Vor- und Nachteile von Kahlschlägen

Alternativen zum Kahlschlag

Der Projektpartner Wald-und-Holz-NRW hat im Jahr 2004 Empfehlungen für eine naturnahe Bewirtschaftung von Fichtenwäldern herausgegeben. Darin wird der schrittweise Umbau reiner Fichtenbestände in naturnahe Mischwälder ausführlich beschrieben. Als Gründe für den Umbau werden “zur Vernässung neigende Standorte” und ein “Baumartenwechsel aus ökologischen Gründen” (Fichtenkonzept, S. 11)  genannt. Beides trifft auf die Bachaue der Schmalenau zu. Im Zuge des Umbaus werden beim aktiven Voranbau einzelne Fichten gefällt (“Auflichtung im Fichten-Oberbestand”, Fichtenkonzept, S. 24), um auf den so entstehenden Freiflächen Laubbäume (z. B. Erle, Esche, Birke) anzupflanzen. Die Laubbäume wachsen unter dem schützenden Schirm der Altbäume heran. Ein solcher Voranbau dauert Jahrzehnte. Ausdrücklich wird die “Vermeidung einer zu starken Erwärmung des Gewässers durch Belassen eines lockeren Fichtenschirmes” empfohlen (Fichtenkonzept, S. 20, Hervorhebung von F.-J. A.). An keiner Stelle spricht sich das Fichtenkonzept für einen Kahlschlag aus.

Beim  Projektworkshop im April 2010 plädiert Dr. Bertram Leder von der Lehr- und Versuchsforstamt Arnsberger Wald in seinem Vortrag “Waldbauliche Maßnahmen zur zielgerechten Veränderung der Baumartenzusammensetzung an Fließgewässern”  für eine “Verjüngung unter Altholzschirm“: Fichtenforste sollen “gestaffelt durchforstet” werden. Und auch Dr. Gerhard Schaber-Schoor von der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Würtemberg spricht sich in seinem Vortrag über die “Entwicklung schwarzerlenreicher Bachauenwälder” für einen “sukzessiven Auszug der Fichte” aus. Die 2 dicken roten Fragezeichen in seiner Powerpoint-Präsentation wirken ungewollt wie ein Ausdruck der Ratlosigkeit:

Fragezeichen

 

Vorteile des Kahlschlags

Laut Drüke und Beckers überwogen die Vorteile des Kahlschlags:

  • Es muss nur einmal eingegriffen werden. So wird vermieden, dass die empfindlichen Bachauen mehrfach mit schweren Maschinen befahren werden und der Boden mehrere Male beschädigt wird.
  • In Bereichen, wo die Bäche renaturiert wurden, mussten alle Fichten entfernt werden, um die Arbeiten der Bagger nicht zu behindern.
  • Auf Flächen, wo Entwässerungsgräben geschlossen werden, bilden sich Sümpfe und die Fichten sterben ab. Wald-und-Holz-NRW verlangt, dass das wertvolle Fichtenholz geerntet wird, bevor die Fichten absterben.
  • Mehrere kleine Eingriffe sind teurer als ein großer.
  • Die Finanzierung des Projekts ist auf 4 Jahre befristet.
  • Gewässeruntersuchungen an Bächen nach umfangreichen Windwürfen durch Kyrill zeigen laut Drüke, dass die Bäche durch die riesigen kahlen Flächen nicht nachhaltig geschädigt wurden.
  • Andere Bachrenaturierungen z. B. in der LIFE-Projekt “Lebendige Bäche in der Eifel” wählten auch die Methode der Kahlschläge. In der Eifel wurden 92 ha Fichtenwälder kahlgeschlagen.

Dem Lohnunternehmer, der für den Projektpartner Holz-und-Wald-NRW die Kahlschläge durchführte, wurden strenge Auflagen erteilt, damit der Boden möglichst geschont wurde:

  • Tonnenschwere Forstrückeschlepper dürfen auf den empfindlichen Auenböden nur an wenigen Stellen fahren. Rückegassen in ansonsten üblichen 20-m-Abständen werden nicht angelegt.
  • Das Befahren geschieht auf Reisigmatten aus Fichtenästen, um unvermeidbare Bodenverdichtungen zu minimieren.
  • Die gefällten Bäume werden als Vollbäume mit Ästen an einer Seilwinde aus der Aue herausgezogen.
  • Die Bäume werden erst am Forstweg außerhalb der Bachaue entastet. Kronen- und Astabfälle verbleiben nicht in der Aue.

Für diese vier Zusatzleistungen wurde ein Teil der Fördergelder ausgegeben. Die sonstigen Arbeitskosten wurden von Holz-und-Wald-NRW bezahlt. Es ist ein Stück aus dem Tollhaus: Ein landeseigener FSC-zertifizierter Forstbetrieb, der sich damit brüstet, vorbildlich ökologisch zu wirtschaften, muss extra dafür bezahlt werden, dass er bodenschonend arbeitet! Nicht nur der FSC schreibt bodenschonende Maßnahmen zwingend vor, auch § 1 b des Nordrhein-Westfälischen Landesforstgesetzes.

Die Gewinne aus dem Verkauf des Sägeholzes und der Hackschnitzel flossen nicht etwa in das Projekt, sondern verblieben bei Holz-und-Wald-NRW. Sie betragen schätzungsweise mindestens 10.000 € pro ha, wenn man pro ha mit 200 Festmeter Sägeholz und einem Profit nach Abzug der Arbeitskosten von 50 €/Festmeter rechnet. Herr Lüke-Sellhorst vom Lehr- und Versuchsforstamt Arnsberger Wald weigerte sich am Telefon, mir über Höhe der geernteten Festmeter, den Verkaufserlös und den Namen des Lohnunternehmers Auskunft zu erteilen. Originalton Frank-Dietmar Richter (Leiter Wald-und-Holz-NRW) in seiner Rede zum Start des Projekts : “Dieser Gleichklang der Maßnahmen nutzt der Natur, den Menschen und letztendlich unserem Geldbeutel.”

Zum Problem von Fichtenkahlschlägen vergleiche auch: Peter Wohlleben zu den Fichtenkahlschlägen im Nationalpark Eifel

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