Stellen Sie sich vor, Sie sind am 2. Weihnachtstag bei Ihrem Schwager eingeladen. Der ist Ministerialrat im Umweltministerium. Früher hat er FDP gewählt, heute die Grünen. Er hat viel Verständnis für Fridays For Future und für Greta. Das letzte Treffen mit ihm haben Sie in ganz schlechter Erinnerung: er schwärmte von seinem Urlaub im Bio-Hotel. “Öko-Komfortzimmer” mit Lichtblick-Strom und belebtem Wasser! Und die Bio-Bäckerei! Und das Bierbad im “Bio-Bier” aus der “Bio-Braumanufaktur”! Wunderschön! Und so entspannend!
Nicht noch einmal? Es reicht? Sie sind das grüne Getue leid und auf Krawall gebürstet? Dann habe ich einen Tipp für Sie! Schenken Sie Ihrem Schwager doch ein Buch von Dirk Maxeiner! Der Zoff unter dem Weihnachtsbaum ist vorprogrammiert. Garantiert!
Auf Maxeiner bin ich aufmerksam geworden durch seine wöchentliche Kolumne “Der Sonntagsfahrer”. Ehemaliger Chef-Redakteur der Zeitschrift natur – der Zeitschrift also, die Horst Stern gegründet hatte. Das hörte sich interessant an! Und das sind seine Artikel auch! Maxeiner kann schreiben und ist trotz des Ernsts seiner Themen sehr amusant: Brecht an der Ladestation.
Neugierig geworden habe ich mir auch sein Buch “Alles grün und gut?” gekauft. Auch das habe ich gerne und mit Gewinn gelesen – so z. B. das Kapitel “Der Wald wächst unverdrossen”. Allerdings hat das Buch – wie jedes – auch schwächere Passagen. Ganz besonders schwach ist ein Abschnitt über den Nationalpark Bayerischer Wald:
Fast möchte man meinen, Maxeiner war gar nicht vor Ort, sondern hat einfach von dem 20 Jahre alten STERN-Artikel Kaputtgeschützt abgeschrieben. “Tote Bäume, so weit das Auge reicht”? Am Lusen? Heute? Das gilt eher für den Rachel, aber auch da stimmen die Angaben Maxeiners nicht. Die Fichten starben dort schon im Jahr 1996, nicht erst 2003.1siehe Zeitpunkt des Absterbens der Altbestände Und es stimmt auch nicht, dass der Borkenkäfer nur in den “Randbereichen, die an Privatforste grenzen”, bekämpft wird; von den riesigen Kahlschlägen im Erweiterungsgebiet des NLPs schreibt Maxeiner sonderbarerweise gar nichts. Wobei gerade das sehr gut zu seinem Thema gepasst hätte! Denn dort – am Lackenberg, am Hirschgespreng und und und – dort haben sich diejenigen durchgesetzt, für die “radikales Nichtstun angesichts eines massiven Waldsterbens” eben nicht richtig ist. Und dort – und nicht am Rachel oder Lusen – spielt sich das wahre “Ökodrama im Nationalpark” ab.
Aber kein Autor kann immer Recht haben. Und einen Zweck erfüllt das Buch auf jeden Fall: Es sorgt für Zoff unterm Weihnachtsbaum.