Brief von Dr. Schlund – 28.5.14

Kritische Analyse

Einleitung

Was mir grundsätzlich positiv auffällt, ist zum einen die schnelle und zum anderen die ausführliche Antwort. Außerdem delegiert Dr. Schlund die Antwort nicht an einen Mitarbeiter, sondern antwortet persönlich. Als ich im Februar 2015 die Presserefentin Frau Kobarg mit Fragen zur Zonierung löchere, ruft er von sich aus zurück und steht mir lange Rede und Antwort. Er bleibt ruhig und sachlich, auch wenn ich Kritik anmelde. Alles das ist nicht selbstverständlich: Man vergleiche das einmal mit dem Gebaren eines Andreas Pusch, dem Leiter des Nationalparks Harz, ((siehe die Briefe vom 29. April 2014, vom  18. Juni 2014 und vom 4. Februar 2015)) oder mit der Informationspolitik im Nationalpark Bayerischer Wald. ((siehe Tricksen, Tarnen, Täuschen))

Personal

Wikipedia hat also recht: 89 Stellen werden es bis 2016 sein. Bis jetzt zählen nur 25 zur Forstpartie: 16 Forstwirte, 7 Forstbeamte des gehobenen Dienstes und 2 Forstbeamte des höheren Dienstes. Die bunte Mischung von in Zukunft einzustellenden Berufsgruppen kann nur förderlich sein. Allerdings sitzen die Forstbeamten an den Schaltstellen der Macht: Sie leiten die drei Teilgebiete des Nationalparks. Es ist in einem deutschen Nationalpark undenkbar, dass diese Aufgabe beispielsweise Künstler übernehmen.

Forstbetrieb

Viele Antworten klingen zwar gut:

  • “Wir sind kein Forstbetrieb.”
  • “Es ist kein Holzeinschlag geplant mit dem Ziel der Holzernte.”
  • “Es existieren keine Festmetervereinbarungen mit der Politik.”

Aber das beteuern auch die Chefs der Nationalparks in der Eifel, im Harz, in der Sächsischen Schweiz und im Bayerischen Wald. Und produzieren trotzdem wie ganz normale Forstbetriebe zehntausende Festmeter Holz pro Jahr. Schlund erklärt mir am Telefon, dass mit Alexander Bonde, dem zuständigen Minister für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz in Baden-Württemberg, und Max Reger, dem Leiter von Forst BW, zur Zeit gleich zwei mächtige Männer ihre schützenden Hände über den Nationalpark halten würden. Es wird abzuwarten sein, ob das so bleibt, wenn z. B. Bonde bei den Landtagswahlen 2016 abgewählt werden sollte. Wie lebenswichtig der Rückhalt im Ministerium ist, zeigt beispielhaft das Jahr 1983 im Nationalpark Bayerischer Wald. Der damalige Landwirtschaftsminister Dr. Hans Eisenmann erlaubte es trotz heftigen Protesten dem Nationalparkleiter Bibelriether, die Windwürfe liegen zu lassen und nicht aufzuarbeiten. ((siehe Das Fichtensterben am Lusen))

Man darf gespannt sein auf den ersten Nationalparkplan: Denn dann wird auch der Holzeinschlag geplant. So gibt Sven Anders, stellvertretender Leiter des Nationalparks Sächsische Schweiz, 2005 auf einer Fachtagung freimütig zu, dass jedes Jahr planmäßig 25.000 Fm Fichtenholz eingeschlagen werden. ((siehe Experten gegen Kahlschläge – Sven Anders)) Das sind 500 40-Tonnen-Sattelzüge – mit 2-achsiger Sattelzugmaschine und dreiachsigem Sattelanhänger – beladen mit je 50 Fm Fichtenholz ((siehe Fotos aus dem Nationalpark Harz)). Schlund hält es für “selbstverständlich […], dieses Holz Forst BW zum Verkauf [zu] überlassen”. Das ist nicht richtig: Selbstverständlich wäre es, das Holz einfach dem Wald zu überlassen, auf dass sich Pilze und Käfer darüber freuen. ((In der Borkenkäferschutzzone könnte man es vorher entrinden.))

