Das LANUV – Über Effizienz und begrenzte Ressourcen

Am 5. Dezember rufe ich Dr. Schlüter1siehe Geschäftsverteilungsplan LANUV, S. 37 beim Landesamt für Natur und Umwelt- und Verbraucherschutz (LANUV) an.

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Von Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-WestfalenAus Kreis-Herford-PDF, Logo, Link

Schlüter leitet den Fachbereich 23 (Biotopschutz, Vertragsnaturschutz). Wie Dr. Kiel im Umweltministerium, so ist auch er sehr freundlich und geduldig und erklärt mir ausführlich, wie das LANUV funktioniert und warum in der Welt des Naturschutzes nicht alle Wünsche in Erfüllung gehen. Am Ende zieht er einen interessanten und bemerkenswerten Vergleich zwischen Schule und Landesbetrieb Wald und Holz.

Herr Dr. Schlüter, ich habe eben mit Herrn Dr. Kiel im Umweltministerium gesprochen. Er sagte, Sie könnten mir vielleicht weiterhelfen.

Das versuche ich!

Ich habe ein Problem: Ich wohne hier in Porta Westfalica direkt am FFH-Gebiet Wälder in Porta Westfalica. Ich gehe da häufig spazieren und bin pensionierter Bio-Lehrer. Da hat man nicht viel zu tun und man fängt an, in den Naturschutzfachinformationen für FFH-Gebiete im Internet zu lesen. Und dann guckte ich einmal, ich guckte zweimal und dann las ich zum dritten Mal, hier soll die Stieleiche wachsen und das tut sie nicht. Hier wächst die Traubeneiche. Das steht bei dem Biotoptyp. Es gibt weitere Fehler, wo ich sage: Was ist hier passiert? Wer ist dafür zuständig? Kann man da mal jemanden sprechen? Was ist da los?

Ja, sagen Sie mir bitte noch einmal, in welchem System Sie unterwegs waren!

Es geht um das FFH-Gebiet Wälder bei Porta Westfalica und ich war in dem System Naturschutzfachinformationen unterwegs und habe dann bei den Gebietsinformationen das angeklickt und v. a. bei den Biotoptypen – die sind für mich am interessantesten, da steht am meisten, finde ich. Und ich habe mich da durchgequält und man klickt hier und man klickt dort und dann findet man irgendwas. Und es geht v. a. um das Gebiet am Kaiser-Wilhelm-Denkmal. Da ist ja jetzt auch so ein Wildniswald und da gehe ich sehr gerne spazieren. Es ist wunderschön und ich bin sehr froh, dass das unter Naturschutz steht. Naja – und wie gesagt, da guckt man sich die Biotoptypen an und stellt merkwürdige Dinge fest. Ja, jetzt bin ich bei Ihnen gelandet.

Gut. O. k. Ich würde Sie da mal an den Herrn Stroscher empfehlen. Das ist der Fachbereich 21 (Naturschutzinformationen)2siehe Geschäftsverteilungsplan LANUV, S. 34, bei uns. Dr. Hinterlang ist der Leiter. Und Stroscher ist da regional tätig. Der ist gerade nicht da. Der hat die Durchwahl …

Ja, das sehe ich hier im Internet.

Und der ist da zuständig und kann Ihnen da weiterhelfen.

Super! Super! Sie wissen nicht zufällig, was die Abkürzungen d, l, s bedeuten?

d, l, s?

Ja, in den Naturschutzfachinformationen!

Ja, Sie wissen ja gar nicht, wie groß die sind! Also wir sind hier zuständig … Sie betrachten das jetzt aus der Region, aus einem Gebiet, aber wir haben ja eine weite Spanne und ein unheimlich großes Angebot und aus dem Zusammenhang ist das immer schwierig zu sagen, was heißt d, l und s.

