Das Scheitern der Borkenkäferbekämpfung im Nationalpark Harz im Spiegel der Tätigkeitsberichte

“Kurzum: nehmen Sie teil an der Entwicklung unserer Wälder zur neuen Waldwildnis!”
Andreas Pusch (Tätigkeitsbericht 2019, S. 4)

Tätigkeitsbericht 2019

Auch 2019 bewegt sich der Holzeinschlag in schwindelerregenden Höhen: immer noch 114.419 Fm. Aber darüber spricht der Bericht nicht. Stattdessen gibt es nach der Premiere im Vorjahr ein zweites Schwerpunktthema: “Öffentlichkeitsarbeit und Umweltbildung zum Waldwandel”.

Die PR des NLPs kennt nur noch ein Thema: nicht etwa den hohen Holzeinschlag im Sicherungsstreifen, sondern die “Waldentwicklung/Borkenkäfer”.

“Vor diesem Hintergrund wurde seit 2018 die gesamte Öffentlichkeits- und Umweltbildungsarbeit der Nationalparkverwaltung auf den Schwerpunkt „Waldentwicklung/Borkenkäfer“ ausgerichtet.” (Tätigkeitsbericht 2019, S. 5)

Komischerweise ist von der Bekämpfung des Borkenkäfers in diesem Kapitel überhaupt nicht die Rede. Stattdessen heißt es:

“Dazu gehörte es auch schon immer zu verdeutlichen, dass tote Bäume eine wichtige ökologische Funktion im Lebensraum Wald haben und dass der Borkenkäfer im Ökosystem Fichtenwald Teil dieser natürlichen Prozesse ist.” (ebd.)

Das hatte den jahrzehntelangen Krieg gegen den Käfer bislang nicht verhindert. Stattdessen hieß es bis 2017 immer:

“Ebenso wurde in ausgewählten Bereichen der Naturentwicklungszone der Verbreitung des Borkenkäfers entgegen gewirkt.” (Tätigkeitsbericht 2017, S. 35)

Und noch 2012 konnte der Leser der Tätigkeitsberichte erfahren, warum der Käfer in der Naturentwicklungszone bekämpft wurde:

“In der Naturentwicklungszone wird die Borkenkäferbekämpfung mit abgestufter Intensität durchgeführt. Hier dient sie vor allem dem Schutz zusammenhängender Fichtenkomplexe.”(Tätigkeitsbericht 2012, S. 38)

Offenbar gehören “zusammenhängende Fichtenkomplexe” nicht zum “Ökosystem Fichtenwald”. Denn in diesen ist der Borkenkäfer “Teil dieser natürlichen Prozesse”.

Das Kapitel “Waldschutzmaßnahmen” taucht erst 30 Seiten später auf. (Tätigkeitsbericht 2019, S. 34 f.) Und es nimmt mit 3 Seiten dreimal soviel Platz ein als die Waldentwicklung. (Tätigkeitsbericht 2019, S. 33 f.). Allerdings braucht man so viel Platz nur deswegen, um wortreich zu begründen, warum der Waldschutz vor der “sehr große[n] Massenvermehrung des Borkenkäfers” kapituliert. Der Tätigkeitsbericht wird zur Katastrophenberichterstattung: “Massenvermehrung”, “so hoch”, “total überbesiedelt”, “faktisch nicht mehr möglich”, “gewaltige Beschleunigung”, “Engpässe”, “Überangebot”, “nicht mehr funktionierend”:

“Die bereits 2018 sehr große Massenvermehrung der Borkenkäfer bekam dadurch eine neue Dimension. Die Populationsdichte des Buchdruckers […] war so hoch, dass befallene Fichten total überbesiedelt wurden und durch Geschwisterbruten und Regenerationsfraß der Altkäfer eine Abgrenzung von Generationen faktisch nicht mehr möglich war. Die Waldentwicklung erfuhr sowohl in den Hochlagen, die sich überwiegend in der Naturdynamikzone befinden, als auch in den Waldentwicklungsbereichen der mittleren und unteren Lagen nochmals eine gewaltige Beschleunigung. […]

Die Borkenkäferbekämpfung im verbleibenden 500 Meter-Sicherungsstreifen war auch 2019 ein Arbeitsschwerpunkt. Große Holzmengen waren zeitnah zu erfassen, aufzuarbeiten und schnell aus dem Wald zu transportieren. Dabei gab es Engpässe bei der Verfügbarkeit von Forstunternehmen und aufgrund des bundesweiten Überangebots an Käferholz einen nicht mehr funktionierenden Holzmarkt.” (Tätigkeitsbericht 2019, S. 34 f.)

Von einer Bekämpfung des Käfers außerhalb des Sicherungsstreifens ist nicht mehr die Rede. Die Nordwestdeutsche Forstliche Versuchsanstalt  – bis 2018 (Tätigkeitsbericht 2018, S. 8) ein steter “fachlicher” und “wissenschaftlicher Begleiter” der Waldschutzmaßnahmen – wird nicht mehr erwähnt: Auch sie ist mit ihrem Latein am Ende.

Odertal

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