Die Sitzung des Bayerischen Landtags am 10.7.1997

“Selbstverständlich halte sich die Nationalparkverwaltung an die politische Vorgabe der NP-Verordnung und bekämpfe gezielt und effektiv den Käfer. […] Die
Kahlschläge durch Käferbekämpfung seien schlicht das Ergebnis der Regelungen in der NP-Verordnung […].”
Karl Friedrich Sinner in der Passauer Neuen Presse vom 17. Juli 2010

 

Einleitung

Riesenkahlschlag am Rindelloch im Erweiterungsgebiet des NLP Bayerischer Wald75 ha großer Kahlschlag am Rindelloch im Erweiterungsteil des NLPs

Im NLP Bayerischer Wald wurden bis heute 2.000 ha Fichtenwälder kahlgeschlagen. Laut offiziellen Zahlen betrug die eingeschlagene Holzmenge von 1997 – 2013 fast 1,5 Millionen Festmeter. ((siehe Offizielle Zahlen zum Holzeinschlag und Ultraviolence)) Rechtliche Grundlage für die Riesenkahlschläge ist ein einziger Satz in der Nationalparkverordnung ((im folgenden abgekürzt mit NP-VO)); es ist der § 14 (3). Der Satz lautet in der Fassung vom 12. September 1997: ((Die NP-VO, die auf der Homepage des NLP zum Download zur Verfügung steht, ist die novellierte Fassung vom 17. September 2007. In ihr wurde die Jahreszahl “2017” durch “2027” ersetzt. Die Borkenkäferbekämpfung wurde also um 10 Jahre verlängert. Zu den Unterschieden zwischen den beiden Versionen siehe: Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 4. März 2009 über die Popularklage der Bürgerbewegung zum Schutz des Bayerischen Waldes.))

In einem Zeitraum bis zum Jahr 2017 ist die Ausbreitung des Borkenkäfers auf die Wälder der Hochlagen zwischen Falkenstein und Rachel zu verhindern.

Dieser Satz stellt die “Ermächtigungsgrundlage” für die Kahlschläge dar. Der Ausdruck stammt von Ministerialrat Wolfgang Sailer, damals zuständig im Bayerischen Forstministerium für den NLP. ((Sie kamen, sahen und zeigten sich überaus betroffen und besorgt, Passauer Neue Presse vom 17. Oktober 1997)) Der Bayerische Landtag verabschiedet die geänderte NP-VO am 10. Juli 1997. ((Das Original des Plenarprotokolls können Sie hier nachlesen: Plenarprotokoll 13/84 vom 10. Juli 1997. Die umfangreiche Vorgangsmappe finden Sie hier: Entwurf einer Verordnung zur Änderung der Verordnung über den Nationalpark Bayerischer Wald))

Obwohl die CSU über eine komfortable absolute Mehrheit im Landtag verfügt, wird die neue Verordnung von allen drei damals im Landtag vertretenen Fraktionen unterstützt: der CSU, der SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Die Beschlussempfehlung wird zwar “federführend” vom Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten eingebracht. Daran “beteiligt” sind aber auch drei weitere Ausschüsse:

  • der Ausschuss für Landesentwicklung und Umweltfragen,
  • der Ausschuss für Staatshaushalt und Finanzfragen und
  • der Ausschuss für Verfassungs-, Rechts- und Parlamentsfragen.

Alle vier Ausschüsse haben der Beschlussempfehlung zugestimmt. ((siehe Vorgangsmappe, S. 9))

Drei Abgeordnete sind gemeinsam für die Formulierung der Beschlussempfehlung verantwortlich: ((siehe u. a. die Äußerung von Frau Lödermann “Deshalb ist der Antrag von Herrn Sinner, Frau Peters und mir ein guter Kompromiss.”, Plenarprotokoll, S. 6124, rechte Spalte, 1. Absatz))

  1. Eberhard Sinner (CSU), Mitglied sowohl im Landwirtschafts- als auch im Umweltausschuss, Forstexperte der CSU ((Der Titel “CSU-Forstexperte” stammt aus der Passauer Neuen Presse vom 4. Juli 1997. Der Artikel trägt die Überschrift “Nationalpark: Angst vor dem Käfer – und vor wilden Kreaturen”.)) und Vorsitzender des CSU-Arbeitskreises für den Umweltausschuss. Er ist “Berichterstatter” für den Ausschuss.
  2. Gudrun Peters (SPD), Mitglied im Umweltausschuss. Sie ist “Mitberichterstatterin”.
  3. Theresa Lödermann (Bündnis 90/Die Grünen). Sie ist Mitglied im Umweltausschuss. ((siehe Vorgangsmappe, S. 9))

Alle drei halten je eine 15-minütige Rede, in der sie die Zustimmung ihrer Fraktionen begründeten. Diese sogenannte “Aussprache” ist ein Tiefpunkt in der Geschichte des Landtags. Dies gilt nicht nur für die Rede von Sinner, sondern auch für die von Peters und Lödermann.

Die abschließende Rede hält der für den NLP zuständige Staatsminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Reinhold Bocklet, von der CSU. Alle Fraktionen werden am Ende der NP-VO zustimmen. Der Tag ist kein “Freudentag für den Natur- und Artenschutz”. ((Lödermann, Plenarprotokoll, S. 6124, linke Spalte, 2. Absatz)) Er bedeutet eine krachende Niederlage.

Merkwürdig stumm bleiben an diesem Tag die Vorsitzenden der beiden Ausschüsse, in denen es heftige Kontroversen und die meisten Gegner gab:

Auch der Umweltminister sagt keinen Mux: Thomas Goppel.

Ich habe zu drei Reden ausführliche Kommentare geschrieben und zu den Rednern ausführliche Hintergrundinformationen zusammengetragen. Es geht um die Frage der individuellen Verantwortung und der persönlichen Schuld der vier Hauptakteure. Hier geht es zu meinen Artikeln: