knochenarbeit gewesen. Und niemand wäre auf die Idee gekommen, dünne Äste zu verfeuern. Früher als das Öl noch billig und die Hackschnitzelheizung nicht staatlich subventioniert war, wäre der Bauer stolz auf seine saubere und bequeme Ölheizung gewesen.

Nicht nur die privaten Waldbesitzer erliegen der Brennholzgier. Die staatlichen Forstverwaltungen bilden vielerorts die Speerspitze bei der intensiven Waldrestholznutzung. Peter Wohlleben nennt den Grund:

“Die zusätzliche Biomasse […] soll auch helfen, die Einnahmesituation der Forstverwaltungen zu verbessern und die Forderungen nach dem Abbau von Beamtenstellen verstummen zu lassen.” ((S. 50))

An den Waldbesitzern wird die Plünderung der letzten Reserven des Waldes auch nicht scheitern.

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