Ja, gut, o.k. – ich dachte nur, das wäre bei Ihnen vielleicht …

Wir haben hier in NRW – Sie wissen, wie groß NRW ist – wir haben ein großes System. Da mögen auch immer noch mal Fehler – einzelne – drin sein, und wenn wir darauf hingewiesen werden, dann können wir die ändern. Aber Sie müssen bedenken, das ist ein Riesensystem. Wir machen das hier mit begrenzten Ressourcen. Da kann immer etwas drin sein. Also da jetzt etwas zu finden – Herr Lehrer, ich weiß etwas! – das kann immer passieren und wenn wir solche Hinweise bekommen, bringen wir das auch mal … es sind aber nicht alle Informationen gleich erheblich für Entscheidungen und deswegen müssen wir da auch ein bisschen auf Effizienz gucken. Wir kriegen leider nicht soviel Geld, wie wir bekommen müssten, um das alles auf einem Top-Zustand zu halten. Wir sind im Vergleich der Bundesländer ziemlich gut, aber – wie gesagt – das Land muss immer sparen. Aber wenn Hinweise kommen … insofern sind wir da auch dankbar für. Dann greifen wir das immer gerne auf und können das auch ändern.

Wo ich Sie gerade am Telefon habe: Wer wäre denn zuständig, um da mal Forschungen zu machen? Also z. B. bei diesem Wildniswald. Sie haben da Totholz ohne Ende. Sie haben da uralte Bäume. Und der einzige Käfer, der da genannt wird, ist der Hirschkäfer. Ich bin mir sicher, es gibt unglaublich viele seltene Totholzkäfer da – wahrscheinlich Rote-Liste-Arten und und und … vermute ich jetzt einfach mal, nur: Wer ist zuständig für die Forschung?

Also die Forschung wird hier auf einem gewissen Level gemacht. In den Wildnisentwicklungsgebieten. Wald und Holz macht so etwas in den Naturwaldzellen. Aber – wie gesagt – wir müssen das immer vor dem Hintergrund auch ein bisschen der verfügbaren Mittel sehen. Das ist ein klassisches Element – wenn da Interesse ist – für Unis, dass die Forschung an der Stelle machen. Wir haben so ein Programm, wo gewisse Punkte gemonitort werden und auch erforscht werden, aber natürlich nicht in der ganzen Breite. Ich sage Ihnen das jetzt ganz bewusst: Wir müssen ja zusehen, das auch mit den verfügbaren Mitteln zu machen. Und da diese Punkte nicht so entscheidungserheblich sind im Vergleich zu anderen, sind die Prioritäten unterschiedliche. Und auch die Landesregierung guckt natürlich zuerst bei den Schulen und bei der Polizei, dass die ordentlich ausgestattet sind. Dann kommt lange nichts und dann kommen auch solche Dinge. Das heißt, die sagen nicht: Was hättet Ihr denn gerne? Man könnte sich vieles denken! Außenstehende denken: Ja, warum macht man denn jetzt nicht …? Da ist doch eigentlich viel mehr! Und wir sind eigentlich auch so gestrickt! Das würden wir unheimlich gerne machen! Aber wir müssen da eben vor dem Hintergrund immer ein bisschen gucken. Denn wir haben ja eine Vielzahl von Wildnisentwicklungsgebieten und wir haben 3.000 Naturschutzgebiete – das ist das meiste, was wir übergreifend haben, auch von den anderen Ländern, keiner hat soviel – und da kann man natürlich nicht überall Untersuchungen machen! Und an ausgewählten … wir sind dann immer ganz interessiert, wenn Unis so etwas machen. Oder Sie könnten auch “Jugend forscht” betreuen – vielleicht.

Ich bin pensioniert. Entschuldigung!

Jaja! Das stört ja gar nicht! Das wäre z. B. so eine Sache. Und dann kann man gut Leute herein … mit Schülern solche Untersuchungen machen. Ich habe Jugend-forscht einmal auch selbst bei den Wettbewerben … Regional-Wettbewerben … habe das gesehen, das waren ganz interessante Sachen. Aber da muss immer einer sein, der sich auch darum kümmert, sonst geht das an den Schulen nicht.

Und was Totholzkäfer angeht – da brauchen Sie Spezialisten und die sind teuer.

Wir haben den Herrn Köhler. Aber es gibt nur wenige und die sind dann eingebunden da, wo Planverfahren gerade irgendwo anliegen oder so etwas. Aber auch dort werden die Käfer selten untersucht, weil man sich dann auf andere Arten konzentriert, die das besser generalisieren.

