Bevor ich wegen meines Fahrradunfalls in den Ruhestand versetzt wurde, war ich Biologielehrer an einem Gymnasium in Nordrhein-Westfalen. Folgende Aufgabe hätte ich mir sehr gut in der mündlichen Abiturprüfung ((Inhaltsfeld 5: Ökologie, Inhaltlicher Schwerpunkt: Mensch und Ökosysteme, siehe Biologie Kernlehrplan Kompetenzen und Biologie Kernlehrplan Abiturprüfung)) vorstellen können.
Im Kommentar unter der Aufgabe können Sie Ihre Lösung hinschreiben. Unter den richtigen Lösungen werden drei Amazon-Gutscheine von je 10 € verlost. Die beste Lösung erhält einen Amazon-Gutschein von 20 €. In 14 Tagen, also am 8. September, erfolgt die Auflösung. Gleichzeitig zeige ich Ihnen dann die Bearbeitung dieser Aufgabe durch einen Diplom-Biologen, der Abteilungsleiter in einem deutschen Nationalpark ist.
Buchen und Fichten auf einem Berg
Material:
Die Abbildung zeigt grob schematisch den Wald eines 675 m hohen Bergs in Deutschland, der forstwirtschaftlich genutzt wird. Die Buchen auf der linken Seite sind z. T. etwas älter als 100 Jahre, die Fichten der rechten Seite sind alle 30 Jahre alt.
Arbeitsauftrag:
Erörtern Sie ausführlich und mithilfe von Fachbegriffen vor dem Hintergrund Ihrer Kenntnisse über das Ökosystem Wald in Deutschland und dessen Geschichte, wie der Wald auf dem Berg aussehen würde, wenn die Förster nicht eingegriffen hätten!
Auf diesem Berg würden, falls er sich nicht direkt im Vorland der Alpen oder des Bayerischen Waldes befindet, überwiegend Rotbuchen wachsen, und zwar in allen verschiedenen Altersstadien wie zufällig gemischt. Wenige Bäume anderer Laubbaumarten würden hier un da ebenfalls vorkommen (Esche, Ahorn, Eiche, Hainbuche etc.).
Herzlichen Glückwunsch zum Gewinn des 10€-Gutscheins!
Wenn “die Förster” nicht eingegriffen hätten, wäre der Berg heute noch kahl. Er wäre nach den Rodungen im Mittelalter nicht wieder aufgeforstet worden. Dabei zeugt es von Weitsicht und ökologischem Verständnis, das schon vor über 100 Jahren Buchen verwendet wurden. Andere Berufsgruppen waren damals noch nicht so fortschrittlich. Die Lehrer z.B. schlugen die Schulkinder noch. Das soll keine bösartige Bemerkung sein sondern der ernst gemeinte Hinweis, das man alles was man heute vorfindet auch in die Zeit seiner Entstehung einordnen muss.
Im übrigen kann es keine definitiv richtige Antwort auf die Frage geben. Es hat immer eine Koexistenz zwischen Mensch und Buche gegeben. Als die Buche nach der letzten Eiszeit eingewandert ist, war der Mensch schließlich schon da. Somit ist die Frage unsinnig, weil sie von der falschen Voraussetzung ausgeht, das es unsere heutige Vegetation jemals im vom Menschen unbeeinflussten Zustand gegeben hätte.
Die 20€ nehme ich nicht an sondern würde mich freuen, wenn Sie sich ein gutes Buch über die Waldgeschichte dafür kaufen würden.
