Wildschäden durch Rothirsche in Lichtenau

“Eine Fichtenmonokultur, die einfach deshalb Monokultur wurde, weil jede andere Baumart vom Wild verbissen wird, ist kein Lebensraum für Rotwild.”
Georg Sperber ((in Bemerkungen über den Rothirsch” von Horst Stern, 1971))

Station D – Geschälte Fichtenforste

Am Anfang habe ich gedacht, es handele sich um eine optische Täuschung. Ich dachte, an den schwarzen Stellen am Fichtenstamm sei der Lichteinfall schuld. Es konnten doch unmöglich alle Bäume geschält sein!

Aber es war keine optische Täuschung: Bei Station D ((siehe Karte mit den 12 Stationen)) war tatsächlich jeder Stamm geschält. Das Abnagen der Rinde durch die Hirsche muss Jahre her sein: Die Fichten haben versucht, die Verletzungen zu überwallen. Der Holzkern liegt frei. Harz tritt aus. Es sah aus, als hätten die Bäume Krebs. Zum ersten Mal habe ich mich in einem Wald richtig geekelt.

Das zuständige Forstamt des Privatwaldbesitzers Ralph von Zitzewitz in Marschallshagen hat den Fichtenforst offensichtlich aufgegeben und seinem Schicksal überlassen. Er wurde seit vielen Jahren nicht mehr durchforstet. Ein Wunder, dass die rotfaulen Fichten noch stehen und keinem Wind- oder Schneebruch zum Opfer fielen.

Ein Fichtenwald, der von Hirschen zu 100 % geschält wurde, dürfte es laut offiziellen Angaben gar nicht geben:

  • So beziffert z. B. die dritte Bundeswaldinventur den Anteil geschälter Fichten dort, wo Hirsche vorkommen, auf 34 %. ((siehe Stammverletzungen durch Wild. Schon das ist ein skandalös hoher Wert.))
  • Und der Deutsche Forstwirtschaftsrat rechnet in der Konvention zur Bewertung von Wildschäden zwei Beispiele für Schälschäden in Fichtenwäldern durch: In beiden Fällen sind nur 5 % der Fichten geschält. ((siehe Michael Duhr (Hg.), Konvention zur Bewertung von Wildschäden, Berlin 2013, S. 3, 3. Kapitel “Schälschäden”, Beispiele c und d))

Hätte der Jagdpächter den Eigentümer Ralph von Zitzewitz für die Wildschäden entschädigen müssen, so wären Summen fällig gewesen, die nur ein Millionär hätte zahlen können. Der Entschädigungsbeitrag lässt sich mit den Tabellen des Forstwirtschaftsrats ermitteln: Nehmen wir an, die Fichten sind 30 Jahre alt und haben eine Ertragsklasse von 3. ((Je niedriger die Ertragsklasse, desto höher der Zuwachs an Holzmasse. Ein Wald mit einer Ertragsklasse von 0 wächst also sehr gut, einer mit der Ertragsklasse von 3 sehr schlecht.)) Wir nehmen weiter an, dass das angefaulte Stammstück 2 Meter lang und seine Wertminderung sehr groß ist, weil es nicht mehr als Säge-, sondern nur noch als Brennholz nutzbar ist. Dann schuldet der Jagdpächter dem Waldbesitzer 3.150 € pro ha. ((Konvention zur Bewertung von Wildschäden, S. 5, Tabelle 8.1.1.1. Die Annahmen sind konservativ: Bei höheren Ertragsklassen, größerem Faulstück oder höherem Alter sind schnell über 5.000 € fällig.)) Allein der Zitzewitzsche Fichtenforst östlich des Wegs bei Station D ist 17 ha groß: folglich müsste der Jäger nur für diese eine geschälte Waldabteilung rund 50.000 € Entschädigung zahlen. Umweltminister Remmel trifft fast den Punkt, wenn er sagt:

“Wir müssen dringend eine Lösung für das Problem finden, denn die Schäden im Wald und auf den Feldern können in die Millionen gehen.” ((Neue Westfälische vom 11. September 2015))

Die Schäden können nicht in die Millionen gehen, sie gehen in die Millionen – und zwar allein im Holtheimer und Marschallshagener Wald.

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