Ursachen der misslungenen Wiederaufforstung
Das Pflanzen von Forstpflanzen und deren anschließende Pflege ist sehr schwierig. Unzählige Fehler mit schwerwiegenden Folgen sind möglich. Dazu Helmut Brunner, bayerischer Staatsminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten:
„Fehlen im Ausgangsbestand jedoch geeignete Samenbäume, führt an Pflanzung oder Saat kein Weg vorbei. Mehr denn je kommt es dabei auf die richtige Baumartenwahl, Herkunft sowie Qualität des Pflanzguts an. Auch das richtige Pflanzverfahren und die anschließende Pflege der Jungbestände sind entscheidend.“ ((Helmut Brunner in: Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Kulturbegründung und Jungwuchspflege – Wegweiser für bayerische Waldbesitzer, München 2010, Vorwort, Hervorhebung von F.- J. A.))
Schon in diesen drei kurzen Sätzen nennt Brunner fünf mögliche Fehlerquellen:
- falsche Baumartenwahl,
- falsche Herkunft des Pflanzguts,
- schlechte Qualität des Pflanzguts,
- falsches Pflanzverfahren und
- falsche Pflege der Jungbestände.
Bei der Wiederaufforstung im Schellenberger Wald in Essen-Heisingen kommen vor allem drei Fehler in Betracht:
1. Falscher Zeitpunkt des Freischneidens
Gerhard Stinglwagner, Ilse Haseder und Reinhold Erlbeck empfehlen im Kosmos Wald- und Forstlexikon, dass „der Gipfeltrieb der Forstpflanzen in der Hauptwachstumszeit (Mai / Juni) frei“ ((Gerhard Stinglwagner, Ilse Haseder und Reinhold Erlbeck, Kosmos Wald- und Forstlexikon, Stuttgart 52016, S. 469, Hervorhebung von F.-J. A.)) sein soll. Wenn der Jungwuchs durch Unkräuter wie z. B. Adlerfarn und Brombeeren stark beschattet oder sogar dicht überdeckt wird und wenn die Konkurrenz der Unkräuter den Kulturpflanzen Nährstoffe entzieht, sollen die Forstpflanzen zu Beginn der Hauptwachstumszeit Anfang Mai mechanisch freigeschnitten werden. In Essen-Heisingen war der Gipfeltrieb der Traubeneichen gerade in der Hauptwachstumszeit nicht frei.
2. Schäden durch Freischneiden
Ernst Röhrig, Norbert Bartsch und Burghard von Lüpke weisen in ihrem Lehrbuch “Waldbau auf ökologischer Grundlage” auf zwei Schäden hin, die durch das Freischneiden selbst verursacht werden können:
“Bisweilen sind solche Maßnahmen eher schädlich, weil die plötzlich freigestellten Jungpflanzen stärkerer Strahlungs- und Windeinwirkung ausgesetzt werden […] Beschädigungen der jungen Pflanzen sind häufig, besonders bei der Verwendung von motorgetriebenen Freistellungsgeräten […].” ((Ernst Röhrig, Norbert Bartsch und Burghard von Lüpke: Waldbau auf ökologischer Grundlage, Stuttgart 72006, S. 191, Hervorhebungen von F.-J. A.))
In der Tat waren die jungen Traubeneichen Ende Juni völlig schutzlos der starken Sonneneinstrahlung der heißen Sommertage ausgesetzt. Und auch die Warnung vor Motorsensen ist sehr berechtigt: Jeder Gärtner weiß, dass er Unkraut in einem Staudenbeet nicht mit der Motorsense entfernen kann. Es sei denn, er will die Stauden gleich mit entsorgen. Trifft der rotierende Mähfaden des Mähkopfes auf das Stämmchen einer Traubeneiche, wird die Rinde stark beschädigt. Durch die Verletzung dringen Pilze ein und das Bäumchen stirbt langsam ab.
3. Falsches Pflanzverfahren
Am 1. März 2016 schreibt Bürgerreporterin Julia Kübel einen Artikel für den Lokalkompass mit dem bezeichnenden Titel “Bürgerinitiativen pflanzen Bäume”. Zur bevorstehenden Pflanzung an der Korte Klippe lädt Günter Kirsten, Vorsitzender der Bürgerschaft Heisingen, selbige für den 11. und 12. März 2016 ein:
“Bürger können dabei auch mitpflanzen.”
Und die WAZ vom 13. März 2016 zeigt in ihrem Artikel “Spatenstich für neues Grün im Schellenberger Wald vollzogen” sogar zwei Kinder bei der Aufforstung. Der zuständige Förster Tobias Hartung bedankt sich auf der Homepage von Grün und Gruga bei den “tatkräftigen Unterstützern” für das “Bürgerengagement im Wald”. Gewiss haben sich alle Bürger im Rahmen ihrer Möglichkeiten bemüht, aber gut gemeint ist das Gegenteil von gut. Die Pflanzung von Bäumen “gehört zu den anspruchsvollsten Betriebsarbeiten” ((Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft, Starke Wurzeln – stabile Wälder, LWF Merkblatt 18, Hervorhebung von F.-J. A.)) und es gibt mindestens neun mögliche Pflanzfehler:
- “Ein zu kleines Loch,
- zu große Pflanze,
- Wurzeln werden umgebogen,
- Wurzeln werden alle in die gleiche Richtung gebogen,
- die Wurzeln werden im Pflanzloch unten aufgesetzt und eine Pfahlwurzel wird
so zu einer Horizontalwurzel, - der Wurzelschnitt wird nicht gemacht, sodass die Wurzeln unnatürlich
verbogen werden, - der Wurzelschnitt wird viel zu stark gemacht,
- die Pfahlwurzel wird eingekürzt, was ihr Wachstum in die Tiefe stoppt.” ((Christian Künzi, Wurzelgerechte Pflanzung, in: Wald und Holz 1/03, S. 43 – 46))
Auch die Auswahl der Pflanzen, die mit 80 – 120 cm schon recht groß waren, war ein Risiko, denn:
“Je kleiner die Pflanzen, desto geringer das Risiko von Wurzeldeformationen durch unsachgemäße Pflanzenanzucht und unsachgerechtes Pflanzen.” ((Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft, Starke Wurzeln – stabile Wälder, LWF Merkblatt 18))
Möglicherweise waren auch “die Wurzeln während des Transports, der Zwischenlagerung und auf der Pflanzfläche” ((Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Kulturbegründung und Jungwuchspflege – Wegweiser für bayerische Waldbesitzer, München 2010, S. 23)) nicht geschützt vor Sonne und Wind, sodass die empfindlichen Feinwurzeln vertrocknet sind.
Nach oben
Zurück zur Einleitung
Nächste Seite: Schlussworte der Essener Bürger