Sorry, Korrektur, es ist ja eine Abi-Aufgabe. So ersetze ich “kirchliches Jagdrevier” lieber durch “fürstbischöfliches Jagdrevier”, schließlich hat man ja auch in Geschichte aufgepasst 😉
[…] Also wer nicht mindestens auch Moose, Flechten, Spechte (Schwarzspecht, Mittelspecht in HOHEN Populationsdichten, verschiedene Pilzarten und Urwaldreliktarten-Käfer erwähnt, ist in meinen Augen schon durchgefallen 😉 Wer eine 1 und den Medizinstudienplatz anstrebt, sollte mindestens auch den Igelstachelbart und xylobionte “basic”-Käfer erwähnen, Eremit und Glanzknochenkäfer ist das mindeste. Und die Lebensraumtypen Hainsimsen-Buchenwald, Waldmeister-Buchenwald, mitteleuropäischer Orchideen-Kalk-Buchenwald, Eichen-Hainbuchenwälder, Labkraut-Eichen-Hainbuchenwälder und Schlucht- und Hangmischwälder sollte man sicher auch erwähnt haben. Die möglichen Bodenarten mit den entsprechenden Lebensraumtypen. Horstbäume, stehendes Starktotholz, liegendes Starktotholz, hohe Wasseraufsaugfähigkeit (oh je, kein Fachbegriff) des Bergwaldbodens, also auch viele Quellen und Bächlein mit Feuersalamander, da der Berg noch nicht mit 4-6 Meter breiten schwerlastfähigen Forststraßen und Rückegassen womöglich alle 20 Meter durchzogen wurde, die für einen rasanten Wasserabfluss talwärts sorgen. und und und… da kommt schon was zusammen, mit dem sich der Prüfer hoffentlich zufrieden gibt 😉
Wenn man erst einmal in Fahrt gekommen ist, gibt es kein halten mehr. […] Man könnte sich natürlich an Wäldern in gemäßigten Breiten inspirieren, die relativ wenig bis keine Förster zu Gesicht bekommen haben. Das Wort “Karpaten” könnte fallen, oder die Bukowina, das “Land der Buchen”, 1/2 Ukraine, 1/2 Rumänien. Man könnte geschickt das UNESCO-Weltnaturerbe Buchenwälder erwähnen, und dabei ganz obergescheit sagen, dass es inzwischen keineswegs nur die Buchenurwälder der Karpaten und die 5 deutschen old growth beech forests umfasst, sondern dass es seit Juli nun wertvollste Buchenwaldgebiete von insgesamt 12 europäischen Ländern beinhaltet. Dann noch schnell aufzählen: Spanien, Belgien, Deutschland, Italien, Polen, Slovakei, Slovenien, Kroatien, Albanien, Rumänien, Bulgarien, Ukraine. Und dass die Ukraine bei der Gelegenheit noch Buchenwaldgebiete nachgemeldet hat, was Deutschland nicht getan hat – nix Steigerwald, nix Spessart. Ist zwar schon etwas abgeschweift, aber mit logischem Zusammenhang, der Prüfer ist dann hoffentlich nicht komplett unzufrieden und die Zeit ist aufgebraucht 😉
Beim Hinausgehen sagt man dann noch, dass man hofft, dass wenn auch die “hyrcanischen” Buchenwälder des Irans und Aserbaidschans mit ins UNESCO-Weltnaturerbe Buchenwälder aufgenommen werden, Deutschland die Gunst der Stunde nutzt und endlich auch Steigerwald, Spessart und Pfälzerwald nachmeldet. Das dürfte die letzte Gelegenheit für Deutschland sein, sein Buchenwälder-Weltnaturerbe zu erweitern. Danach ist endgültig Schluss, vertane letzte Chance.
Da die Lage des kleinen Berges im mitteleuropäischen Waldland mit seinen klimatischen, Boden- und Höhenunterschieden unbekannt ist, kann man sich viele schöne, von holzmengenoptimierten Försterforsten unbelastete Fantasien einfallen lassen.
Aus der Buche links, und der etwas überalterten Christbaumplantage rechts, wurde wohl auch bei der künstlichen Begründung davon ausgegangen, daß links die etwas milderen, rechts die etwas kühleren und feuchteren Witterungsverhälnisse herrschen. Die Zonierung reicht von der Niederung über die kolline Höhenstufe bis in den submontan-montanen Bereich. Das lässt im ursprünglich durchgängigen Waldland eine bunte Gemeinschaft mit vielleicht Eiche, Linde, Ulme, Spitzahorn u. a. in den unteren Lagen annehmen, Höher hinauf sind dann sicher die spät eingewanderten Buche und Tanne so wie Bergahorn zu erwarten. In einem Kar-Kessel oder im Osten könnte tatsächlich auch eine Fichte oder Kiefer ins Auge fallen..
