Der Zorn des alten Mannes

Tote Fichten als fatale „Urlaubserinnerung“

Am 19.4.2018 widmet der HK der Kritik von Dr. von Kortzfleisch am NLP Harz einen ganzen Artikel: Tote Fichten als „fatale Urlaubserinnerung“.

Titelbild und Einleitungstext sind wirklich gut gewählt:

„Seit die vom Borkenkäfer befallenen Flächen die B 4 als Haupteinfallstor zum Harz geradezu flankieren, entflammt die Kontroverse um die Nationalpark-Philosophie von der sich selbst zu überlassenden Natur in neuer Intensität. Und es ist nicht mehr allein nur eine Debatte unter Forstfachleuten. Auswirkungen auf den Tourismus werden befürchtet.“

Es ist tatsächlich so, wie der HK es beschreibt: die toten Fichten „flankieren“ die B 4. Zwischen Torfhaus und Braunlage fährt man minutenlang mitten durch abgestorbene Fichtenwälder.

Auswirkungen auf den Tourismus

Ähnlich wie die Anwohner des NLP Bayerwald vor 30 Jahren, so befürchtet nun auch Dr. von Kortzfleisch negative Auswirkungen auf den Tourismus:

„Die Auswirkungen auch auf den Tourismus als wirtschaftliche Lebensader des Harzes seien noch gar nicht abzuschätzen.“

Deshalb fordert er:

„In einer großangelegten Umfrage sollten Touristen, aber auch Einheimische sozusagen zu ihrem Verhältnis zum Harz und speziell auch zu den Borkenkäferflächen befragt werden, und zwar ‚frei und unbeeinflusst‘.“

Wenn von Kortzfleisch „frei und unbeeinflusst“ betont, so zielt er darauf ab, dass die Umfrage nicht vom NLP durchgeführt werden soll. Ihm wirft er vor, die Wirklichkeit zu beschönigen:

„Während tote Fichtenwälder die Hauptzufahrtsstraßen säumen, male der Nationalpark beispielsweise in seinem Tätigkeitsbericht 2010 ein anderes Bild: ‚Besonders im Harz ist für viele Gäste die intakte Natur ein wesentlicher Bestandteil ihres Urlaubs [..] Umweltorientierte Qualität und Genuss haben im Tourismus Zukunft.‘ 1Tätigkeitsbericht 2010, S. 60, F.-J. A. Und der Nationalpark-Chef, so von Kortzfleisch, freute sich, dass der Harz zu „Deutschlands schönstem Naturwunder“ gewählt worden war. Auf dem Wettbewerbsfoto („Sonnenaufgang am Hirtenstieg“)2Tätigkeitsbericht 2010, S. 4, F.-J. A. sei von toten Fichten nichts zu sehen gewesen …“

Von Kortzfleisch wundert sich, dass eine solche Umfrage noch nicht durchgeführt worden ist:

„Welchen Stellenwert die Landschaftsästhetik auf die Harzbesucher habe, werde dabei ausgerechnet in einer Tourismusregion völlig außer Acht gelassen. […] Für die Tourismusbranche beispielsweise […] könnten Antworten auf die Frage, welchen Einfluss die Wahrnehmungen der Harzbesucher auf spätere Urlaubsplanungen haben, von existenzieller Bedeutung sein.“

Mit seiner Kritik trifft von Kortzfleisch den wunden Punkt des NLP, der die positiven Auswirkungen auf den Tourismus immer betont hat. Sollte sich nun bei einer Umfrage herausstellen, dass die Urlauber nicht mehr wiederkommen wollen, geriete der NLP in Erklärungsnöte.

Albrecht von Kortzfleisch 1

Kritik am Prozessschutz

Von Kortzfleisch macht so wie Demmelbauer damals im NLP Bayerwald überhaupt keinen Hehl aus der Tatsache, dass er ein entschiedener Gegner des Prozessschutzes ist:

„In der sogenannten Naturdynamikzone, die mittlerweile auf 61 Prozent der Nationalparkfläche ausgedehnt sei, würden keine Gegenmaßnahmen gegen den Borkenkäfer ergriffen. Damit habe sich der Nationalpark selbst die Hände gebunden, konstatiert von Kortzfleisch. Der Nationalpark-Grundsatz ‚Natur Natur sein lassen‘ werde nicht mehr hinterfragt. Für Albrecht von Kortzfleisch ein fataler Grundsatz.“

