Die unbekannten Kollateralschäden der Borkenkäferbekämpfung

Einleitung

Es gibt viele wissenschaftliche Aufsätze in Fachzeitschriften, die beweisen: Kahlschläge zur Borkenkäferbekämpfung (Sanitärhiebe, engl. salvage logging) schaden der Artenvielfalt. Der Aufsatz Impacts of salvage logging on biodiversity: a meta-analysis ist ein berühmtes Beispiel. ((Ich nenne diesen Aufsatz am Schluss meines Videos Der Kampf gegen den Borkenkäfer im Nationalpark Harz.)) In der Gemeinschaft der Wissenschaftler sind diese Aufsätze gut bekannt. Allerdings nur dort. Denn die Aufsätze haben mindestens drei große Probleme, die das Verständnis für den wissenschaftlichen Laien erheblich erschweren: ((siehe auch Hilferuf an Dr. Lachat))

  1. Die Aufsätze erscheinen in Fachzeitschriften, die die örtliche Stadtbibliothek nicht abonniert hat.
  2. Die Aufsätze sind in Englisch geschrieben und verwenden darüber hinaus Fachbegriffe, die nicht im Langenscheidt Wörterbuch Englisch-Deutsch stehen.
  3. Die Aufsätze sind häufig mit Mathematik und Statistik überfrachtet.

Doch selbst wenn der Laie diese drei Hürden mit viel Fleiß und Mühe überwindet, bleiben zwei Probleme bestehen:

Problem 4: Fehlende Namen der geschädigten Arten

Die Aufsätze stellen zwar fest, dass Sanitärhiebe der Artenvielfalt schaden. Aber es klafft eine große Lücke: Es fehlen konkrete Angaben darüber, wie die Arten genau heißen, die unter Sanitärhieben leiden. So stellt der oben erwähnte Aufsatz z. B. fest:

“Sanitärhiebe reduzieren die Anzahl der Arten von 8 taxonomischen Gruppen in erheblichem Masse.” ((siehe Zusammenfassung Punkt 3: “A meta-analysis across 24 species groups revealed that salvage logging significantly decreases numbers of species of eight taxonomic groups.”, siehe auch Abbildung 3 a))

Aber welche Arten es z. B. bei der Gruppe der Totholzkäfer sind, verrät der Artikel nicht. So bleiben diese Aufsätze seltsam abstrakt und blutleer: unter “Artenvielfalt” kann man sich nichts vorstellen. Doch einige Artikel machen eine Ausnahme: Sie präsentieren tatsächlich konkrete Artennamen. Aber sofort taucht ein neues Problem auf:

Problem 5: Unbekanntheit der geschädigten Arten

Kennen Sie z. B. den Totholzkäfer Quedius plagiatus? Er steht als gefährdet auf der Roten Liste und ist ein Opfer der Sanitärhiebe, denn er kommt ausschließlich auf nicht abgeräumten Windwürfen vor. Aber der Käfer hat nicht einmal einen deutschen Namen! Wie sieht er aus? Wie lebt er? Diese Fragen können nur wissenschaftliche Experten beantworten. So bleibt das Problem bestehen: Die Opfer der Kahlschläge bleiben für Laien fremd und unbekannt.

Auf das fünfte Problem komme ich in den beiden letzten Kapiteln zurück. In diesem Artikel beschäftige ich mich aber hauptsächlich mit Problem Nr. 4: den fehlenden Namen der geschädigten Arten. Denn nicht alle Aufsätze lassen die Namen weg. Es gibt einen Aufsatz, der Namen nennt – und zwar gleich 179! Er stammt von Simon Thorn und sechs weiteren Wissenschaftlern, wurde 2014 veröffentlicht und trägt den komplizierten Titel New Insights into the Consequences of Post-Windthrow Salvage Logging Revealed by Functional Structure of Saproxylic Beetles Assemblages, auf deutsch: Neue Erkenntnisse über die Konsequenzen von Sanitärhieben nach Windwürfen aufgrund der funktionellen Struktur von Totholzkäfergruppen  ((Thorn S, Bässler C, Gottschalk T, Hothorn T, Bussler H, et al. (2014) New Insights into the Consequences of Post-Windthrow Salvage Logging Revealed by Functional Structure of Saproxylic Beetles Assemblages. PLoS ONE 9(7): e101757. doi:10.1371/journal.pone.0101757))

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Danksagung

Ich möchte mich ausdrücklich bedanken bei Dr. Simon Thorn. Er hat mir in einem langen Telefonat und vielen E-Mails meine vielen Fragen mit großer Geduld und noch mehr Sachverstand beantwortet.

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