Werbeplakat der Forst- und Holzwirtschaft in Deutschland
Gesche Jürgens und die Pelletheizung ihrer Eltern
Gesche Jürgens ist „Waldkampaignerin“ bei Greenpeace und sie vertritt im Film die Umweltorganisationen. BUND und NABU tauchen im Film nicht auf. Einen Tag nach der Ausstrahlung des Films twittert eine gut gelaunte Jürgens:
Ein wichtiger Film, der klarstellt: Holzverbrennung ist zunehmend eine Gefahr für Artenvielfalt, Klima und Gesundheit! Wir brauchen mehr Wertschätzung für unsere Wälder und den begrenzten Rohstoff Holz! Ich freue mich, dass ich dabei sein konnte! @ZDF #planetE https://t.co/B7vPlhfiZO
— Gesche Jürgens (@GescheJuergens) 8. Januar 2018
Ich habe mich nicht gefreut. Gleich der erste Satz über sie ist ein PR-Desaster:
„Für Holzverbrennung als Alternative zu Erdöl oder Kohle hat sie sich lange Zeit eingesetzt.“ ((t = 5m 50s))
Dass Jürgens sich „lange Zeit“ für ein falsches Ziel eingesetzt hat, beschädigt ihre Glaubwürdigkeit. Noch schlimmer wird es, wenn der Film kurz darauf in aller Ausführlichkeit zeigt, wie ihre eigenen Eltern mit Pellets beliefert werden.
Jürgens redet sich um Kopf und Kragen:
„Vor 13 Jahren, als ich meinen Eltern geraten habe, eine Holzpelletsheizung zu installieren statt ihrer Ölheizung und eben auf einen Brennstoff umzusteigen, den man regional aus Sägeresten erzeugen kann, das erschien mir damals eine total gute, plausible Lösung zu sein.“ ((t = 7m 8s))
2004 gab es gut 39 Mio. private Haushalte. Hätte Jürgens allen den Rat gegeben, auf Pellets umzusteigen?
Wie sollen Millionen von Haushalten mit Sägeresten heizen, die noch dazu regional erzeugt werden?
„Aber diesen Boom, den wir gesehen haben bei der Holzverbrennung […], das ist wirklich ein großes Problem mittlerweile.“ ((t = 7m 22s))
Der Boom kam nicht aus heiterem Himmel. Schon vor 13 Jahren hätte man sich an den fünf Fingern ausrechnen können, was passiert, wenn man Pelletheizungen staatlich fördert und Pellets billiger sind als Öl. Die Eltern von Jürgens erhielten für ihre neue Pelletheizung einen „staatlichen Zuschuss“ von „mehr als 1.300 €“. Der Film spricht von „attraktiver finanzieller Förderung“ und macht damit noch mehr Werbung für Pelletheizungen.
Jürgens hätte im Film laut und deutlich sagen müssen, dass sie einen schweren Fehler gemacht hat und dass sie auf die Werbesprüche der Forst- und Holzindustrie hereingefallen ist. Ihrer Botschaft hätte es gut getan, wenn der Film gezeigt hätte, wie ihre Eltern die Pelletheizung herausreißen, auf die Müllhalde bringen und eine Solarthermie– oder Geothermie-Anlage einbauen. Im Fernsehen sind es die Bilder, die wirken.
Einer, der das Elend 10 Jahre früher hat kommen sehen, war Peter Wohlleben. Seine Kritik am Holzrausch erschien bereits 2008. Aber auch er wird genauso wie Jürgens im Fernsehen unglaubwürdig, wenn er gemütlich vor dem brennenden Kamin sitzt und erklärt, dass er selbstverständlich mit Holz heizt und stolz auf die riesigen Stapel von Brennholz vor dem Haus zeigt.
Jürgens eigentliche Kritik am Verheizen von Holz ist wie der ganze Film: gut gemeint.
