“Es gibt nichts Unzeitgemäßeres als Argumente.”
Norbert Bolz
Hummelmarter in der Presse
Der Hieb in Hummelmarter spielt verständlicherweise in der überregionalen Presse überhaupt keine Rolle. Von den großen Tageszeitungen berichtet darüber nur die Süddeutsche – und auch das nur kurz und nur in ihrem Bayernteil, der kein Bestandteil der Gesamtausgabe ist. Wer sich über den Steigerwald ausführlicher informieren möchte, der muss zur Main-Post greifen. Es ist die Main-Post, in der um einen NLP im Steigerwald gestritten wird. Seit Jahren.
Im Folgenden geht es um die ersten beiden Zeitungsartikel, in denen die Baumfällungen bei Hummelmarter im Mittelpunkt stehen:
- Wieder Streit wegen Baumfällungen im Steigerwald, Main-Post vom 27.12.2020
- Streit im Steigerwald: Staatsforsten sägen alte Buchen um, Süddeutsche Zeitung vom 28.12.2020
Wieder Streit wegen Baumfällungen im Steigerwald
Klaus Voigt, Redaktionsleiter in Gerolzhofen, teilt seinen Artikel in zwei Hälften: im ersten Teil kommen die Kritiker des Forstbetriebs Ebrach zu Wort, im zweiten darf dessen Leiter Stellung zu den Vorwürfen nehmen. Die Aufteilung des Artikels ist fair: der Forstbetrieb bekommt genauso viel Platz eingeräumt wie dessen Kritiker. Sechs Kritiker haben sich mit Presseerklärungen zu Wort gemeldet:
- Ulla Reck (Freundeskreis Nationalpark Steigerwald),
- Ralf Straußberger (BN-Waldreferent)
- Martin Geilhufe (BN-Landesbeauftragter)
- Helmut Beran (Geschäftsführer LBV)
- Eva Lettenbauer (Vorsitzende Grüne Bayern und MdL)
- Lisa Badum (Bündnis 90/Die Grünen, MdB und Sprecherin von “Steigi bleibt“)
Die Vorwürfe gegen den Forstbetrieb Ebrach sind seit Jahren dieselben:
- Es gibt “massive Fällungen”.
- “Gerade die dicksten Buchen [werden] konsequent herausgeschlagen.” Denn: “Das derzeitige Konzept, Bäume nur ab einem Durchmesser von über 80 Zentimetern zu schützen, führe zur gezielten Fällung von Buchen, die knapp 80 Zentimeter oder darunter sind.” Der Forstbetrieb “verhindert, dass ein alter Wald mit dicken Bäumen entstehen kann.”
- “Große Löcher [werden] in das schattenspendende Kronendach gerissen.” Das ist in der “Klimakrise mit extremer Hitze und Trockenheit […] schädlich für den verbleibenden Wald.”
- Weil der Forstbetrieb die dicken Buchen fällt, entzieht er “Franken die Grundlage für einen Nationalpark und ein Weltnaturerbe”. Das darf er nicht, denn die Staatsforsten sind ein “Unternehmen im Eigentum der Bevölkerung”.
Im Grunde kann man die Vorwürfe kurz und knapp zusammenfassen: “Es werden zu viele dicke Buchen gefällt!” Das ist schön einfach, leicht verständlich und gut zu kommunizieren: Unter einer dicken Buche kann sich jeder etwas vorstellen. Und wenn man dann noch Fotos von großen Holzpoltern zeigen kann, ist die Sensationsstory perfekt und die Aufmerksamkeit der Leser gesichert. Dazu passt auch gut der dritte Vorwurf, der relativ neu ist. Vor “extremer Hitze und Trockenheit” fürchtet sich heute fast jeder. Wer will schon ein Klimawandel-Leugner sein? Und dass “große Löcher im schattenspendenden Kronendach” schädlich sind, das glauben viele Zeitungsleser sofort.
Nicht nur die Vorwürfe, auch die Forderungen sind immer dieselben: die sechs fordern selbstverständlich einen NLP. Und wenn sie den nicht kriegen können, dann wollen sie wenigstens einen “sofortigen Einschlagsstopp” (BN, LBV) oder ein “Moratorium der Baumfällungen” (Grüne). Die Forderung nach einem Einschlagsstopp ist übrigens auch alles andere als neu – schon 2012 forderte Greenpeace: “Mitmachen: Alte Buchen schützen!” Weil niemand mitmachte, wurde die Aktion still und heimlich begraben.