Denn:

„Das Verfahren […] sei fragwürdig, das Ausmaß der Massenvermehrung des Borkenkäfers sei offenkundig total unterschätzt worden.“

Dieser Verdacht drängt sich in der Tat auf. Es ist fraglich, ob irgendjemand bei Gründung des NLP mit diesem Ausmaß des Fichtensterbens gerechnet hat: 

„Auch gesunde Bäume und Fichtenwälder auf nassen Standorten seien betroffen. Nach der Schätzung von Nationalparkexperten seien derzeit auf mehr als 5.000 Hektar Wald alle alten Fichten abgestorben.“

Heute gewinnt der Besucher beim Anblick des toten Waldes den Eindruck, dass der NLP vor dem Käfer kapituliert hat.

„Der Borkenkäferbefall habe Dimensionen angenommen, die eine erfolgreiche Bekämpfung oder Eindämmung schon allein rein technisch unmöglich machte.“

Dr. von Kortzfleisch vergleicht das Fichtensterben im NLP mit einer früheren Borkenkäferkalamität:

„Bei der „großen Wurmtrocknis“, so beschreibt es Friedrich Günther 1888 in seinem Buch „Der Harz in Geschichts-, Kultur- und Landschaftsbildern“, seien Ende des 18. Jahrhunderts Hunderttausende Fichten ein Raub des Borkenkäfers geworden. Mehr als 2,3 Millionen Bäume wurden allein im Westharz gezählt. Fünf neue Sägewerke entstanden. Und aus dem befallenen und nicht mehr zu nutzenden Holz wurde Holzkohle gemacht. Heute, so Dr. von Kortzfleisch, lasse der Nationalpark Harz das Holz einfach verrotten.“

Hier verwickelt sich von Kortzfleisch in einen Widerspruch: An der großen Wurmtrocknis war ja nicht der NLP schuld. Haben die Förster im Harz vor 200 Jahren versagt? Oder fehlte ihnen damals einfach die moderne Technik? Hätte man die Fichten im NLP heute durch konsequenten Einsatz leistungsfähiger Harvester schützen können? Dann sähe der Harz heute vielleicht so aus wie weite Teile des NLP Bayerwald: keine toten Wälder, dafür riesige Kahlschläge.3siehe Ultraviolence

Urwald

Auf jeden Fall ist der ehemalige Forstamtsleiter ein Freund der Forsttechnik. Mit ihr meint er sogar einen Urwald herstellen zu können:

„Die grundlegende Absicht des Nationalparks, im Harz einen ‚Urwald aus zweiter Hand‘ entstehen zu lassen, sei zu begrüßen, so Dr. von Kortzfleisch. […] Wobei Dr. von Kortzfleisch die Ansicht vertritt, dass das postulierte Entwicklungsziel eines ursprünglichen Harzer Urwaldes auf dem eingeschlagenen Weg ohne den Einsatz ‚bewährter Forsttechnik‘ nicht zu erreichen sei.“

Einen Urwald ohne Borkenkäfer, aber mit Forsttechnik? Wie von Kortzfleisch sich das vorstellt, lässt er leider im Dunkeln.

Kommentar des HK

Am selben Tag erscheint auch ein Kommentar zum Artikel des HK: „Rattenschwanz“ folgt.

Kathrin Franke stimmt von Kortzfleisch zu:

„Tote Fichtenwälder! Das klingt nicht nur erschreckend, sondern sieht auch wirklich nicht gut aus. […] Und nicht zu vergessen – wie Dr. von Kortzfleisch anprangert – die negativen Auswirkungen auf den Tourismus. Wenn ich im Naturpark spazieren gehe, möchte ich natürlich von Grün in all seinen Nuancen umgeben sein. Also ist hierbei wohl nicht der beste Weg, ‚Natur Natur sein zu lassen‘.“

 
Dieser Kommentar ist keineswegs selbstverständlich. Der HK berichtet für gewöhnlich sehr positiv über den NLP.4siehe unten  Aber diese Ausgabe vom 19.4. ist anders. Und sie hat Folgen: Politiker und Tourismusfachleute sind verunsichert und stellen unbequeme Fragen.

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