Der Wald wird gefegt

“Zu glauben, dass wir unsere Energieprobleme über die Nutzung der Biomasse Holz lösen können, das ist ein Irrglaube.”
Georg Sperber ((Energie aus dem Wald, BR 2014, Minute 40:55))

Boom beim Waldrestholz

Holz zählt zwar zu den nachwachsenden Rohstoffen. Aber das bedeutet nicht, dass es in unbegrenzten Mengen zur Verfügung steht. Der Verbrauch von Derbholz ist in den vergangenen Jahren so sehr gewachsen, dass die Grenze praktisch erreicht ist. Das sagt kein geringerer als Udo Mantau in seiner Holzrohstoffbilanz Deutschland. DIE WELT nennt ihn den “deutschen Holzpapst”. Mantau lehrt als Professor am Zentrum für Holzwirtschaft der Universität Hamburg. Er leitet dort die Abteilung für Ökonomie der Holz- und Forstwirtschaft und kennt die Zahlen wie kein zweiter. Selbst im optimistischsten Zukunftsszenario, ((s. Mantau, S. 17)) das Mantau durchrechnet, stehen nur 77,9 Mio. Fm Derbholz potentiell zur Verfügung. Genutzt werden aktuell 73,8 Mio. Mantau stellt klar, “dass Derbholz schon heute weitgehend genutzt wird.” Eine “intensivere Nutzung” ist kaum noch möglich. Siehe Zeile Derbholz in Tabelle 2-2:

Guckt man sich die Tabelle genauer an, stellt man fest, dass fast überall das Ende der Fahnenstange erreicht ist: Das potentielle Aufkommen von Altholz, Landschaftspflegematerial, Sägenebenprodukten usw. usf. wird bereits heute fast restlos genutzt und ist nicht mehr steigerbar.

Es gibt nur eine Ausnahme: Das ist das Waldrestholz. Genutzt werden heute pro Jahr 8 Mio. Fm, bei “sehr intensive[r] Waldrestholznutzung” ((S. 20)) wären 42,9 Mio. Fm möglich. Das ist mehr als das Fünffache. Das theoretisch nutzbare Potential liegt sogar bei 84,6 Mio. Fm. ((Mantau, S. 20)) Das weckt Begehrlichkeiten.

Aber was ist überhaupt Waldrestholz? Dazu muss man sich ein bisschen mit dem Fachchinesisch der Förster auseinandersetzen: Den Teil der Holzernte, der als Abfall früher einfach im Wald liegen gelassen wurde, bezeichnen sie als Schlagabraum. Dazu zählen:

  1. das Laub (Blätter oder Nadeln),
  2. die Rindenreste,
  3. der unterirdische Wurzelstock,
  4. das bei der Fällung am Wurzelstock belassene Schaftholz und
  5. das Waldrestholz.

Zum Waldrestholz gehören:

  1. die Baumkrone (Zopf),
  2. die Teile des Stammes, die wegen Holzfehlern früher unverkäuflich waren,
  3. Äste und
  4. Reisig.

Der einzige Unterschied zwischen Ästen und Reisig ist ihr Durchmesser: Reisig ist dünner als 7 cm, Äste sind dicker. Äste zählen somit zum zum Derbholz, Reisig nicht. Am Reisig der Fichten hängen immer auch die Nadeln. Auch Biotopbäume mit großen Spechthöhlen und verpilztem Stamm können zum Waldrestholz gezählt werden. Waldrestholz wird heutzutage “energetisch genutzt”. Das hört sich schöner als als zu sagen, es wird verbrannt.

Waldrestholz im Stadtwald Essen im November 2014, das in der Großfeuerungsanlage Gruga verheizt wird

Es gibt drei Hauptabnehmer für Waldrestholz:

  1. In Großfeuerungsanlagen (Feuerungswärmeleistung > 1 MW) >  wurden 2010 insgesamt 13,145 Mio. t (lutro) ((= lufttrocken, im Unterschied zu atro = absolut trocken. Lufttrockenes Holz enthält immer noch Wasser, absolut trockenes Holz nicht.)) Holz eingeäschert. ((S. 34)) 2,4 Mio. m3 davon waren Waldrestholz. ((Umrechnung: 16,9 % des lufttrockenen Holzes waren Waldrestholz = 2,2 Mio. t. Lufttrockenes Waldrestholz hat einen Wassergehalt von 43,6 %. (s. Umrechnungsfaktoren S. 59, Tabelle 5-2). Es entspricht also einem Gewicht von 1,2 Mio. t absolut trockenen Holzes. Der Umrechnungsfaktor von t (atro) in m3 beträgt für Waldrestholz 1,923. (ebd., Tabelle 5-1) Also haben 1,2 Mio. t. (atro) Waldrestholz ein Volumen von 2,4 Mio. m3.))
  2. In Kleinfeuerungsanlagen (Feuerungswärmeleistung < 1 MW) wurden 2010 insgesamt 1.949.144 t (lutro) Holz ((s. S. 38)) in Rauch aufgelöst, 2,1 Mio. m3 davon Waldrestholz. ((Umrechnung: 1.949.144 t (lutro) entsprechen 1,1 Mio. t (atro). Das sind wiederum 2,1 Mio. m3. Umrechnungsfaktoren s. o.))
  3. Private Haushalte verfeuerten 2010 3,4 Mio. m3 Waldrestholz – “Ast- und Knüppelholz” ((S. 44)), das als Scheitholz im heimischen Kamin landete. ((Der Verbrauch der drei Hauptabnehmer addiert sich zu 8,2 Mio. m3. Eigentlich müsste die Summe bei genau 8 Mio liegen. Die Differenz erklärt sich wahrscheinlich durch Umrechnungs- und Rundungsungenauigkeiten.))

Die Nutzung der gesamten oberirdischen Holzmasse eines Baumes nennt der Forstwirt Voll- oder Ganzbaumnutzung.

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