Da der Förster, wie gesagt, ganz herausgehalten wurde, gibt es auf jeden Fall von Zeit zu Zeit Licht- und Bodenlücken, in denen die kurzlebigeren Vorwald-Baumarten wie Vogelbeere, Birke, Salweide, Zitterpappel u. a. Boden und Keimklima für die nachfolgenden Bäume aufbereiten.
Da jede Baumart auch ihren individuellen Lebenszyklus durchmachen darf, gibt es u. a. auch mit Totholz aller Arten, am Baum, im Stehen und am Boden Strukturen und Lebensmöglichkeiten für die Mannigkaltigkeit derjenigen Lebewesen, die nur in diesem Wald existieren können.
Auf jeden Fall wäre es eine Freude als aufmerksamer und nachdenklicher Mensch beobachtend und lernend auf unserem “675-m-Hügel” lust zu wandeln.
Auch ab und an ein Baum für den First der neuen Scheune würde dem Ganzen keinen Abbruch tun.
Abbruch tut uns aber die lähmende Gleichförmigkeit, die wir scheinbar alternativlos mit links Buche und rechts Fichte etragen müssen.
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Obwohl vom Fach, kann ich trotz Grübelns keine verbindliche Antwort auf die Frage finden. Zu viele Parameter sind unbekannt. Liegt der Berg in Norddeutschland oder in Süddeutschland, sind seine Gesteine basich oder sauer, nährstoffarm oder nährstoffreich? Liegt er im natürlichen Verbreitungsgebiet der Tanne oder außerhalb? Grenzt er an ein Altsiedelgebiet an oder liegt er mitten in einem spät erschlossenen Mittelgebirge? Die allerwichtigste Frage aber ist, wie er vor dem Wirken der Förster ausgesehen hat. War er tatsächlich kahl, wie Herr Müller mutmaßt, war er mit Haubergsniederwäldern bedeckt oder mit Mittelwald – oder haben sich die Buchenwälder auf dem Berg über die Zeit gerettet? Waren die Kuppen beweidete Grinden wie im Nordschwarzwald? Gab es Streunutzung, Beweidung, Köhlerei oder Pottaschegewinnung mit welcher Intensität? Gibt es dort Rotwild oder nicht?
Die Fragen sollen lediglich zeigen, wie komplex die Situation ist. Viele Antworten sind möglich. Wer will entscheiden, welche Lösung da die richtigere oder falschere ist? Es gibt in Deutschland keine unberürten Wälder mehr, weil der Mensch ihnen seinen Stempel aufgedrückt hat. Dieses Stigma tragen selbst Wälder, die bereits seit Jahrhunderten nicht mehr bewirtschaftet werden (aber wahrscheinlich gibt es solche Wälder noch gar nicht).
Mit meinen Ausführungen will ich aber niemandem den Mut nehmen, zumindest den Versuch zu wagen, die Frage zu beantworten. Ich selber kapituliere vor der Komplexität ökologischer Prozesse.
Ich bin mir nicht sicher, ob Nicht-Pädagogen die Arbeiten von Prof. Dr. Hans Peter Klein (Didaktik der Biowissenschaften, Goethe-Universität Frankfurt) kennen. Klein zählt zu den schärfsten Kritikern des Zentralabiturs in Deutschland. Eine seiner frühen und erschütternden Arbeiten zum Biologie-Zentralabitur in NRW finden sie hier. Eines seiner Ergebnisse ist, dass gerade die besten Schüler keine sehr guten Noten mehr erzielen. Grund dafür ist, dass sie es nicht glauben können, dass die Aufgaben tatsächlich so leicht sind und es sich künstlich kompliziert machen. Einige der Teilnehmer hier können es offenbar auch nicht glauben, dass meine Aufgabe so leicht ist. Nun – hier ein Hinweis: Hessen-Forst hat die die linke Hälfte des Bergs als Kernfläche Naturschutz ausgewählt.
