Die Mindestanforderungen an einen Trittstein
Bevor ich mich dem widme, was Mergner über die Trittsteine im GLB schreibt, möchte ich erklären, was einen guten Trittstein – ein anderes Wort dafür ist Altholzinsel – ausmacht.
“Altholzinseln [bieten] vielen Arten einen unentbehrlichen Lebensraum. Sie sind Bindeglieder (Trittsteine) zwischen Naturwaldreservaten, bilden Rückzugshabitate für Organismen, welche im Wirtschaftswald keine geeigneten Lebensräume mehr finden und ermöglichen vielen Arten eine erfolgreiche Reproduktion.” ((Thibault Lachat, Markus Müller, Rita Bütler, Auswahlkriterien für Altholzinseln, Birmensdorf 2010, S. 65))
Nun kann ein Förster aber nicht einfach so in den Wald gehen, ein paar alte Bäume suchen und diese dann als Trittstein ausweisen. So einfach ist es nicht. Experten auf dem Gebiet der Trittsteine sind die Schweizer Wissenschaftler Thibault Lachat, Markus Müller ((Markus Müller ist nicht zu verwechseln mit Jörg Müller vom NLP Bayerischer Wald.)) und Rita Bütler. Mergner selbst beruft sich in zwei Aufsätzen auf diese drei Wissenschaftler. ((“Small is beautiful” und “Waldtrittsteine statt Großschutzgebiete”; siehe dazu auch Faktencheck: Altholzinseln)) In einem ausführlichen Bericht der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft haben die drei Autoren “Auswahlkriterien für Altholzinseln” ((Eine Kurzversion des Berichts gibt es auch: Wie groß sollen Altholzinseln sein? Schweizerische Zeitschrift für Forstwesen, Band 163 (2012), Heft 2, S. 49–56)) aufgestellt. Diese fünf Kriterien sind ausgesprochen anspruchsvoll. Grundvoraussetzungen für einen Trittstein in einem Buchenwald sind: ((siehe S. 66 ff., für eine Übersicht siehe S. 73))
- Minimalfläche 0,9 ha
- Nutzungsverzicht mindestens 30 Jahre
- Bestandsalter von mindestens 120 Jahren
- 70 große Bäume mit einem BHD von 55 cm pro ha
- 45 m3 stehendes Totholz, 75 m3 liegendes Totholz
99 % aller Förster werden jetzt resigniert abwinken; sie haben solche Flächen einfach nicht. Deshalb haben die Autoren drei Schlupflöcher gelassen. Natürlich drücken sie es etwas vornehmer aus:
“Falls die Qualitätskriterien nicht vollständig erfüllt werden können, sollte nachgewiesen werden, dass die Altholzinsel andere qualitätsrelevante Parameter aufweist.” ((S. 69))
Der erste “Parameter” sind Spechtbäume: Wenn die Autoren wenigstens die Anzahl der Spechtbäume genannt oder die Spechtarten eingegrenzt hätten, z. B. auf den Mittel- oder Schwarzspecht! Aber offensichtlich reicht die Allerweltsart Buntspecht und schon spricht das “für eine hohe ökologische Qualität dieser Fläche”. Jetzt werden alle Förster erleichtert aufatmen. Denn das ist kein Schlupfloch mehr; das ist ein Scheunentor.
Beim zweiten Schlupfloch hat insbesondere Ulrich Mergner aufgeatmet: Es reicht auch aus, wenn die Trittsteine zwei Naturwaldreservate (im folgenden abgekürzt mit NWR) vernetzen. Dann kann automatisch “von einer erhöhten ökologischen Qualität ausgegangen werden”.
Der dritte “Parameter” ist der einzig wirklich anspruchsvolle: Wenn seltene Arten, die an Totholz gebunden sind, auf dem Trittstein vorhanden sind, ist dieser selbstverständlich ökologisch wertvoll. Als Beispiele führen die drei Wissenschaftler z. B. den Juchtenkäfer an. ((siehe S. 72))
Um auf die Einleitung oben zurückzukommen, könnte man also sagen, ein Förster kann nicht einfach ein paar alte Bäume als Trittstein ausweisen, er sollte auch aufpassen, dass ein Spechtbaum dabei ist. Zur Not hängt er einfach einen Nistkasten auf.
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