Faktencheck: Exakte Daten über den Wald

Die 4 Waldklassen im Naturschutzkonzept der Staatsforsten

In Bayerns Wäldern ist die Klassengesellschaft noch nicht abgeschafft. Fein säuberlich teilen die Forstbeamten den Wald in vier Klassen ein: Klasse 1, 2, 3 und 4. Diese Einteilung hat zwei Ziele:

  1. Sie soll sie den forstlichen Laien beeindrucken. Ein solcher Laie ist beispielsweise der gelernte Landwirt (FH) Hubert Aiwanger, Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler im Bayerischen Landtag und und als solcher Nationalparkgegner. Nach einem Besuch bei Mergner zeigt er sich “beeindruckt”. ((Trittsteinkonzept im Steigerwald überzeugt die (sic!) Hubert Aiwanger und die Freien Wähler, Fränkischer Tag vom 7. August 2014))
  2. Sie soll den Laien verwirren. Ich hätte Aiwanger nach seiner Exkursion gern einmal die Frage gestellt, ob er bitteschön noch einmal den Unterschied zwischen den Klassen 1 – 4 erklären könne. Vermutlich hätte Aiwanger eine ähnlich unglückliche Figur gemacht wie Stoiber bei seiner berühmten Flughafenrede. Und ich wette mit Ihnen, dass nicht ein einziger der CSU-Landtagsabgeordneten, die 14 Tage zuvor den Forstbetrieb Ebrach besucht hatten, die Frage hätte beantworten können, wie viel Totholz denn nun in Klasse-3-Wäldern mit einem Bestandsalter von unter 100 Jahren liegen soll. ((siehe 1.000 Hektar aus der Nutzung, Mainpost vom 27. Juli 2014)) Ich bin mir sicher, dass das nicht einmal Forstminister Brunner auswendig weiß. ((Antwort: Es gibt überhaupt keine Vorschrift zu Klasse-3-Wäldern unter 100 Jahren. Erst ab 100 Jahren sollen 20 Fm/ha “angestrebt” werden. Siehe Naturschutzkonzept der Bayerischen Staatsforsten, S. 5))

Klasse-1-Wälder sind alte naturnahe und seltene Waldbestände”, so lesen wir im Naturschutzkonzept der Bayerischen Staatsforsten. In diesem steht über Klasse-1-Wälder:

“Zum Beispiel gehören Buchenbestände, die älter als
180 Jahre alt sind, […] der Klasse 1 an.” ((Naturschutzkonzept der BaySF, S. 2))

Klasse-1-Wälder sind die ökologisch wertvollsten Staatswälder. Nach 300 Jahren nachhaltiger Forstwirtschaft zählen sie heute “zu den größten Raritäten in Bayern” und “leisten einen entscheidenden Beitrag für die Sicherung der biologischen Vielfalt.” Aber nicht einmal hier ruht die Axt: “wertholzhaltige Bäume dürfen genutzt werden”. Der Nachsatz “sofern diese nicht gleichzeitig erkennbar ökologisch besonders wertvoll sind (z. B. Spechthöhle, Mulmhöhle)” ((a. a. O., S. 4)) ist dehnbar wie Gummi – im Zweifelsfall hat man die Spechthöhle einfach nicht gesehen.

In die Schublade der Klasse-2-Wälder werden ältere naturnahe Waldbestände” gesteckt. Merke: Forstbeamte unterscheiden “alte” von “älteren” Wälder. Gleichwohl verfügen auch letztere “über ein hohes Alter”:

“Bei Buchenbeständen […] beträgt das Mindestalter in der Regel 140 Jahre.” ((a. a. O., S. 3))

Wälder, die jünger als 140 Jahre und naturnah sind, werden zu den Klasse-3-Wäldern gerechnet. Verrückterweise nennen die Staatsförster solche Wälder “jünger”. ((ebd.)) Fällt der Forstbetrieb also eine 130 Jahre alte Buche, hat er keine “ältere” oder gar “alte” Buche gefällt, sondern eine  “jüngere”.

Der forstliche Restmüll, der weder 140 Jahre noch naturnah ist, landet in Klasse 4. Es sind die Fichtenwälder, die nicht “naturnah” sind. Übrigens: Man lasse sich nicht durch das Wörtchen “naturnah” täuschen: es bezieht sich ausschließlich auf die Baumartenzusammensetzung. Bei den Staatsforsten ist auch ein künstlich in Reih und Glied angepflanzter Forst aus Buchenstangen “naturnah”, denn:

“Eine naturnahe Baumartenzusammensetzung liegt vor, wenn mindestens 70 % der Bestandsfläche von Baumarten der natürlichen Waldgesellschaft eingenommen wird.” ((ebd.))

Heißt auf deutsch: Der Förster darf auch 25 % Douglasie unter die Buchenstangen mischen. Der Übersichtlichkeit halber das Ganze in Tabellenform:

KlasseNameAlterNaturnähe
1alte naturnahe Waldbestände180 Jahre und mehrja
2ältere naturnahe Waldbestände140 -180 Jahreja
3jüngere naturnahe Waldbestände0 – 140 Jahreja
4übrige Waldbeständenein

Um das Chaos komplett zu machen, gibt es in Ebrach zusätzlich auch noch Klasse-3+- Wälder:

“Zweischichtbestände mit naturnaher Baumartenzusammensetzung und zahlreichen Altbäumen in der Oberschicht” ((Naturschutzkonzept für den Forstbetrieb Ebrach, S. 11))

An anderer Stelle heißt es über Klasse-3+-Wälder, es seien “naturnahe Waldbestände unter 100 Jahre[n], die einen hohen Anteil an Alt- oder Biotopbäumen aufweisen”. ((a. a. O., S. 10))

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