Einzigartige Merkmale des uralten Buchenwalds
Der Faule Ort wird seit über 100 Jahren nicht mehr bewirtschaftet (Winter, Anhang I, S. 36). Kein Holz wurde seitdem geerntet.
keine Durchforstung, keine Hiebe
Deshalb zeichnet er sich durch eine Fülle einzigartiger Merkmale aus, die so in Wirtschaftswäldern nicht vorkommen. Von all den Merkmalen, die Susanne Winter in ihrer Dissertation untersucht hat, will ich 4 exemplarisch darstellen:
1. Waldentwicklungsphasenmosaik
In forstwirtschaftlich bewirtschafteten Wäldern dominiert immer eine der acht Waldentwicklungsphasen mit 70% und mehr. So herrscht z. B. in Buchenwäldern, deren Überhalt soeben im Schirmschlagverfahren geräumt worden ist, die Initialphase vor. Am Faulen Ort dagegen nimmt keine der 8 Waldentwicklungsphasen viel mehr als 30% ein. Am häufigsten ist die frühe Optimalphase mit rund 31% vertreten, gefolgt von der mittleren Optimalphase mit rund 30%. In der frühen Optimalphase haben die Buchen einen BHD von 16-39 cm, in der mittleren einen von 40-59 cm.
Buchenwald in früher Optimalphase
Die späte Optimal-, die Alters- und die Zerfallsphase kommen in Wirtschaftswäldern so gut wie nicht vor, da die Buchen spätestens zu Beginn der späten Optimalphase gefällt werden. Dagegen nehmen am Faulen Ort Alters- und Zerfallsphasen ein Viertel der Fläche ein.
Am Faulen Ort kommen in jedem ha durchschnittlich 7 der 8 Waldentwicklungsphasen vor. Jede der Phasen kommt pro ha gleich mehrfach vor: Im Schnitt gibt es pro ha 20 Flächen mit unterschiedlichen Waldentwicklungsphasen. Die durchschnittliche Größe einer Fläche mit einer Waldentwicklungsphase beträgt also nur 0,05 ha. Das sind 500 m2, was einem Quadrat mit einer Kantenlänge von rund 22 m entspricht. Es gibt also einen “sehr kleinräumigen Wechsel der Waldentwicklungsphasen“, ein “Waldentwicklungsphasenmosaik“ (Winter, S. 55):
abwechslungsreiche Verteilung der Waldentwicklungsphasen am Faulen Ort
Zum Vergleich der Wirtschaftswald Haussee, bei dem das Schirmschlagverfahren angewandt wird. Hier gibt es durchschnittlich nur zwei Flächen mit unterschiedlichen Waldentwicklungsphasen pro ha:
monotone Verteilung der Waldentwicklungsphasen am Wirtschaftswald Haussee (Winter, Anhang I, S. 7)
2. Hoher Vorrat an lebendem Holz
Der Vorrat an lebendem Holz beträgt am Faulen Ort 557 Vfm/ha3 (Winter, S. 59). Das ist rund 70% mehr als der durchschnittliche Holzvorrat in deutschen Wäldern, der laut Bundeswaldinventur von 2008 gerade einmal 330 Vfm/ha beträgt (Eckhard Heuer, Studie bestätigt: Deutsche Wälder sind wichtige Kohlenstoffsenke, in: AFZ Der Wald, 20/2009, S. 1068).
hoher Vorrat an lebendem Holz
3. Hoher Totholzanteil
Auch der Totholzanteil des Faulen Orts ist sensationell hoch: rund 220 Vfm/ha. In Wirtschaftswäldern schwankt der Wert um 10-20 Vfm/ha (Winter, S. 84).
Dabei machen stehendes und liegendes Totholz ungefähr je die Hälfte des Volumens aus. Nur ein ganz kleiner Anteil fällt auf die Stubben. In Wirtschaftswäldern dagegen ist der Anteil des stehenden Totholzes sehr gering. Der Hauptteil entfällt häufig auf die Stubben (Winter, S. 89).
4. Viele dicke Bäume
Ein letzter Unterschied zwischen dem Faulen Ort und Wirtschaftswäldern ist die Anzahl dicker Bäume: Pro ha stehen 42 Bäume mit einem BHD > 60 cm und 26 Bäume mit einem BHD > 80 cm. In vielen Wirtschaftswäldern gibt es gar keine Bäume mehr mit einem BHD > 80 cm.
Susanne Winter hat insgesamt 19 Wälder untersucht: 13 Wirtschaftswälder, 4 Wälder, die seit 20 Jahren, und 2 Wälder, die seit über 100 Jahren nicht bewirtschaftet wurden. Unter den 20 dicksten Bäumen aller 19 Untersuchungsflächen stand nur ein Gigant, eine Eiche mit einem BHD von 105 cm, in einem Wirtschaftswald – und diese wurde im Jahr 2000 dann auch gefällt. Die 19 übrigen Giganten stehen alle in den Heiligen Hallen und am Faulen Ort, den beiden seit über 100 Jahren unberührten Wäldern: 11 Giganten wachsen am Faulen Ort – darunter eine Buche mit einem BHD von unglaublichen 153 cm (Winter, S. 66).
Unter den Baumriesen finden sich auch 2 Winterlinden mit einem BHD von 106 und 109 cm.
starke Linden am Bachufer
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