Vom Versagen der Jagd im Nationalpark Harz

Ursachen für das Versagen der Jagd

Josef H. Reichholf, emeritierter Biologieprofessor aus München, entlarvt die Argumente von Jägern als Jägerlatein:

1.
Jäger behaupten, sie seien der Ersatz für fehlende Raubtiere.
Richtig ist erstens: Es waren die Jäger selbst, die die Raubtiere ausgerottet haben. “Das größte Hindernis für die Wiederherstellung einigermaßen natürlicher Verhältnisse in unserer größeren Tierwelt sind die Jäger. Sie haben in den Raubtieren immer die Jagdkonkurrenten gesehen, die vernichtet werden mussten. Auch der Ausdruck ‘Raubtier’ kommt ja aus der Jägersprache; d. h. es wird ihnen etwas weggenommen, geraubt, was sie für sich beanspruchen – und diese Haltung ist in Jägerkreisen immer noch weit verbreitet. … Wir können nicht einfach .. sagen, Wölfe – ja in Polen, o.k, und Bären in Rumänien. Aber in Deutschland doch bitte nicht! Ja, wo sind wir denn? Das ist eine Haltung, die unmöglich ist!” (J. Reichholf im Beitrag “Tiere im Freiland nur hinter Glasscheiben” von 3sat nano vom 11.12.2009)
Richtig ist zweitens: “Die Raubtiere haben nie die Wildbestände bei uns nennenswert reguliert. Es waren immer in erster Linie Krankheiten, Winterkälte, Nahrungsmangel. … Die Winterfütterung soll … bewirken, dass der Bestand möglichst hoch wird und das haben die Jäger erreicht. Bei den hohen Wildpachtzinsen haben die Jäger ein Interesse, einen hohen Wildbestand zu haben und diesen auch so hoch wie möglich zu halten.” (J. Reichholf in SWR Odysso vom 28.5.2009, Kritik an der Jagd; siehe auch das Video der Sendung auf Youtube).

2.
Jäger behaupten, schuld an den Wildschäden seien die vielen Besucher, die das Rotwild erschrecken, sodass es nicht auf die Wiesen zum Äsen kommt und stattdessen im Wald die Bäume verbeisst.
Richtig ist: “Das Rotwild wird … in die Wälder gelockt und gedrückt. Gedrückt, weil es scheu gemacht worden ist durch die lange Bejagung. Gelockt durch die Fütterungen gerade auch mit den Wintergattern” (Reichholf, ebd.). Die Jagd hat aus einem tagaktiven Steppen- ein nachtaktives Waldtier gemacht (J. Reichholf, Ist die Einstellung der Jagd im Kanton Basel möglich und sinnvoll?, S. 3 f.; siehe auch das Video zu diesem Vortrag auf Youtube). Rothirsche sind nicht von Natur aus scheu (ebd. S. 5).

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3.
Jäger behaupten, die Jagd reguliere die Wildbestände.
Richtig ist: Man unterscheidet beim Wachstum von Populationen 3 Phasen:

Wachstum

  1. die Verzögerungsphase, in der die Population nur minimal wächst,
  2. die Wachstumsphase, in der die Population exponentiell ansteigt, und
  3. die Stabilisierungsphase, in der die Population die Umweltkapazität ihres Lebensraum erreicht hat.

Die Hirschpopulation im Harz ist größer als die Hälfte der Umweltkapazität. Darunter versteht man diejenige Zahl an Hirschen, die der Harz ernähren kann. Die Population befindet sich im oberen Teil der Wachstumsphase oder am Anfang der Stabilisierungsphase (siehe Ist die Einstellung der Jagd …, S. 18). Die Abschüsse halten den Hirschbestand produktiv: Die Hirschpopulation stabilisiert sich nicht, sondern wird zurückversetzt in die Phase des exponentiellen Wachstums: “Jagd drückt produktive Bestände immer wieder in die Wachstumsphase.” (ebd.) Die Hirsche bekommen wieder mehr Nachwuchs als in der Stabilisierungsphase. So werden die Abschüsse im Harz nicht nur kompensiert, sondern sogar überkompensiert: 2011 gibt es 5.000 Hirsche, 1.859 werden geschossen, 2012 gibt es 6.000 Hirsche usw. usf. Der Harz wird zur “Wildzuchtanlage für einen priveligierten Freizeitspaß” und zur “Schießbude der Jäger” (Frank Wittig, Kritik an der Jagd).

Reichholf fordert die Abschaffung der Jagd. Sie aber allein im Nationalpark Harz abzuschaffen, wie einige Tierschützer das wollen, würde den Verbissdruck nicht lindern. Im Gegenteil: Alle Rothirsche aus den umliegenden Gebieten würden sich in den sicheren Nationalpark zurückziehen und die Naturverjüngung auf den Lichtungen noch mehr verbeissen als ohnehin schon. Einzige Veränderung: Sie würden es jetzt tagsüber machen und ohne Scheu vor den Menschen. Förster Peter Wohlleben fordert deswegen ein landesweites Verbot der Jagd (siehe die ZDF-Dokumentation von Bernd Welz vom 19.1.2014: Jäger in der Falle).

Zur Kritik an der Jagd empfehle ich das Buch von Claus-Peter Lieckfeld, Tatort Wald – Georg Meister und sein Kampf für unsere Wälder, Frankfurt a. M. 2012.

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