Der Gemeindewald im Tänntal

Das Hauptproblem – Entmischung durch selektiven Verbiss

Einleitung

Das Hauptproblem im Tänntal sind nicht die Kahlschläge. Das Hauptproblem ist die Entmischung durch selektiven Verbiss. Im Tänntal wachsen hauptsächlich Birkenwälder heran – manchmal sind auch Fichten untergemischt, seltener Lärchen, Ohr-Weide oder Holunder. Fast nie Vogelbeeren. Immer dominiert die Birke.

Ohne selektiven Verbiss durch Schalenwild würden hier artenreiche Mischwäldern aus Pionierbäumen wachsen. Stattdessen führt der selektive Verbiss zu Birkenreinbeständen.1zum Thema siehe auch: Wildökologie Heute – Rehwildprojekt

Dieses Kapitel ist gegliedert in 4 Abschnitte:

  1. Entmischung durch selektiven Verbiss im Tänntal
  2. Entmischung durch selektiven Verbiss im Garten
  3. Ähnlichkeiten zwischen der Entmischung durch selektiven Verbiss im Tänntal und im Garten
  4. Unterschied zwischen der Entmischung durch selektiven Verbiss im Tänntal und im Garten

1. Entmischung durch selektiven Verbiss im Tänntal

Ich befürchte, dass die meisten Wanderer im Tänntal sich nicht viele Gedanken über den Wald machen. Vielleicht denken sie, dass irgendwann wieder einmal ein neuer Wald heranwachsen wird. Vielleicht haben sie schon einmal etwas von Naturverjüngung gehört. Vielleicht hatten sie ja einen guten Biologieunterricht. Vielleicht sehen sie die vielen kleinen Birken und dazwischen manchmal auch die Fichten und nehmen an, dass sich daraus einmal in der Zukunft ein neuer Wald bilden wird. Vielleicht haben sie sogar etwas vom „Mischwald der Zukunft“ gehört und denken, der sieht dann wohl so aus: Birken und Fichten, hübsch gemischt.

Was die meisten Wanderer vermutlich nicht wissen und nicht sehen und auch nicht sehen können, ist, dass im Tänntal auch viele andere jungen Bäume wachsen würden, wenn da nicht die viel zu vielen Hirsche und Rehe wären. Das Tänntal sähe völlig anders aus, wenn die Stadt Ilsenburg hier richtig jagen würde oder wenn es noch Wölfe und Bären gäbe. Nichts am Tänntal ist natürlich, gar nichts. Es ist ein Kunstprodukt. Es ist ein Wildpark. Nur dass man die Hirsche und Rehe nicht sieht. Zumindest nicht als Laie. Gute Jäger würden sie sofort sehen, wenn sie auf die Jagd gehen würden. Aber das dürfen sie nicht. Und die, die dürfen, sind keine guten Jäger.

2. Entmischung durch selektiven Verbiss im Garten

Hinweis: Ein Teil der Fotos ist vom Fallschirm-Sonnenhut; von 7 großen und imposanten Stauden in meinem Garten wurden 6 vollständig aufgefressen. Eine konnte ich retten und auch die zwei im Vorgarten. Ein anderer Teil der Fotos ist vom Rhabarber. An manchen Tagen sammele ich immer noch ein halbes Dutzend Schnecken von ihm ab – trotz Einsatz von Schneckenkorn.

Vielleicht halten sie das alles für übertrieben. „Entmischung? Im Tänntal? Ich bitte Sie! Jetzt malen Sie mal nicht so schwarz!“ Ich kann das verstehen. Als Laie kann man sich das nicht vorstellen. „Hirsche? So schlimm? Aber Hirsche gehören doch in den Wald! Und die sollen hier solche Schäden anrichten? Ich kann mir das nicht vorstellen!“ Wer sich das gut vorstellen kann, das sind nicht nur Jäger. Auch Gärtner könnten sich das vorstellen. Doch! Gärtner! Die wissen, was Entmischung ist. Gerade in diesem Jahr.

Denn in diesem verregneten Frühjahr gab es eine Schneckenplage. Auch jetzt noch im Sommer kann man sie zu Dutzenden im eigenen Garten sehen. Wenn man hinguckt. Genau hinguckt.

Schnecken betreiben im Garten eine hocheffiziente Entmischung. Sie betreiben selektiven Verbiss – nur dass sie nicht bestimmte Bäume fressen, sondern bestimmte Stauden. In meinem Garten waren das:

  • Indianernessel,
  • Sonnenauge,
  • Duftnessel,
  • Przewalski-Kerzengoldkolben,
  • Roter Sonnenhut,
  • Duftnessel,
  • Sommer-Salbei und
  • Topanimbur.

Die o. g. Stauden sind alle vollständig aufgefressen worden.