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Waldumbau

Der Satz “Es wird kein Waldumbau durchgeführt, der Kahlschläge beinhaltet.” hört sich gut an, ist aber eine Binsenweisheit. Nicht einmal Karl-Friedrich Sinner, als ehemaliger Leiter des NLP Bayerischer Wald verantwortlich für hunderte Hektar Kahlschläge, hätte je behauptet, Kahlschläge dienten dem Waldumbau. An Kahlschlägen ist immer der Borkenkäfer schuld.

Vollkommen ratlos macht die Aussage “Generell ist im NLP Schwarzwald kein Waldumbau geplant.” Wofür sonst aber wird die riesige Entwicklungszone von 4.600 ha eingerichtet? ((siehe Stuttgarter Zeitung vom 14. Oktober 2014)) Die im Nationalparkgesetz vorgesehene “gesteuerte Waldentwicklung” ((Nationalparkgesetz § 7 (1) 2)) ist nur ein anderes Wort für Waldumbau.

Spätestens bei der folgenden Aussage schrillen bei mir sämtliche Alarmglocken: “In den Entwicklungszonen geben wir der Waldentwicklung Impulse.” Im NLP Harz lautet dieser Satz “In den Entwicklungszonen helfen wir der Natur auf die Sprünge”. ((siehe Waldentwicklung im Nationalpark nicht mehr sanft)) Auf der Homepage des NLPs heißt es zu den Entwicklungszonen: ((siehe Snapshot der Homepage über Zonierung))

“Entwicklungszonen sind Flächen, die derzeit noch nicht vollkommen der Natur übergeben werden können, da z. B. durch menschlichen Einfluss das natürliche Gleichgewicht derartig gestört wurde, dass es sich ohne Hilfe womöglich nicht wieder einstellen kann. Daher werden hier maximal innerhalb von 30 Jahren noch lenkende Eingriffe stattfinden, um Impulse für die langfristige positive Entwicklung zu geben.”

Das entscheidende Wort lautet: “womöglich”. Es weiß nämlich niemand, was in gestörten Wäldern passiert, die man einfach in Ruhe lässt. Es wird ja nie ausprobiert. Stattdessen stören Förster die von ihnen gestörten Wälder immer weiter. Das Denkmodell, welches “lenkende Eingriffe”, “Hilfe” und “Impulse” für notwendig erachtet, ist grundfalsch. ((siehe Waldentwicklung als Maßnahme zur Arbeitsbeschaffung)) Niemand muss künstlich die “ökologischen Strukturen” eines Waldes verbessern. ((siehe Snapshot der Nationalpark-Homepage zum Holzeinschlag, zur Kritik an sogenannten Strukturdurchforstungen siehe Experten gegen Kahlschläge – Peter Meyer)) Das machen Borkenkäfer, Schneebrüche, Windwürfe und – vor allem – die Zeit.

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Naturschutz

“Aufgrund naturschutzfachlicher Pflegemaßnahmen wird Holz anfallen.” Ein Zyniker würde sagen, dass Schlund den Jargon der Förster schnell gelernt hat: Holzfällen dient der Pflege des Waldes. Und diese Pflege dient selbstverständlich dem Naturschutz. Holzfällen = Pflege = Naturschutz. Das ist die klassische Kielwassertheorie der Forstwirtschaft: Im Kielwasser der Holzernte werden alle Aufgaben des Naturschutzes erfüllt. ((zur Kritik daran siehe Hans Bibelriether, Forst- und Holzmärchen heute, in: Nationalpark 2, 2008, S. 14-16))

