Landesjagdgesetz in NRW fällt beim Zentralabitur durch

Das neue Landesjagdgesetz in NRW erlaubt auch weiterhin den Abschuss von Elstern. ((LJG-NRW, § 2))

01-Magpie

Eine Zentralabituraufgabe des Landes NRW aus dem Jahr 2007 weist nach: “die Größe der Elsterpopulation hat keinen Einfluss auf die Größe der Populationen der kleinen Singvogelarten”. ((Der „Rabenvogelstreit“ und seine populationsdynamischen Hintergründe, Abiturprüfung 2007, Grundkurs Biologie, Unterlagen für die Lehrkraft, S. 4)) Außerdem übt die Aufgabe deutliche Kritik an den offiziellen Begründungen der Jäger für die Jagd auf Elstern.

Im Zentrum der Abituraufgabe steht der Rabenvogelstreit:

“Seit fast 20 Jahren wird in Deutschland ein Streit um die Bejagung der Rabenvögel (wie z. B. Rabenkrähe und Elster) ausgetragen. Besonders die Elster [] wird für Ei- und Nestlingsverluste bei Singvögelgelegen verantwortlich gemacht. Auf der einen Seite plädieren daher viele Jäger für die möglichst weitgehende Freigabe der Jagd. Die Hauptbegründung, mit der auch von staatlicher Seite immer wieder eine Bejagung ermöglicht wird, lautet: Die Bejagung im Sinne einer Regulation erfolgt zum Schutz […] der kleineren Singvögel (z. B. Blaumeise, Mönchsgrasmücke, Heckenbraunelle, …). Denn die zunehmenden Populationen von Rabenkrähe und Elster dezimieren – so die Argumentation – in beträchtlichem Ausmaß die Singvogelbestände […]. Auf der anderen Seite stehen Naturschützer, die sich […] relativ geschlossen gegen eine Bejagung aussprechen […].” ((Der „Rabenvogelstreit“ und seine populationsdynamischen Hintergründe, Abiturprüfung 2007, Grundkurs Biologie, Unterlagen für die Schüler, S. 2, Hervorhebung von mir; die Prüfungsaufgabe kann mitsamt Musterlösung von allen Oberstufenschülern und Lehrern in NRW heruntergeladen werden: Bildungsportal des Landes NRW – Zentralabitur NRW – Abitur Gymnasiale Oberstufe – Prüfungsaufgaben))

Pica pica -Daventry Country Park, Daventry, Northamptonshire, England-8

Zur Auflösung des Streits bietet die Abituraufgabe mehrere Kurven zur Entwicklung der Populationen von Elstern und Blaumeise, Mönchsgrasmücke und Heckenbraunelle. Die Daten stammen aus Osnabrück und umfassen die Jahre von 1986 – 1998. Von 1989 an wurde die Jagd auf Elstern eingestellt, 1997 wurde sie wieder aufgenommen. Außerdem erhält der Prüfling eine Tabelle mit Angaben zum prozentualen Anteil verschiedener Nahrungskomponenten der Elster (Regenwürmer, Spinnen, Insekten usw.). Laut Musterlösung soll der Prüfling bei seiner Auswertung feststellen, dass:

  • “von 1986 bis 1994 ein stetiger Anstieg der Elsterpopulation erfolgt unabhängig davon, ob die Elster bejagt wird oder nicht,
  • ab 1994 die Elsterpopulation kaum mehr zunimmt und eine Sättigung erreicht, noch bevor ab 1997 die Jagd wieder einsetzt. […]
  • die Nahrungsbeziehungen zwischen der Elster und den drei Singvogelarten nicht
    für die Zunahme der Elsternpopulation spricht, weil sich die Elster im Sommer
    nur zu weniger als 10 % von Vögeln ernährt, wobei dieser Nahrungsbestandteil
    im Winter noch mehr zurücktritt,
  • die Zunahme der Elsterpopulation nicht „zu Lasten“ der kleineren Singvögel abläuft,
    weil deren Populationen im Schnitt nicht abnehmen,
  • die periodischen Schwankungen der drei kleinen Singvogelarten nicht durch die
    Elster als Räuber verursacht werden. […]
  • die Zunahme der Elsterbestände wird z. B. über gute, sich verbessernde Nahrungsbedingungen im menschlichen Umfeld (etwa durch Haushaltsabfall als umfangreichem Nahrungsbestandteil) beeinflusst,
  • die Sättigung der Elsterpopulation wird mit dichteabhängiger Selbstregulation unter
    Nennung eines Faktors, z. B. Wachstumsbegrenzung durch Erschöpfung des
    Nahrungsangebotes bzw. durch Abdeckung des Raumes mit Elsterrevieren erklärt.” ((a. a. O., S. 3, Hervorhebungen von mir))

Pica pica perched grass 1

Am Ende soll der Abiturient Stellung beziehen zu den Positionen der Jäger und Naturschützer. Eine mögliche Musterlösung lautet:

  • Ablehnung der Elsterjagd, weil diese nach den vorliegenden Daten weder zur
    Regulation der Singvogelpopulation noch der Elsterpopulation beiträgt,
  • weil die Elster in ihrer Funktion als Mäuse- und Abfallfresser in ihrem Bestand
    dezimiert wird.” ((a. a. O., S. 4, Hervorhebungen von mir))

Und dann folgt doch noch der Kotau vor der Landesjägerschaft – der Prüfling darf nämlich auch eine “Gegenposition” einnehmen:

  • “weiteres Populationswachstum wurde nicht untersucht,
  • die Rolle der Jäger und die Auswirkungen der Jagd nach 1997 wurden ungenügend
    dargestellt.” ((ebd))