Das sonderbare Interview mit Forstminister Josef Miller

Indizien für von der Verwaltung geschriebene Antworten

Hans Bibelriether behauptet, dass “die Antworten von Herrn Miller praktisch wörtlich von der Nationalparkverwaltung formuliert wurden”. Und in der Tat kann ausgeschlossen werden, dass der Minister die Antworten so gegeben hat, wie sie in der Zeitung abgedruckt sind. Ich möchte das an drei Beispielen verdeutlichen.

Beispiel 1

“Im Jahr 1997 wurden im Randbereich des Rachel-Lusen-Gebiets, also im sogenannten Alt-Nationalpark, 22.500 Festmeter Käferholz eingeschlagen. 1998 waren es im gleichen Bereich bereits 36.000 Festmeter. Aufgrund dieser Zwangseinschläge nehmen die so ausgeräumten Käferflächen hier mit Stand vom 20. Juli 1998 einen Gesamtumfang von 116 Hektar ein. Das waren rund 3,2 % des genannten Randbereichs bzw. 0,87 % der Gesamtfläche des Altnationalparks.”  ((Unser Wilder Wald Nr. 4, S. 3 f.))

Der Minister scheint ein formidables Gedächtnis zu haben. In nur vier Sätzen präsentiert er:

  • drei Datumsangaben (1997, 1998, 20. Juli 1998),
  • fünf Zahlen (22.500, 36.000, 116, 3,2%, 0,87%)
  • und sieben Fachbegriffe aus der Fachsprache der Nationalparkverwaltung (Randbereich, Alt-Nationalpark, Rachel-Lusen-Gebiet, Festmeter, Käferholz, Zwangseinschläge, Käferflächen)

Das alles soll ein Minister auswendig wissen, der zum Zeitpunkt des Interviews gerade mal einen Monat im Amt ist? Der Mann hat weder Forstwirtschaft studiert, noch war er bis zum Oktober 1998 als Experte für den Nationalpark auffällig geworden. ((siehe den Wikipedia-Eintrag zu Josef Miller)) Aber so geht es das ganze Interview: Miller scheint ein wandelndes Lexikon für Datums- und Größenangaben zu sein.

Rein zufällig präsentiert Sinner im November 1998 auf einer Fachtagung dieselben Zahlenspiele:

“In einer Zeit, in der die Nationalparkidee bundesweit auf dem Prüfstand steht, werden rd. 120 ha (rd. 0,8 % des Altnationalparks) Borkenkäferkahlfläche … als ein zu hoher Preis für 10.000 ha unberührte Natur gesehen.”  ((Karl-Friedrich Sinner, Aktuelle Konflikte im Nationalpark Bayerischer Wald als Beispiel für unseren gesellschaftlichen Umgang mit Wildnis, in: Bayerische Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege (Hg.), Schön wild sollte es sein … Wertschätzung und ökonomische Bedeutung von Wildnis, Laufener Seminarbeitrag 2/99, , Laufen/Salzach 1999, S. 13))

 

Beispiel 2

“Schon im August und September 1997, also von meinem Vorgänger Reinhold Bocklet, wurde aufgrund der unverminderten Massenvermehrung der Borkenkäfer im Innern des Nationalparks entsprechend der örtlichen Gefährdungs-Situation unter Mitwirkung des früheren Nationalparkleiters die Abgrenzung der Randbereiche des Nationalpark vorgenommen.” ((Unser Wilder Wald Nr. 4, S. 3))

Welcher normale Mensch redet so? Das ist Schriftsprache. Und die ähnelt auffallend der Dienstanweisung vom 14. August 1997, in der die Verdopplung der Borkenkäferbekämpfungszone befohlen wurde. ((siehe Dienstanweisung vom 14. August 1998 )) Auch dort ist von “Abgrenzung”, “Schutzzonen am Rand”, “Massenvermehrung” und “örtlicher Gefährdungssituation” die Rede. Bibelriether nennt die Aussage “unter Mitwirkung des früheren Nationalparkleiters” eine falsche Behauptung. Seine ausführliche Begründung können Sie hier nachlesen: Chronologie der Ereignisse August 1997 – Dezember 1998.

 

Beispiel 3

“Bereits im Jahr 1997 entstanden aufgrund der Holzrückung zum Teil starke Bodenschäden. Insbesondere auf naßen ((alte Rechtschreibung im Original)) Standorten und mineralischen Weichböden wurden im Randbereich die aufzuarbeitenden Bestände auf der ganzen Fläche befahren, nachdem die aufgeweichten Rückegassen nicht mehr benutzbar waren.”  ((Unser Wilder Wald Nr. 4, S. 3))

So spricht kein diplomierter Agrarwissenschaftler und auch kein stellvertretender Vorsitzender der CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag; so sprechen nur Förster. Holzrückung, Bodenschäden, mineralischer Weichboden, Bestand, aufarbeiten, auf ganzer Fläche befahren, Rückegassen – das sind alles forstwirtschaftliche Fachbegriffe.  Viele Leser der Zeitung dürften überhaupt nicht verstanden haben, wovon der Minister da spricht. Und ich fürchte, der Minister hätte selbst nicht erklären können, was ein “mineralischer Weichboden” ist.

Selbst wenn das Interview stattgefunden haben sollte, hätte Miller ständig von Karteikarten ablesen müssen. Und wer anders hätte die geschrieben als die Nationalparkverwaltung?

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