„Dass Holzverbrennung CO2-neutral ist, das ist im Endeffekt einfach wirklich ein Trugschluss.“ ((t=6m10s))
Es ist kein „Trugschluss“, auch nicht „im Endeffekt“, sondern ein Rechenfehler. ((siehe auch Der Rechenfehler – oder: Warum das Verbrennen von Holz nicht klimaneutral ist)) Dieser Rechenfehler wird von Jürgens nicht erklärt. Die zwei Gründe, die Jürgens anführt, überzeugen nicht:
„Denn zum einen entstehen natürlich auch bei dem Fällen von Holz, beim Transport, bei der Trocknung, Weiterverarbeitung Emissionen und nicht zuletzt auch ein Schaden im Wald, sozusagen, dadurch dass man ja auch durch den Bau von Forststraßen z. B. den Waldboden, den Humus beschädigt, dadurch auch CO2 entweicht. Dann ist natürlich der zweite Punkt auch, dass beim Verbrennen von Holz auch genauso Emissionen wieder entstehen wie beim Verbrennen von anderen Energieträgern.“ ((t = 6m 15s))
All das will Jürgens vor 13 Jahren nicht gewusst haben, als sie ihren Eltern zur Holzpelletheizung „geraten“ und sich „für die Holzverbrennung als Alternative zu Erdöl und Kohle eingesetzt“ hat? Ihr erstes Argument spielt vielen heimischen Förstern direkt in die Arme: Sie werden einfach kontern, dass sie „boden- und umweltschonend“ ((siehe Landesbetrieb Forst Brandenburg – Zertifizierung im Wald)) arbeiten, keine neuen Forststraßen bauen und die Transportwege kurz sind. Claus-Jürgen Seliger vom Landesforst Brandenburg ((siehe Nachhaltige Bewirtschaftung von Plantagen)) hätte ihr stolz das FSC-Zertifikat vor die Nase gehalten. Jürgens zweites Argument hebelt die Forstindustrie ganz einfach aus, indem sie behauptet, dass bei der Holzverbrennung eben nur soviel CO2 freigesetzt wird, wie vorher vom Baum gespeichert wurde. So z. B. der Landesbetrieb Forst Baden-Württemberg:
„Wächst ein Baum so entzieht er der Atmosphäre CO2 und speichert im Holz den Kohlenstoff und gibt Sauerstoff an die Atmosphäre zurück. Ganz egal ob das Holz langsam verrottend im Wald liegt oder verbrannt wird, die Nutzung des Waldes ist immer CO2-neutral.“ ((ForstBW: Häufig gestellte Fragen zum Thema Brennholz))
Würde Jürgens jetzt argumentieren, dass langsam verrottendes Holz im Wald doch wichtig sei für Pilze und Käfer, würde ForstBW einfach sein FSC-Zertifikat hervorholen und auf die zertifizierten Totholzmengen verweisen, die selbstverständlich für genug Pilze und Käfer sorgen.
Es ist ein Fehler, bei der behaupteten Klima-Neutralität von Brennholz nicht auf den Rechenfehler hinzuweisen. Dieser hat sich sogar schon bis Wikipedia herumgesprochen und wurde interessanterweise dort von der Forst- und Holzlobby noch nicht gelöscht: ((zum diesem Problem von Wikipedia siehe den Film Zensur – die organisierte Manipulation der Wikipedia und anderer Medien))
„Auch bei Brennholz oder Holzpellets aus garantiert nachhaltiger Forstwirtschaft entsteht eine einige Jahrzehnte andauernde CO2-Belastung der Luft, da es Jahrzehnte braucht, bis die in relativ kurzer Zeit verbrannte Holzmenge alter, erntereifer Bäume auf einer entsprechend dimensionierten Ersatz-Waldfläche nachgewachsen und dadurch die entsprechende CO2-Menge der Luft wieder entzogen sein wird.“ ((Hervorhebung von F.-J. A.))
Es dauert sogar noch länger, denn wenn man ehrlich rechnet, muss man berücksichtigen, dass z. B. Buchen, wenn sie erntereif sind, erst 120 Jahre alt sind und noch 200 Jahre hätten weiterwachsen und CO2 speichern können. Und dicke alte Bäume speichern viel schneller und mehr CO2 als dünne junge.
Von all dem erfährt man von Gesche Jürgens und auch von dem ganzen Film: nichts.
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