Jürgen Huss – Fortsetzung
Der Ordinarius plappert mit einer geradezu kindlichen Offenherzigkeit den Geburtsfehler des Nationalparks ((und des Nationalparks Schwarzwald und des Nationalparks Eifel und des Nationalparks Hunsrück)) aus:
“Eigentlich erscheint der Harz wenig qualifiziert, um überhaupt als Nationalpark erklärt und anerkannt zu werden. […] Seine ursprünglichen Wälder wurden über Jahrhunderte hinweg degradiert, bzw. weitestgehend beseitigt und später mit großflächigen Fichten-Reinbeständen wieder aufgeforstet.” ((S. 70))
Huss hat Recht: Es ist eine Schnapsidee gewesen, ausgerechnet 10.000 ha “naturferne Fichtenwälder” zum Nationalpark zu erklären.
40-Tonnen-Holztransporter auf der IlsetalstraßeHuss ist ein Waldbauer: ((Die folgenden Ausdrücke stammen von dem rhetorischen Amoklauf auf den Seiten 72 und 73 des Tagungsbandes.)) Er will eingreifen, einbringen, einführen, eliminieren, Risiken mindern, Befallsrisiken senken, den einen Anteil vermindern, den anderen Anteil anheben, ausbringen, anpflanzen, begünstigen, belassen, beschleunigen, beseitigen, vor-, nach-, um- und unterbauen, pflegen, Loch- und Schirmhiebe durchführen, durchforsten, stabilisierend stören, strukturieren, verbreitern, nachhaltig zurückdrängen, vermarkten, verkaufen, finanzieren. Kurzum: Er hat Peter Meyer nicht zugehört.
Die erfrischende Ehrlichkeit von Huss ermöglicht Einblicke in die Urängste eines Försters: Wenn man die Natur “schlagartig” ((S. 73)) “völlig” ((S. 71)) sich selbst überlässt, passiert eine Katastrophe. Die “naturfremde[n] homogene[n] Fichtenaltersklassenwälder” sterben großflächig ab. Die vier Reiter der Apokalypse kommen dann: Sturm, Nassschnee, Dürre und der Borkenkäfer. ((siehe S. 71)) Wenn diese über den Harz geritten sind, folgen “frühsukzessionale Wälder”:
“Diese dürften dann über lange Zeiträume – vielleicht über Jahrhunderte hinweg – vor allem wieder aus Fichte bestehen, zeitweilig mit Birke, Eberesche, Aspe gemischt.” ((ebd.))
Es ist genau dieses Schreckensszenario, das alle “Pflegeeingriffe” erst nötig macht. Und wenn jemand wie Huss es treuherzig ausplaudert, merkt man, wie dumm es ist. Denn erstens ist das Szenario ein Hirngespinst. Es gibt nicht einen einzigen wissenschaftlichen Beleg dafür. Wir wissen schlicht nicht, was passiert, wenn man Natur laufen lässt. Und zweitens: Was wäre so schlimm daran, wenn “Buche, Eiche, Bergahorn […] lange brauchen [werden], wieder einzuwandern […]”? ((ebd.))
Huss ahnt, auf wie tönernen Füßen seine Argumentation steht. Er behauptet einfach, dass die “frühsukzessionalen Wälder” und jahrhundertelanges Warten nicht das “allseits akzeptierte Ziel” ((ebd.)) seien, sondern der Waldumbau. Das ist grober Unfug. Es hat bei der Einrichtung des Nationalparks keine Volksabstimmung stattgefunden, sondern eine sehr kleine Clique von bestens vernetzten Spitzenbeamten in den Landesforstbehörden hat sich unter Ausschluss der Öffentlichkeit ((Wenn diese doch einmal beteiligt wird, dann so wie bei der Online-Abstimmung im Nationalpark Eifel 2014.)) genau die Gesetze geschrieben, die sie braucht.
Nach oben
Zurück zur Einleitung
Nächste Seite: Schluss