Ich will Ihnen etwas sagen: Mein Hintergrund ist, mich ärgert das … ich kenne mich gut aus im Nationalpark (NLP) Bayerischer Wald und jedes Mal, wenn da ein Totholzkäfer gefunden wird, dann läuft da die Werbetrommel und die Pressetrommel und die Medien berichten und ganzseitige Berichte: “Wieder eine neue Urwaldreliktart gefunden!” und die machen da unglaublich viel daraus.

Das machen wir in Nordrhein-Westfalen im NLP Eifel auch! Dort machen wir das! Aber es geht immer darum, Prioritäten zu setzen. Und Sie wohnen jetzt gerade da und jetzt ist Ihr individuelles Interesse natürlich an der Stelle auch sehr stark. Wir müssen aber gucken: Wie verteilen wir die Prioritäten und dann macht man das eine hier und das andere dort – auch dort, wo es gerade möglich ist. Und die Bestimmung für einen Nationalpark, die war dort. Und jetzt haben wir den NLP in der Eifel und da wird wirklich viel untersucht. Da hatten wir jetzt gerade noch eine Tagung, wo das im breiten Umfang dargestellt wird und wenn Sie einmal auf die Seiten des NLPs gehen, dann werden Sie das sehen.3siehe Vorträge zu aktueller Nationalpark-Forschung Und wir wissen also an diesem Beispiel, wenn man Totholz lässt, dann kommen Arten hinzu. Das reicht als Begründung, wir brauchen mehr Wildnisentwicklungsflächen. Wir müssen dann aber nicht jede Wildnisentwicklungsfläche vollständig untersuchen, weil die Erkenntnisse ausreichen, um das politische Handeln zu initiieren.

Ich will Ihnen noch eine Anekdote erzählen: Ich bin bis in den Steigerwald gefahren, um den Ästigen Stachelbart zu sehen, diesen berühmten Pilz. Ich habe ihn hier vor meiner Haustür! Und ich wusste das nicht! Und das ist wirklich ärgerlich! Man fährt da weite Strecken und denkt, den gibt es nur da und den gibt es hier! Naturwaldzelle Nammer Berg. Und ich denke immer: die Naturschutzexperten auf Tagungen, da wird dann immer groß erzählt: “Oh, wir haben hier den Ästigen Stachelbart!” Und toll und Pressemitteilung und hier und da und dort! Sie merken, ich rede mich in Rage!

Ja, aber ich verstehe Ihre Wut nicht … naja, Wut ist übertrieben … aber ich sage mal … Wir reden über realisierbare Ansprüche … Haben Sie den denn schon gemeldet?

An wen soll ich den melden? Ich soll den melden?

Ja natürlich! Wie sollen wir denn anders darauf kommen? Das geht nur durch das Ehrenamt, durch Leute, die den so feststellen. Wenn Sie den in der Naturwaldzelle haben, könnten Sie dem Landesbetrieb da eine E-Mail schicken – da muss man gar nicht telefonieren – und sagen: “Also ich habe den da festgestellt …” Und dann könnten die – falls die das noch nicht wissen – den auch aufnehmen.

Das ist doch mal eine interessante Information! Das werde ich tun! Ich ärgere mich so, weil … Wissen Sie, man ist so Lokalpatriot und denkt, die machen da so viel Werbung und halten sich da für etwas besonderes und hier die kleinen Gebiete, die gehen so unter!

Ja, aber die kleinen Gebiete werden ja … Wie gesagt: es ist gut, dass wir die Informationen haben –  aber die gehen ja nicht unter! Die sind ja ausgewiesen. Das müssen Sie bedenken! Das war ja ein ziemlicher Akt!

Das glaube ich!

Das ist keine Selbstverständlichkeit, dass wir hier 8.000 ha Wildnisentwicklungsgebiete haben. Das war ein großer Akt. Da waren alle – glaube ich – ganz glücklich darüber. Das haben wir aber an der Stelle geschafft. Und deswegen sind die dort jetzt auch vor Ort. Und ich finde es schön, dass Sie sich ja an der Stelle dort auch freuen darüber, dass Sie so etwas haben vor Ort, dass die dann auch geschützt werden. Und jetzt muss man da immer ein bisschen für kämpfen, dass die dann auch erhalten bleiben.

