Das Scheitern der Borkenkäferbekämpfung im Nationalpark Harz im Spiegel der Tätigkeitsberichte

“Das Erscheinungsbild der Wälder hat sich in diesem Sommer drastisch gewandelt.”
Tätigkeitsbericht 2018, S. 6

Tätigkeitsbericht 2008

Königskrug

Im Tätigkeitsbericht 2008 taucht zum ersten Mal der Fachbegriff “Waldschutz” auf. Das Kosmos Wald- und Forstlexikon erklärt, was das ist:

Waldschutz, der: → Forstschutz (Kosmos Wald- und Forstlexikon, S. 950)

Forstschutz, der: […] F. beinhaltet auch den Waldschutz gegen Tiere, insbesondere Insekten (z. B. Borken-, Rüsselkäfer und andere schädliche Käfer sowie den Schutz der Kulturen gegen Wildschäden, v. a. Verbiss- und Fegeschäden) […] Die Aufgabe des F. besteht darin, die Ursachen und Erscheinungen aller Waldbeschädigungen festzustellen sowie Vorbeugungs- und Verhütungsmaßnahmen zu entwickeln und durchzuführen. (Kosmos Wald- und Forstlexikon, S. 316)

“Waldschutz” wird fortan in jedem neuen Bericht eine große Rolle spielen. Übrigens: auch an deutschen Universitäten spielt er eine wichtige Rolle. Viele Professoren für Forstwissenschaft sind Experten für “Waldschutz”, “Waldschutzmaßnahmen” und “Waldschutzmanagement”. Selbstverständlich sind auch die Mitarbeiter der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt (NW-FVA), die die NLP-Verwaltung “wissenschaftlich begleitet”, Experten für “Waldschutz”.

Neben diesem “Waldschutz” taucht in allen Tätigkeitsberichten ein zweiter Fachbegriff auf, der ganz wesentlich ist für den NLP Harz: “Waldentwicklung”. Was das heißt, erklärt Andreas Pusch persönlich:

“[…] wir haben noch Bereiche, wo wir eine Waldentwicklung unterstützen wollen. Wir sind nämlich ein Entwicklungsnationalpark. Wir haben eine großflächig gestörte Baumartenzusammensetzung. Wir haben immer noch in einigen Bereichen gleichaltrige, großflächige Reinbestände mit der damit verbundenen Strukturarmut.  […] Potentiell – also wenn man die natürlichen Standortverhältnisse voraussetzt – müssten wir mehr als zwei Drittel Laubwälder haben bei uns im NLP. Wir haben aber aktuell gerade 18 %. […] Wir sagen deswegen: Wir müssen die Waldentwicklung ein bisschen in Richtung höherer Naturnähe unterstützen. Das tun wir seit Jahren, seit Jahrzehnten vor allen Dingen durch Durchforstungen und anschließende Pflanzung. Wir pflanzen Laubbäume ausschließlich und davon zu 99 % Buchen […] und unterstützen so die Rückkehr der Buche.”

Was Pusch verschweigt: Der NLP “durchforstet” nicht nur die Fichtenwälder, er schützt sie auch. Der Tätigkeitsbericht 2008 wird sehr deutlich:

“Geprägt waren die Arbeiten im Bereich Waldentwicklung 2008 durch Waldschutzmaßnahmen. Die trockenwarme Witterung der vergangenen Jahre ließ für 2008 einen rasanten Käferbefall befürchten. Lokal kam es – vor allem um Bad Harzburg, Ilsenburg und Scharfenstein – zu deutlich sichtbaren Auswirkungen der Käferkalamität: viele Bäume wurden vom Buchdrucker befallen und zeigten deutlich sichtbare Schäden. Insbesondere dort, wo die Bestände stark vom Januar-Sturm 2007 („Kyrill“) betroffen waren. Besonders die mit Fichten bestockten trockenen Köpfe und Rippen, die infolge von Wasserstress der Borkenkäferentwicklung nur wenig entgegenzusetzen hatten, waren betroffen.
Um die Waldbestände der Nachbarn vor Borkenkäferbefall aus dem Nationalpark zu schützen, wird in einem ca. 500 Meter breiten Grenzstreifen der Käferbefall konsequent saniert – in gefährdeten Lagen, wenn es erforderlich ist, auch über die 500 Meter hinaus. […]
Das Waldschutzmanagement ist mit den zuständigen Ministerien abgestimmt und wird durch die Nordwestdeutsche Forstliche Versuchsanstalt wissenschaftlich begleitet. […]
Im Nationalpark werden in den Naturdynamikzonen keine Gegenmaßnahmen gegen die Käfer ergriffen. Hier hat die natürliche Entwicklung eindeutig Vorrang. In den Entwicklungszonen gilt ein abgestuftes Borkenkäferkonzept zum Schutz zusammenhängender Waldbestände.”(Tätigkeitsbericht 2008, S. 24 f.)

Gleich der erste Satz des Zitats enthält den Widerspruch des NLPs in Reinform:

“Geprägt waren die Arbeiten im Bereich Waldentwicklung 2008 durch Waldschutzmaßnahmen.”

Die “Waldentwicklung” war geprägt durch “Waldschutz”. Entwickeln soll sich ein Buchenwald. Geschützt aber wird der Fichtenwald:

“In den Entwicklungszonen gilt ein abgestuftes Borkenkäferkonzept zum Schutz zusammenhängender Waldbestände.”

Folglich wird der “Käferbefall” auch nicht begrüßt. Er wird “befürchtet”. Er ist eine “Kalamität”. Und das ist laut Wörterbuch von Oxford Languages  eine “schlimme, missliche Lage” bzw. ein “durch Schädlinge […] hervorgerufener schwerer Schaden in Pflanzenkulturen”. Der Tätigkeitsbericht spart nicht mit alarmistischen Beschreibungen: “rasanter Käferbefall”, “deutlich sichtbare Auswirkungen”, “befallen”, “deutlich sichtbare Schäden”, “trocken”, “Wasserstress”.

Die NLP-Verwaltung weiß genau, dass ihr “Borkenkäfermanagement” mit den “Gegenmaßnahmen gegen den Käfer” wider die Natur ist:

“Im Nationalpark werden in den Naturdynamikzonen keine Gegenmaßnahmen gegen die Käfer ergriffen. Hier hat die natürliche Entwicklung eindeutig Vorrang.”

Wenn Sie das Verhalten der NLP-Verwaltung nicht verstehen, grämen Sie sich nicht! Man kann dieses Verhalten nicht verstehen.

Hühnerbruch

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