“Die Buchen auf der linken Seite sind z. T. etwas älter als 100 Jahre,” = Kernfläche Naturschutz? Und was heißt “z.T.”? Wie groß ist der “Teil”? Ein paar traurige Überhälter, darunter “junges Gemüse”? Aber letztlich ja egal, was NUN ist, es geht ja nur darum, wie es WÄRE wenn kein Förster etc pp.
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Angeblich soll Albert Einstein einmal gesagt haben: “Man muss die Dinge so einfach wie möglich machen. Aber nicht einfacher.”
Die Aufgabe fragt danach, wie der Wald auf dem Berg aussehen würde, wenn die Förster nicht eingegriffen hätten. Da es Förster aber erst seit vielleicht 300 Jahren gibt und angesichts der Langlebigkeit von Bäumen 300 Jahre für die Entwicklung eines Wadökosystems nicht sehr lang sind, muss man wissen, wie der Vegetationszustand des Berges vor 300 Jahren war. Das mögliche Spektrum reicht von devastierter Kahlfläche über Nieder- und Mittelwälder bis hin zum Buchenwald, vielleicht je nach Höhenlage und Exposition sogar alles zusammen. Von diesem Ausgangszustand hängt in starkem Maße ab, wie der Wald heute aussehen würde. Das Studium der Waldgeschichte von Deutschland zeigt eindeutig, dass die Menschen lange vor den ersten Förstern den Wald stark verändert und auf großen Flächen sogar völlig zerstört haben.
Aber wahrscheinlich meint die Frage eigentlich etwas ganz anderes, nämlich wie der Wald ohne direkten menschlichen Einfluss aussehen würde. Das liefe auf eine Beschreibung der potentiellen natürlichen Vegetation hinaus, angereichert mit ein paar Fakten aus der Urwaldforschung. Aber selbst diese Frage ist nicht einfach zu beantworten, denn es gibt in Deutschland keine von Menschen unbeeinflussten Wälder mehr. Wir wissen aus empirischen Beobachtungen, dass die Buche in der Jetztzeit eine starke Dominanz entwickelt. Daraus wird gefolgert, dass Buchenwaldgesellschaften auf dem größten Teil der Fläche von Deutschland die pnV bilden würden. Diese Schlussfolgerung ist aber alles andere als zwingend. Ich will das an einem praktischen Beispiel erläutern.
Die Urwälder von Uholka werden stark von der Buche dominiert. Es sind sogar fast reine Buchenwälder. Anhand von Bildern und Goggle Earth ist aber leicht zu erkennen, dass die Kuppen der Berge kahl sind. Dies ist vermutlich auf jahrtausendelange Weidewirtschaft zurückzuführen. Aber wer weiß, ob die Weidetiere in der Auftriebszeit nicht übergangsweise im Wald geweidet haben, wie das in vielen Ländern heute noch der Fall ist? Untersuchungen in rumänischen Buchenwäldern haben gezeigt, dass Ziegenbeweidung zu einer starken Begünstigung der Buche führt, weil andere Baumarten in der Verjüngungsphase bevorzugt gefressen werden. Eine ähnliche Wirkung hat der Wildverbiss in deutschen Laubwäldern. Ist die Dominanz der Buche also wirklich “natürlich” oder ist sie nicht vielleicht auch auf menschliche Wirkungen wie zu hohe Wildbestände oder Beweidung zurückzuführen? Ich kann die Frage natürlich auch nicht eindeutig beantworten, aber sie muss auf jeden Fall gestellt werden. Wir sollten die Dinge nicht einfacher machen als sie in Wirklichkeit sind.
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