Massentourismus am Brocken

Kritik der Diplomarbeit

Es gibt Ergebnisse der Studie, die von vornherein skeptisch machen:

  • In gut einem Monat wurden nur 252 Fragebögen ausgefüllt: Angesichts von tausenden von Besuchern täglich ist das nur ein kleiner Ausschnitt.
  • Es wird nicht gesagt, wie viele der Angesprochenen ein Interview verweigerten.
  • Das Durchschnittsalter der Befragten ist verdächtig hoch: 47,5 Jahre ((S. 76)). Angesichts der vielen jungen Leute und jungen Familien mit Kindern auf den Wanderwegen ist das verwunderlich.
  • Sonderbar ist auch die geringe Affinität der Wanderer zum Nationalpark. Der Fachbegriff “Nationalparkaffinität” ((S. 64 f.)) meint, dass für diese Wanderer der Nationalpark bei der “Entscheidung, in die Region zu kommen” eine “große” oder “sehr große Rolle” spielte. Nur diese Personen sind “Nationalparktouristen im engeren Sinn”. ((ebd.)) Dies trifft für ganze 24 % auf dem Goethe- und sogar nur für 20 % auf dem Heineweg zu. Vier von fünf Wanderern könnten im Prinzip genauso gut auf dem Hahnenkleer-Weg den nur 30 km entfernten Bocksberg erklimmen.

Noch schwerer wiegt ein grundsätzlicher Fehler: Die Diplomarbeit erfasst diejenigen Personen nicht, die aus Abscheu vor dem Massentourismus von vornherein dem Brocken fernbleiben.

Denn es ist kein Geheimnis, dass auf dem Brocken Massentourismus herrscht: 1,2 Millionen Besucher waren es 2013, am Torfhaus sogar 2 Millionen. ((Ranger müssen 4.500 Besucher ermahnen, Mitteldeutsche Zeitung vom 9.2.2014)) Viele Webseiten sprechen den Massentourismus an: so z. B. die Webseite “Wanderwege Harz: Auf dem Goetheweg zum Brocken” ((“Inzwischen hatte sich hier der Massentourismus entwickelt …”)) oder die Wikipedia-Einträge zum Brocken ((“1777 bestieg Goethe, von Torfhaus kommend, den Brocken. Zu dieser Zeit gab es auf dem Brocken noch keinen Massentourismus; für das Jahr 1779 sind nur 421 Wanderer belegt.”)) und zum Nationalpark Harz. ((Die Bestände der Brockenanemone waren durch den seit der Wiedervereinigung einsetzenden Massentourismus besonders gefährdet …)) Auch Moutainbiker warnen vor dem Brocken. ((“An schönen Tagen wurden schon bis zu 50.000 Besucher an einem einzigen Tag gezählt. Wer diesem Massentourismus entgehen möchte, der sucht sich lieber gleich eine andere Tour von uns aus.”)) Und selbst der offizielle Nationalparkplan für den Harz spricht von Massentourismus. ((“1779 wurden 421 Brockenwanderer gezählt. An Massentourismus war jedoch noch lange nicht zu denken.”, Nationalparkplan S. 17)) Der Sprecher der Nationalparkverwaltung, Friedhart Knolle, gibt unumwunden zu: “Die Wiederinbetriebnahme der Bahnstrecke war der eigentliche Wiedereinstieg in den Massentourismus auf den Brocken.” ((Seit 20 Jahren dampft Brockenbahn Richtung Blocksberg, Thüringer Allgemeine vom 15.9.2011)) Folgerichtig gehört die Gipfelregion des Brockens auch weder zur Naturdynamik- noch zur Naturentwicklungszone. Der Brocken fällt der Nutzung anheim und gehört zur Nutzungszone. ((siehe Gebietsgliederung der Nationalparkfläche))

Es macht überhaupt keinen Sinn, diejenigen, die den Goethe- oder Heine-Weg gehen, zu befragen, ob sie sich durch die Besuchermassen gestört fühlen. Genauso gut könnte man Besucher von McDonald’s fragen, ob ihnen die Hamburger schmecken. Oder Besucher des Rosenmontagszugs in Köln, ob sie Karneval gut finden. Alle, die auf den Brocken gehen, sind “störungsresistent”. Wären sie es nicht, würden sie verrückt werden.

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