Winterwanderung zum Rachel

2. Was ist ein frühsukzessionales Waldökosystem?

Swanson benutzt den Begriff early-successional forest ecosystem” so häufig, dass er gleich eine passende Abkürzung dafür bildet: ESFE. Was versteht er darunter?

ESFEs sind Ökosysteme an den Stellen, wo der alte Waldbestand durch eine Störung (Feuer, Sturm, Schädlinge, Vulkanausbruch) zerstört worden ist (“stand-replacement disturbance”) und der neue Wald noch kein geschlossenes Kronendach (“closed canopy”) ausgebildet hat. Dazu gehören also die drei Biozönosen der Kraut-Grasflur, der Gebüschvegetation und des Pionierwalds ((siehe oben)) , solange dessen Kronendach noch offen ist und es am Waldboden noch nicht dunkel wird. Forstwirte würden für ESFEs den Begriff der Verjüngungsphase wählen. Die Hochlagen am Rachel sind ein typisches ESFE: Der alte Wald wurde durch eine Borkenkäfermassenvermehrung Ende der 90er Jahre des vorigen Jahrhunderts zerstört. ((siehe Zeitpunkt des Absterbens der Altbestände)) Ein geschlossenes Kronendach wird den Rachel auch in Jahrzehnten nicht wieder bedecken. Und das ist auch gut so.

Naturschützer haben sich in der Vergangenheit häufig auf die Klimaxwälder ((siehe oben)) mit den Alters- und Zerfallsphasen konzentriert. Als schützenswert galten also die spätsukzessionalen Waldökosysteme, abgekürzt LSFEs für late-successional forest ecosystems”. ((Ein Beispiel aus dem NLP Bayerischer Wald wäre das LSFE der  Mittelsteighütte.)) Sie sind besonders artenreich und viele Arten kommen nur dort vor. Weil diese LSFEs sehr selten sind, stehen sehr viele der auf sie spezialisierten Arten auf der Roten Liste. Swanson weist darauf hin, dass man über die Anstrengungen zum Schutz der alten Wälder den Schutz der jungen vernachlässigt hat: Deshalb spricht er von den “vergessenen” Phasen der Sukzession.

Mittlerweile beginnen Naturschützer einzusehen, dass auch ESFEs schutzwürdig sind. So fordern Experten in der Schweiz, sage-und-schreibe 13 % der gesamten Waldfläche dafür unter Schutz zu stellen und aus der forstlichen Nutzung zu nehmen. ((siehe Flächenbedarf für die Erhaltung der Biodiversität in der Schweiz, Lichtarten, S. 142)) Denn ESFEs sind genauso selten wie LSFEs. Swanson beklagt, dass Förster Windwürfe oder Borkenkäferflächen ganz schnell aufräumen und dann häufig auch noch künstlich aufforsten, damit dort möglichst schnell wieder ein Wald mit geschlossenem Kronendach wächst.

Nach oben
Zurück zur Einleitung
Nächste Seite: Sechs Eigenschaften von frühsukzessionalen Waldökosystemen

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert