Wirtschaftlichkeit des Waldbaukonzepts

Prof. Mosandl und der Vorwurf der Misswirtschaft

In beiden auf der vorigen Seite zitierten Präsentationen von Knut Sturm finden sich Folien zu den Wirtschaftsergebnissen der vergangenen Jahre:

Wirtschaftsergebnisse des Lübecker Forstamts (aus: Knut Sturm, Moderne Forstwirtschaft, Folie 42)

 

Auf den ersten Blick könnte man den Eindruck gewinnen, dass das Forstamt Lübeck trotz hoher Einnahmen aus dem Holzverkauf aufgrund seiner deutlich höheren Ausgaben ein notorisch defizitärer Betrieb, der permanent von der Stadt bezuschusst werden muss.

Dieser Eindruck ist falsch. Die hohen Ausgaben erklären sich dadurch, dass hier alle Wirtschafts- und Dienstleistungen des Forstamts aufgelistet werden, die ihm von der Stadt zugeteilt werden:

  • Pflege der städtischen Grünanlagen
  • Pflege und Betreuung von Naturschutzgebieten
  • Verkehrssicherungsmaßnahmen an Straßenbäumen
  • Instandhaltung von 250 km Reit-, Rad- und Wanderwegen, Hütten, Sitzbänken und Spielplätzen
  • Bildungsarbeit mit Schulen und Kindergärten
  • Personalkosten für die 32 Mitarbeiter des Forstamts (Waldarbeiter, Verwaltungsbeamte, Revierleiter, Auszubildende usw.)

„Hinge der Betrieb nur am Holz, schriebe er längst schwarze Zahlen(Karin Lubowski, Holz aus Lübeck europaweit gefragt, in: Schleswig-Holstein-Zeitung, 2. April 2013).

Diese Zusammenhänge waren Prof. Dr. Dr. Reinhard MosandlLehrstuhlinhaber für Waldbau an der TU München, unbekannt. Mosandl und seine Kollegen hatte sich fürchterlich über den Zeitungsbericht „Finger weg“ von Karin Steinberger geärgert. Dieser war in der Wochenendausgabe der Süddeutschen Zeitung vom 28. Juli 2012 auf der Seite 3 erschienen. In dem glänzend geschriebenen Artikel hatte Steinberger die gesamte deutsche Forstwirtschaft auf die Schippe genommen und den Lübecker Stadtwald und Lutz Fähser als positives Gegenbeispiel gelobt.

Mosandl war offensichtlich die Hutschnur geplatzt und blies zum Gegenangriff. In Briefen an mehrere Zeitungen und an den Lübecker Bürgermeister bezichtigte er Fähser öffentlich der Misswirtschaft. So verschickte er z. B. am 3. August 2012 eine Email an sämtliche sieben Fraktionen der Lübecker Bürgerschaft, das Rechnungsprüfungsamt und die Bereiche „Haushalt und Steuerung“ und „Buchhaltung & Finanzen“ in Lübeck. Er zitiert aus dem Leserbrief eines namentlich nicht genannten „Kollegen“, der folgendes zum Besten gibt:

„Der Haushaltsplan 2012 der Stadt Lübeck weist einen Kostendeckungsgrad von nur 75 % für den Forstbetrieb aus, der Stadtwald wird also seit Jahrzehnten von der Kommune subventioniert, betriebswirtschaftliche Erträge wirft der Forstbetrieb Lübeck leider keine ab im Gegensatz zu vielen anderen Kommunalforsten. Konkret weist der Haushalt 2012 für den Forstbetrieb der Stadt Lübeck ein Minus von 409.900 € aus – und das in Zeiten der besten Holzpreise, die es jemals in der Bundesrepublik gegeben hat!“

O-Ton Mosandl:

„Ich kann als Betriebsleiter des 500 Hektar großen Universitätswaldes der Ludwig-Maximilians-Universität München die von meinem Kollegen vorgenommene Analyse nur bestätigen und meine Verwunderung über das finanzielle Ergebnis der Wirtschaftsweise im Lübecker Stadtwald zum Ausdruck bringen. Zum Vergleich: in dem von mir geleiteten 500 Hektar großen Universitätsforstbetrieb wurde 2011 ein Reingewinn von 400 000 € erzielt, genauso viel wie im ca. 5000 Hektar großen Stadtwald Lübeck wohl an Defizit entstanden ist, wobei dazu gesagt werden muss, dass im Universitätswald eine vorbildliche naturnahe Forstwirtschaft und kein Raubbau betrieben wird.“

Auf die Idee, dass irgendetwas an den Defizit-Zahlen nicht stimmen kann, kommt der Lehrstuhlinhaber, Professor und zweimalige Doktor nicht. Stefanie Ederer, Lebensgefährtin und Sprachrohr Mosandls und Referentin an der Studienfakultät Forstwissenschaft und Ressourcenmanagement, meinte diese Vorwürfe durch ein paar originelle Zinseszinsberechnungen noch toppen zu müssen. In einer Email vom 21. September 2012 an sämtliche Fraktionen der Lübecker Bürgerschaft und den Bund der Steuerzahler schrieb sie:

„Bei einer Verzinsung von 3% (üblicher Zinssatz für langfristige Kommunalkredite) entstand der Stadt Lübeck allein durch die Bezuschussung des Lübecker Stadtwaldes in den Jahren 2000 bis 2009 ein Defizit von 10,6 Mio. Euro. Andere Forstbetriebe haben – anders als in Lübeck – im selben Zeitraum einen Gewinn erwirtschaftet. Würde man einen durchaus realistischen jährlichen Gewinn von 50 Euro je Hektar ansetzen, so hätte der Stadtwald Lübeck auf etwa 4500 Hektar Fläche einen jährlichen Gewinn von 225.000 € erzielen können. Verzinst mit ebenfalls 3 % ist der Hansestadt Lübeck somit im Zeitraum von 2000 bis 2009 ein Gewinn von 2,5 Mio. Euro entgangen. … Unter der Annahme, dass Herr Fähser seit 1986 ähnlich hohe jährliche Defizite erwirtschaftet haben könnte, wäre der Stadt Lübeck allein in 24 Jahren durch den Lübecker Stadtwald ein Defizit von etwa 33,6 Mio. Euro entstanden. Die entgangenen Gewinne würden sich mutmaßlich für den Zeitraum 1986 bis 2009 auf 7,7 Mio. Euro belaufen. Defizit und nicht realisierte Gewinne lägen somit bei 41,3 Mio. Euro.“

Niemand der Angeschriebenen reagierte. In Lübeck erkannte man den betriebswirtschaftlichen Rechenfehler natürlich sofort. Prof. Dr. Dr. Mosandl wurde übrigens im Dezember 2012 nach einem Bericht des Bayerischen Landesrechnungshofes von der Leitung des 500 ha-Universitätswaldes suspendiert und nicht wieder eingesetzt (Petra Schnirch, Tauziehen um ein Stück Wald, in: Süddeutsche Zeitung vom 25. März 2013).

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