Von jeder dieser Staudenarten standen jeweils mehrere Exemplare an unterschiedlichen Stellen im Garten. Der Standort spielte überhaupt keine Rolle. Das große Fressen begann ganz früh, schon die allerersten Blätter verschwanden über Nacht. Es ist, als wären die o. g. Stauden nie dagewesen. Aber sie waren da – jahrelang. Bis die Schnecken kamen.

Andere Stauden wurden stehengelassen. Kein einziges Blatt wurde auch nur angefressen. Dazu zählten in meinem Garten z. B.:

  • Balkan-Kugeldistel,
  • Bergenie,
  • Rosen,
  • Pfirsichblättrige-Glockenblume,
  • Berg-Flockenblume,
  • Gold-Felberich,
  • Wasserdost,
  • Goldrute,
  • Fetthenne,
  • Pracht-Storchschnabel und
  • Fackellilie.

Das ist selektiver Verbiss. Das Endprodukt ist Entmischung.

Das Wichtige ist: Wenn Sie meinen Garten besuchen würden, würden Sie die Entmischung gar nicht bemerken. „Ach, ist Ihr Garten aber schön! Und all die vielen bunten Blumen!“ Das würden Sie sagen. Das würden Sie auch jetzt noch sagen – nach der Entmischung! Auch ein entmischter Garten kann immer noch schön bunt sein. Auch wenn ein halbes Dutzend Arten fehlen.

Die vielen Schnecken würden Sie gar nicht sehen. Man kann sie ja auch nur zu bestimmten Zeiten sehen – frühmorgens z. B., wenn es regnet. Aber wer geht da schon in den Garten? Wenn Sie es täten, dann würden Sie sie sehen: wie ein ganzes Dutzend auf einer einzigen Fallschirm-Sonnenhut- oder Rhabarber-Staude sitzt. Und frisst. Und frisst. Und frisst. Es ist ekelhaft!


3. Ähnlichkeiten zwischen der Entmischung durch selektiven Verbiss im Tänntal und im Garten

Es gibt viele Ähnlichkeiten zwischen der Entmischung im Garten durch Schnecken und der Entmischung im Wald durch Schalenwild; Genauso wie dem Besucher in meinem Garten das Fehlen der vielen Fallschirm-Sonnenhut-Stauden nicht auffällt, so fällt dem typischen Wanderer im Tänntal höchstwahrscheinlich nicht auf, dass auf den Kahlschlägen keine Vogelbeeren wachsen. Die müssten da aber wachsen, sehr viele sogar. Aber sie werden selektiv aufgefressen.

Auch die Eichen fehlen und auch das fällt nur wenigen auf. Allein in meinem Garten mit nur 1.000 qm keimten in diesem Jahr ein halbes Dutzend Eichen. Eichelhäher sind sehr fleißige Vögel. Aber mein Garten – direkt am Wald – ist auch rundum mit einem hohen Zaun eingezäunt. Das Tänntal nicht.

Wenn Sie im Tänntal dann doch ein paar kleine, junge Eichen entdecken sollten, bedeutet das keine Entwarnung. Wenn von 100 jungen Eichen eine nicht gefressen wird, heißt das nicht, dass die Jagd stimmt.

Schneckenkorn hilft natürlich bei Schneckenplagen. Aber die richtige Dosierung und die rechtzeitige und regelmäßige Anwendung sind schwierig! Wenn ich beispielsweise die Fallschirm-Sonnenhut-Stauden, die die Plage bislang überlebt hatten, in den vergangen Regentagen nicht täglich kontrolliert und die vielen Schnecken von Hand entfernt hätte, wären diese Stauden jetzt auch weg. Trotz Schneckenkorn. Zu wenig und zu unregelmäßig hilft nicht.

So ist es auch mit der Jagd im Tänntal. Es reicht nicht, wenn  der Förster hoch und heilig beteuert, dass er tüchtig jagen würde und stolz irgendwelche Abschusszahlen vorlegt! Das ist so, wie wenn ein Gärtner damit prahlt, er würde ordentlich Schneckenkorn verstreuen. Das reicht nicht!

Ein Beweis für eine richtige Jagd können nur Weisergatter sein. Wenn innerhalb und außerhalb des Gatters kein Unterschied ist, dann stimmt die Jagd. Allerdings müssen die Weisergatter sofort nach dem Kahlschlag gebaut werden. Denn sonst werden die frisch gekeimten Baumsamen gefressen, bevor noch das Gatter gebaut wird.

Im ganzen Tänntal habe ich auf meiner Wanderung kein einziges Weisergatter gesehen. Dafür Zäune um Wiederaufforstungen und Schutzhüllen um gepflanzte Bäume. Das ist immer ein unwiderleglicher Beweis für zu hohe Wildbestände.


4. Unterschied zwischen der Entmischung durch selektiven Verbiss im Tänntal und im Garten

Schnecken sind ekelhaft. Bambi ist süß.

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