“Forstliche Eingriffe unterliegen naturschutzfachlichen Vorgaben.” Auch das geht Förstern, die vor die Presse treten, flüssig über die Lippen. Kein alter Buchenwald, der nicht aus “naturschutzfachlichen Vorgaben” gefällt wird: Weil der Wald ansonsten überaltert und zusammenbricht und verjüngt werden muss. ((siehe Förster Herber erzählt Märchen)) Im NLP Eifel wurden hunderte Hektar Fichtenwälder in Bachtälern kahlgeschlagen. Selbstverständlich nicht, um Holz für die umliegenden Sägewerke zu liefern, sondern wegen “naturschutzfachlicher Vorgaben”. ((siehe Kahlschläge in Bachtälern)) Der NLP Harz rühmt sich seiner großartigen Erfahrungen mit dem künstlichen Anpflanzen von Buchensetzlingen auf Kahlschlägen: Auch dies geschieht aus “naturschutzfachlichen Vorgaben”. ((siehe Kahlschlag am Oderteich)) Dieser Ausdruck ist zur leeren Worthülse verkommen. Ebenso gut könnte man sagen: “Zu den forstlichen Eingriffen gibt es keine Alternative.”

Andererseits: Vielleicht ist Schlund ein zweiter Bibelriether, Bonde ein zweiter Eisenmann und im NLP Schwarzwald wird alles besser und die Taten strafen meine Befürchtungen Lügen. Gerne würde ich mich irren.

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Borkenkäfer

“[In den Managementzonen] wird eine strenge Borkenkäferüberwachung durchgeführt. Bei Befall werden die Fichten sofort entnommen.” Es wird abzuwarten sein, ob Forst BW und die Verwaltung sich mit der Entnahme von einzelnen Fichten bescheiden. Im NLP Bayerischer Wald und Harz wurden hunderte Hektar vom Borkenkäferbefallsflächen mit Harvestern abgeräumt. ((siehe Die Verdopplung der Borkenkäferschutzzone 1997 im Nationalpark Bayerischer Wald und Kritik. Die Fotos von Kahlschlägen im Artikel Experten gegen Kahlschläge stammen alle aus der Borkenkäferschutzzone im NLP Harz.)) In warmen und trockenen Jahren und nach Windwürfen vermehrt sich der kleine Fratz explosionsartig. Im NLP-Gesetz ist die Rede von “erforderlichen und wirksamen Maßnahmen”.  ((siehe NLP-Gesetz § 7 (1) 3 )) Bei Borkenkäfermassenvermehrungen wirken aber nach Meinung vieler Förster nur Kahlschläge.

“In den Entwicklungszonen kann dieses Borkenkäfermanagement zur Unterstützung der angrenzenden Managementzonen ebenfalls zum Einsatz kommen.” Im Telefonat stellt Schlund klar, dass damit nur die “Zusätzliche[n] Managementflächen in der Entwicklungszone” gemeint sind, in der ein “freiwilliges Borkenkäfermanagement” stattfindet. ((siehe die grün-schwarz-schraffierten Gebiete in der Karte der Gebietsgliederung)) Eine Borkenkäferbekämpfung in der gesamten Entwicklungszone schließt Schlund ausdrücklich aus. Denn wer den Borkenkäfer in der gesamten Entwicklungszone bekämpft, öffnet die Büchse der Pandora. Das wäre die offizielle Lizenz zum Kahlschlag und zur großindustriellen Holzproduktion: Die Verwüstungen im NLP Bayerischer Wald und im Harz werden genau so begründet. ((siehe Ultraviolence oder Großkahlschlag am Heinrich-Heine-Weg)) Ein Borkenkäfermanagement in der Entwicklungszone ist vom NLP-Gesetz auch nicht vorgesehen. ((NLP-Gesetz § 7 (1) 2)) Nationalparkfeindliche Lokalpolitiker, Förster und Sägewerker werden in den Verhandlungen zum zukünftigen Nationalparkplan versuchen, diese Gesetzeslücke zu schließen und die Borkenkäferbekämpfung durch die Hintertür in der gesamten Entwicklungszone einzuführen.

Übrigens: In Baden-Württemberg ist etwas möglich, was in Bayern, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt angeblich nicht möglich war. Immer dann, wenn der NLP an Landeswald grenzt, übernehmen die Landesforsten die Borkenkäferschutzzone. Dies führt natürlich dazu, dass für Kern- und Entwicklungszone mehr Fläche zur Verfügung steht. ((siehe die blaugrüne Fläche der Gebietsgliederung, die den “Puffer [in der] Zuständigkeit [von] Forst BW bzw. Baden-Baden” anzeigt))

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