Befürworter des NLPs werden nun vielleicht einwenden: “Es ist unredlich, uns vorzuwerfen, wir würden immer dasselbe sagen. Der Mergner macht das doch auch!” Das stimmt. Im Steigerwald stehen sich zwei Gruppen unversöhnlich gegenüber, die tatsächlich seit Jahren immer dasselbe sagen. Das ist so. Es erinnert ein wenig an “Dinner for one”: “The same procedure as every year!” Vermutlich denkt Mergner auch schon wie Butler James “Well, I’ll do my very best!”, wenn er wieder einmal einen Anruf von einem Redakteur der Main-Post bekommt und wieder einmal um eine Stellungnahme gebeten wird. Wenige Tage vor Silvester 2020 sind seine Gegenargumente jedenfalls die folgenden:
- Die Nutzung ist nicht massiv, sondern schonend. Es werden nur 10 – 20 Bäume pro ha gefällt.
- Die dicksten Buchen werden nicht gefällt. Buchen mit einem BHD > 80 cm bleiben als Methusalembäume stehen.
- Die Löcher sind nicht schattenlos. Für Schatten sorgt “ein Unter- und Zwischenstand“. Ausnahme: lichtbedürftige Mischbaumarten wie z. B. Eichen. Diese brauchen keinen Schatten, sondern Licht. Für die Eichenverjüngung werden lichte Löcher ohne Unter- und Zwichenstand geschaffen. Mischbaumarten sind im Klimawandel wichtig. Werden diese nicht vom Förster gefördert, wächst ein reiner Buchenwald heran. Dieser ist instabil, wie die “Absterbevorgänge in den ungenutzten Naturwaldreservaten des Steigerwalds” zeigen.
So gut Mergners Argumente auch sind – seine Gegner werden sich nicht überzeugen lassen. Ihre Reaktionen kann man sich lebhaft vorstellen:
- “Doch! Ihr fällt viel zu viele Bäume! Das sieht man doch an den riesigen Holzpoltern!”
- “Ja, die ganz dicken Buchen, die Methusalembäume, die lasst ihr stehen! Aber das sind doch viel zu wenige! Und die, die kurz davor sind, ein Methusalembaum zu werden, die fällt ihr!”
- “Was wisst Ihr schon vom Klimawandel! Als ob Ihr es besser wüsstet als die Natur! Die Natur weiß doch am besten, wie man auf den Klimawandel reagiert! Ihr greift künstlich ein! Ihr stört die Natur! Lasst die Natur in Ruhe!”
Eines kommt hinzu. Mergners Gegner sprechen eine ganz einfache Sprache, Mergner dagegen häufig Försterdeutsch. Und das kann und darf in Deutschland nur einer: Peter Wohlleben. Und auch der spricht am liebsten von seinen dicken Buchen. Das versteht jeder Zeitungsleser. Nicht aber, was ein “Unter- und Zwischenstand” ist. Und dass Eichen keine Chance im Buchenwald haben – wer von seinen Gegner glaubt ihm das? Warum braucht man überhaupt Eichen und ist das nicht gegen die Natur, wenn man die künstlich fördert? Für Eichen Buchen fällen? Macht der Wohlleben das auch?
Mergner bräuchte viel mehr Platz in der Zeitung, um zu erklären, was er meint. Erstens kriegt er den nicht und zweitens würde das niemand lesen. Schon gar nicht morgens beim Frühstück! Da will man nicht über “geologische Grundlagen für Trockenschäden” belehrt werden. Eine Tageszeitung ist keine Fachzeitschrift. Politiker wie Lettenbauer und Badum wissen das. Und als Politiker fordern sie “endlich ein Zugehen auf die Bevölkerung”. Und der Zeitungsleser nickt zustimmend. Merke: Populisten sind immer die anderen!
Ich kann die Gegner von Mergner übrigens sehr gut verstehen. Ich war früher selber einer.1siehe Besessen Aber wie heißt es so schön: “Die schärfsten Kritiker der Elche waren früher selber welche.”
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