“Ich hoffe zuversichtlich …, dass … die Menschen auch wieder lernen, dass man die Natur nicht nur nutzen, nicht nur ausnützen, sondern auch liegen lassen kann, entgegen allen vermeintlichen Erkenntnissen der Deutschen Forstwirtschaft.”
Bundespräsident Roman Herzog am 7. Oktober 1995 anlässlich der 25-Jahrfeier des Nationalparks ((zit. n. Nationalpark 1/96))
Tricksen: Fehlende Vergleichsmöglichkeiten – der Randbereich des Rachel-Lusen-Gebiets als Beispiel
Der Randbereich des Rachel-Lusen-Gebiets ist 3.733 ha groß. Das sind 27,6 % des 13.537 ha großen Altparks. ((siehe auch Nationalparkverwaltung (Hg.) Waldentwicklung im Nationalpark Bayerischer Wald in den Jahren 2006 – 2011 – Von Marco Heurich, Franz Baierl und Thorsten Zeppenfeld, Grafenau 2012, S. 7 Tab. 1)) Er bildet die Zone 3 “Naturzone mit Managementmaßnahmen”. ((Nationalparkverwaltung Bayerischer Wald (Hg.), Walderhaltungs- und Waldpflegemaßnahmen – Anlageband zum Nationalparkplan, Grafenau 2010, S. 5)) Er ist mindestens 500 Meter breit. In ihm muss dauerhaft gemäß § 13, Absatz 1, Satz 4 der Nationalparkverordnung der Borkenkäfer bekämpft werden, damit dieser nicht in die angrenzenden privaten Fichtenwälder eindringt. Im Jahr 2005 wurden in der Randzone insgesamt 27.999 Fm Holz eingeschlagen. Verglichen mit den 111.245 Fm 2006 oder 110.030 Fm 2007 scheint das wenig. Aber ist es das auch? Sind nicht vielleicht schon 27.799 Fm Holz viel zu viel für einen Nationalpark, in dem die natürlichen Prozesse ungestört ablaufen sollen? Um diese Fragen zu beantworten, bieten die offiziellen Dokumente der Nationalparkverwaltung keine Hilfestellung. Auch hier trickst die Verwaltung den forstlichen Laien aus.
Dabei gibt es durchaus Anhaltspunkte. Reinhard Strobl schreibt in seinem Aufsatz über “Die Geschichte des Waldes und seiner Besiedlung”: ((in: Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (Hg.), Eine Landschaft wird Nationalpark, Grafenau, 2. Auflage 1993, S. 31))
Im Bereich des Rachel-Lusen-Gebiets lag “der durchschnittliche jährliche Nutzungssatz .. vor der Errichtung des Nationalparks bei cirka 68.000 Erntefestmeter. Mit der Einführung des Nationalparks wurde der Waldpflegesatz auf 55.000 Erntefestmeter pro Jahr gesenkt. Seit 1972 sind jedoch tatsächlich jährlich im Durchschnitt nur mehr 42.000 Fm Holz angefallen …”
Der Hiebsatz betrug also im Wirtschaftswald vor 1970 ziemlich genau 5 Fm/ha. 1982 wurde der Planungsansatz für die Jahre 1982-1991 von 55.000 Fm auf 28.000 Fm “praktisch halbiert”. ((ebd.)) Da die Naturzone gleichzeitig auf ca. 6.000 ha der 13.537 ha Gesamtfläche erweitert wurde, konnte dieses Holz nur noch auf einer Fläche von 7.537 ha geerntet werden. Pro ha betrug der jährliche Planungssatz also 3,7 Fm/ha. Das ist ungefähr 25% weniger als vor Nationalparkgründung. Hans Bibelriether hat selbst diesen niedrigen Hiebsatz nie ausgeschöpft.
Kommen wir zurück zum Jahr 2005 und den eingeschlagenen 27.999 Fm. Mittlerweile wurde die Naturzone noch weiter ausgedehnt und Bäume werden nur noch in der 3.733 ha großen Randzone gefällt. Pro ha fielen dort also 7,5 Fm an. Das entspricht mehr als dem Doppelten des Planungsansatz von 1982 und 50 % mehr als im Wirtschaftswald. Es wird deutlich: Schon die scheinbar niedrige Holzmenge von 27.999 Fm von 2005 ist ein schwerer Eingriff in die Randzone. Die Hiebsätze in Fm/ha von 2002 – 2012 in der Randzone des Rachel-Lusen-Gebiets zeigt die folgende Grafik: ((Hier können Sie die Daten als Excel-Tabelle herunterladen: Hiebsatz im Rachel-Lusen-Gebiet. (Rechte Maustaste – Ziel speichern unter) ))
In 7 von 10 Jahren liegen sie zum Teil dramatisch über den Nutzungssätzen eines normalen Wirtschaftswaldes (5 Fm/ha). Und die Randzone des Rachel-Lusen-Gebiets ist mit 3.733 ha nicht eben klein: Bis 2010 war sie größer als die gesamte Naturzone des Falkenstein-Rachel-Gebiets. Diese ist selbst 2013 mit 4.400 ha nicht viel größer als die Randzone. Zum Vergleich: Der gesamte Nationalpark Jasmund ist mit 3.100 ha kleiner als die Randzone des Rachel-Lusen-Gebiets, in dem bis zum St. Nimmerleinstag Holz eingeschlagen werden wird. Es ist ein Skandal, dass auch 44 Jahre nach Gründung des Nationalparks der südliche Teil immer noch von privaten Fichtenwäldern umgeben ist, die angeblich gegen den Borkenkäfer aus dem Nationalpark geschützt werden müssen. Warum sind diese privaten Wälder immer noch nicht zu naturnahen Mischwäldern umgebaut worden?
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