Schäferheld in der Eifel

Wildverbiss

Einleitung

Vom 19.-20 September 2012 fand im Lehr- und Versuchsforstamt Arnsberger Wald eine Tagung statt zum Thema “40 Jahre Naturwaldforschung in Nordrhein-Westfalen“. Um 13.45 Uhr am ersten Tagungstag hielt Klaus Striepen einen bemerkenswerten Vortrag zum Thema “Nutzen oder Schaden? – Einfluss des Schalenwildes auf die Baumverjüngung der nordrhein-westfälischen Naturwaldzellen”. Die Ergebnisse der Studie nahmen die Teilnehmer mit versteinerten Mienen zur Kenntnis. Denn Striepen redete vor allem über die Schäden des Schaldenwilds, die er wissenschaftlich exakt nachweist. Wildschäden aber sind dank der Jagdlobby in Deutschland ein Tabu. Daran hat sich seit Horst Sterns Dokumentation “Bemerkungen über den Rothirsch” nichts geändert.

Die Studie erschien dann noch einmal in verkürzter Form unter dem Titel “Wechselbeziehungen zwischen Schalenwild und Waldvegetation” in der Zeitschrift “AFZ-Der Wald” und wurde im Tagungsband (Landesbetrieb Wald-und-Holz-NRW [Hg.], 40 Jahre Naturwaldforschung in NRW – Eine Zwischenbilanz, Münster 2013) abgedruckt. Den liest ohnehin niemand. Dann verschwand sie in den Schubladen. Die Ergebnisse der Studie will niemand hören und sie sollen auch nicht an die Öffentlichkeit.

Bonsaibuchen auf der Titzbruchwiese nördlich der Naturwaldzelle

 

Die Naturwaldzelle Schäferheld gehört zu den 9 Naturwaldzellen, die am stärksten vom Wildverbiss geschädigt werden. In ihr stagniert die Naturverjüngung (Wechselbeziehungen, S. 15, Abb. 4; die Naturwaldzelle Schäferheld trägt die Nummer 3 und ist rot markiert). Die Schäden äußern sich auf dreierlei Weise:

Reduktion der Artenvielfalt

Es ist ein weitverbreiteter Irrtum, dass Buchenwälder nur aus Buchen bestehen. Häufig wird von Förstern dieser Irrtum auch noch als Vorwand für “Lichtungshiebe” in “artenarmen” Buchenwäldern genutzt, um anderen Baumarten “eine Chance zu geben”. Zwar ist die Buche immer der zahlenmäßig dominierende Hauptbaum, aber je nach Standort sind zahlreiche andere Baumarten als Nebenbaumarten beigemischt, so z. B. Eschen, Eichen, Fichte, Vogelbeere, Berg-, Feld- und Spitzahorn, Vogelkirsche und Elsbeere (siehe Wechselbeziehungen, S. 15). Diese Nebenbaumarten werden aber in den meisten Buchenwäldern niemals größer als 1,5 m, weil sie gezielt von Rehen verbissen werden. Rehe sind “Pralinenfresser”, die die selteneren Baumarten herauspicken und nur die jungen Buchen übrig lassen.

Die Naturwaldzelle Schäferheld gehört zu den Hainsimsen-Buchenwäldern. In den untersuchten Hainsimsen-Buchenwäldern finden sich im Mittel innerhalb des Wildschutzzauns 2 Arten in der Verjüngungsschicht (0,5-6 m), außerhalb dagegen nur 1 Baumart (Wechselbeziehungen, S. 15, Abb. 2). In der Verjüngungsunterschicht (0,5-1,5 m) kann man im eingezäunten Gebiet die Nebenbaumarten Erberesche, Berg-Ahorn und Fichte antreffen. In der Verjüngungsoberschicht (1,5-6 m) findet man noch Berg-Ahorn und Fichte. Außerhalb des Schutzzauns sind diese Nebenbaumarten in der Unterschicht meistens noch vorhanden, in der Oberschicht vermag aber nur die Fichte “dem Äser zu entwachsen” (Wechselbeziehungen, S. 15). Der Berg-Ahorn wird also Opfer des Schalenwilds.

Der Verbiss führt zu einer Verarmung der Verjüngung: Selbst wenn in der Baumschicht mehr als ein halbes Dutzend Baumarten vertreten sind, kann in der Verjüngung nur die Buche dem Äsungsdruck entkommen (Wechselbeziehungen, S. 15, Abb. 3).

 

Reduktion der Verjüngungsmenge und -höhe

In den ungezäunten Flächen ist die Strauchschicht niedriger. Es sind weniger Individuen in der Strauchschicht (0,5-6 m). Und es sind auch weniger Individuen in der Verjüngungsoberschicht (1,5-6 m). Das Rehwild verbeisst mit Vorliebe die Knospe am Ende des Leittriebs (Terminalknospe). Dies führt natürlich zu vermindertem Höhenwuchs.

 

Stagnation der Verjüngung

Die Entwicklung der Verjüngung stagniert, wenn in der gezäunten Fläche die Höhe der Strauchschicht und die Individuenzahl der Verjüngungsoberschicht zugenommen haben, es aber gleichzeitig in der ungezäunten Fläche zu keiner Veränderung oder sogar zu einer Verschlechterung gekommen ist. Dies ist in der Naturwaldzelle Schäferheld der Fall, wie Vergleiche der Situation 1992 und 2002 belegen. Die Stagnation ist der “worst case (Tagungsband, S. 73), weil ein Wald ohne Verjüngung quasi von unten abstirbt (“Waldsterben von unten”, Peter Wohlleben).

Striepen weiß natürlich, dass der Schäferheld im Rotwild-Kerngebiet in NRW liegt (Wechselbeziehungen, S. 15, Abb. 4) Trotzdem formuliert er mit Rücksicht auf seinen Arbeitgeber betont vorsichtig: “Ein Zusammenhang zwischen hohen Rotwilddichten und der hohen Verbissbelastung ist hier nicht auszuschließen.” Hallo? Wer wenn nicht Rehe sollen denn sonst für den Verbiss verantwortlich sein. Die sieben Zwerge?

Wildschutzzaun in der Naturwaldzelle

 

Auch im Jahr 2014 hat sich an der Stagnation nichts geändert: Das Foto zeigt links den gezäunten Bereich, rechts den ungezäunten. Links zahlreiche Buchennaturverjüngung und vereinzelte auch im Winter grüne Brombeerpflanzen, rechts ist alles ratzekahl leergefressen. Auf meiner Wanderung zum Schäferheld kamen von rechts aus dem Fichtenwald zwei Rehe heraus. Wenn man tagsüber im Wald Rehen begegnet, ist das ein sicheres Indiz für überhöhte Wildbestände.

Jäger in der Falle

Zum Thema Jagd und Wildverbiss vergleiche die sehr informative ZDF-Dokumentation von Bernd Welz vom 19.1.2014: Jäger in der Falle. Welz plädiert zusammen mit Peter Wohlleben für ein Jagdverbot. Aber wohlgemerkt: Nur im Nationalpark Eifel die Jagd zu verbieten, würde die Verbissschäden noch erhöhen. Die Rehe würden aus dem bejagten Gebieten in den Nationalpark flüchten und dort noch mehr Schäden anrichten. Ein Jagdverbot müsste, wenn, dann in ganz NRW eingeführt werden.

 

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