Also ich habe hier den Urwald vor meiner Haustüre und zu sagen: “Das ist ein Urwald von morgen!” halte ich schon für … Nein, das ist jetzt schon einer! Also das ist großartig, dass wir das haben! Und hier – wo Sie das sagen: Sie sind froh, dass Sie die 8.000 ha haben – ich finde, Wald und Holz – aber gut, das ist jetzt nicht Ihr Thema – Wald und Holz macht da viel zu wenig Werbung! Dass da oben ein Wildniswald ist, das wissen die allerallerwenigsten!

Ja. Klar!. Das ist natürlich … da sind die einzelnen … da kann man sicherlich immer noch mehr machen! Also ich meine … wobei einige Sachen – finde ich – bringen sie schon ganz gut heraus. Aber mit den Wildnisentwicklungsgebieten, da muss man schon in die Infosysteme gucken. Dafür sind die ja dann auch da!

Ich denke, Wald und Holz wird mir ähnliches sagen wie Sie: Man hat eben begrenzte Mittel und man kann nicht für alles einen PR-Manager einstellen.

Sie waren früher an der Schule, nicht wahr? Wenn man an die Schule geht … [dann kann man auch sagen:] Ich verstehe nicht, warum die an der Schule nicht mehr machen! Die könnten soviel … in der Biologie z. B. Die könnten doch mal sagen, was die machen. Ich weiß gar nicht, was die machen. Die machen so tolle Projekte, die Biolehrer! Warum stellen die das nicht mal ein? Und ihre Kinder! Und da sagte mir meine Frau – sie ist Schulleiterin, darum kann ich das aus erster Hand sagen: “Ja, nice to have! Wir würden das gerne machen, aber wo sind die Ressourcen? Wir haben eine Unterversorgung. Oder wir schaffen es gerade einmal … Und wir müssen das wichtigste machen: Erst einmal müssen die unterrichtet werden! Und danach können wir die Werbetrommel rühren, wenn wir dann auch noch Zeit haben. Aber die Zeit fehlt ja!” Und es gab ja Zeiten, als sie angefangen hat, da war von Selbstdarstellung, im Sinne von Internet und Homepage nicht die Rede und jetzt braucht man da Leute, die das wirklich machen und ständig und schnell! Und da sage ich mir auch: Ich verstehe die nicht! Sie merken, das Problem ist immer so eine Sache, wie verteilt man das und das muss effizient sein. Man könnte immer noch mehr machen, nicht wahr? Aber trotzdem ist das ja eine Anregung: vielleicht lassen sich manche Dinge ja eben auch noch an dieser Stelle verbessern.

Die Anregung nehme ich sofort auf. Also was Sie mir sagen, Wald und Holz anschreiben wegen Ästigem Stachelbart. Das ist eine sehr wichtige Information!

Und ein Foto machen, da und da aufgenommen. Und dann ist das eine Information. Vielleicht wissen sie es ja auch schon, weil die machen ja auch Forschung. Aber ich weiß ja nicht, was sie da erheben. Dann hat man eine gute Information.

Ich bedanke mich sehr herzlich für das Gespräch! Dankeschön! Und ein schönes Wochenende!

Anhang

E-Mail an Herrn Michael Elmer vom Landesbetrieb Wald und Holz

Betr.: Ästiger Stachelbart in NWZ Nammer Berg

Sehr geehrter Herr Elmer!

Ich schreibe Sie an, weil mich Herr Dr. Schlüter vom LANUV dazu motiviert hat: Ich wohne in Porta Westfalica – nur 3 km entfernt von der Naturwaldzelle Nammer Berg. Dort gehe ich – als pensionierter Bio-Lehrer und Blogger – sehr gerne spazieren. Die Fülle von uralten Biotopbäumen mit Dutzenden von Mikrohabitaten ist einfach phantastisch! Jetzt habe ich dort den Ästigen Stachelbart entdeckt – dafür bin ich vor Jahren 400 km in den Steigerwald gefahren – nur, um diese Rarität zu sehen. Tja – hätte ich mir sparen können

Herr Dr. Schlüter meinte, ich sollte das ruhig einmal melden. Er sagte, ja, wie sollen die es denn sonst erfahren …

Mit freundlichen Grüßen
Franz-Josef Adrian
franzjosefadrian.com